Die vierzigste Fabel.
Vom Jüngling und einem Löwen.
Ein edler ritter het vil gut
Und einen son, jung, wolgemut:
Der het sein freud und alln behagen
An hunden und an wildprät jagen.
Von im sein vatter het ein traum,
Wie er stund under einem baum
Und sehe herlaufen aus dem walt
Ein grimmig tier, eins löwen gstalt,
Sein son für im da angefallen
Und in zerrißen für in allen.
Wie er von solchem traum erwacht,
Erschrack, und wunderlich gedacht,
Wie er die sach weislich vornem
Und solchem schaden underkem,
Denn ern zu jagen gneiget sach.
Ließ im bauen ein neu gemach,
Hoch wie ein turn und oben gviert,
Mit allem vorrat schön geziert,
[36]Mit stuben, kamern, schönen salen.
Darin ließ schön figuren malen,
Vogel und tier mancher gestalt;
Damit ward auch ein löw gemalt.
Da ward der jüngling aufenthalten
Vil jar von seim vatter, dem alten.
Einsmals, wie er allein spaciert
Und solch gemälde contempliert,
Sahe er die gstalt des löwen grim,
Da ward er zornig, sprach zu im:
»Ei du böses und schnödes tier,
Allhie muß ich zu gfallen dir
Und umb den traum des vatters mein
Verschloßen und gefangen sein.
Weiß nicht, wie ichs zuletst sol machen.«
Aus unmut schlug er in in rachen
Ein harten schlag mit seiner hand.
Da stack ein nagel in der wand,
Derselb im durch die hand hinfur,
Daß sie blutet, eitert und schwur,
Zuletst dazu ein fieber kam,
Daß er von tag zu tag abnam.
Also vom löwen tötet ist:
Dafür half nicht des vatters list.
Was einem ist von Gott beschert,
Das wird durch keine list gewert,
In gwalt hat tot und leben gar,
On in fellt nicht vom kopf ein har.