Die achtzigste Fabel.
Von Antvögelen und Kranchen.

Im feld ein acker het ein baur,
Darauf ließ er ims werden saur,
Mit weizen tet ern dick beseen,
Auf daß er möcht dest reicher meen.
Da flohen im die kranchen auf
Und antvögel ein großer hauf,
Fraßen im auf den samen gar.
Zuletzt ward sein der baur gewar,
Uber die vögel sein zorn ergrimmt,
Sein gsellschaft er bald zu sich nimt,
Mit knütteln liefens auf den acker.
Da waren bald die kranchen wacker,
Flohen davon, wie sie denn pflegen;
Die enten musten sich erwegen,
Dem bauren seinen schaden büßen.
Mit schwerem leib und breiten füßen
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Kuntens zum fliegen nicht erschwingen;
Die bauren tetens umberingen,
Schlugens mit knütteln gar darnider:
Zum andern mal kamens nicht wider.
Oft wenn ein stadt belegert wird
Und von den feinden gar zerstört,
Kan sich der arm leichtlich erheben,
Fleucht, daß er retten mög das leben;
Dem reichen hindert ser sein gut,
Hangt im am hals und gar we tut,
Daß er dasselb sol laßen hinden:
Darumb in oft die feinde finden,
Bei seinem gelt wird tot geschlagen,
Stirbt in elendiglichen tagen.
Es spricht der herr Christus also
Im evangelisten Mattheo,
Da er den jüden drauen tut
Verterb und fall irs übermut,
Daß Hierusalem zerstört solt werden
Und nider gerißen zu der erden,
Warnt seine jünger vor solchem schaden,
Daß sie des mögen sein entladen,
Und spricht: »We denn den schwangeren
Zur selben zeit, den seugenden!«
Bei denselben er uns bedeut
Die großen, schweren, reichen leut,
Die ir gelt tut in krieg beschweren,
Als frauen, die klein kinder neren,
Können sich schwerlich damit bewegen,
Die schwangern können sich auch nit regen
Und sind zu laufen ungerüst.
Also auch umb den reichen ist,
Den bringt sein gelt in krieges not
In große far und in den tot.
In kriegsgescheften ist das gelt,
Davon der mensche gar vil helt,
Mer hinderlich und beschwerlich
Denn breuchlich oder fürderlich.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 80. Von Antvögelen und Kranchen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8FAD-9