[47] Die einundfunfzigste Fabel.
Vom armen kranken Man.

Zu bet ein armer man lag siech,
Sprach: »Jupiter, erhöre mich!
Hilf mir aus diser todesfar,
So wil ich dir auf dein altar
Zwenzig ochsen gar feißt und schon
Opfern zu dank und dir zu lon!«
Jupiter erhört seine bitt,
Gedacht: ist arm, vermag sie nit,
Laß sehn, wo wil er ochsen nemen?
Wird sich des glübdes müßen schemen.
Er ward gesund; da fur er zu,
Gedacht: ich weiß wol, wie ich tu!
Gieng naus und las zusamen fein
Im feld vil toter ochsen bein,
Opferts dem Jupiter gar bald,
Sprach: »Hie hab mein gelübd bezalt.«
Der gott ward zornig und gedacht:
Solchs muß dir werden widerbracht!
Dieselbe nacht gab im ein traum,
Wie under einem eichenbaum
Im wald ein schatz verborgen leg.
Macht sich frü auf und war nit treg,
Lief hin, begunt daselb zu graben.
Kamen drei schnaphan her getraben,
Schlugen in, biß er nimmer mucht,
Daß er in saget, was er sucht.
»Ein schatz«, sprach er, »laßt mich nur leben,
So wil ich euch denselben geben!«
Da schlugen sie in, daß er starb,
An seiner hoffnung gar verdarb,
Umb traumes willen ward erstochen;
Da het sich Jupiter gerochen.
[48]
In nöten oft die leut geloben,
Das sie doch nit zu geben haben,
Wie der hollender auf dem mer.
Fürt ein kravel ein reicher schiffer,
Hub sich ein großer grausam sturm,
Wuchs im im herz der zage wurm.
Zwei wetter sich zu gleich erhuben;
Er globt mit all den schiffesbuben,
Und riefen all sanct Niclaus an.
Er sprach: »Du bist ein treuer man!
So frist uns heut schiff, gut und leben,
So wil ich dir ein wachsliecht geben,
So groß und lang die schonfarmast:
Dasselb dafür zu lone hast,
Und wil dir solchs zu eren ton.«
Da het er einen kleinen son,
Der sprach: »Vatter, dich nit verkall!
Ich mein fürwar, daß du seist mall.
Zu solchem liecht ghört ein last wachs
Und zu dem dacht ein schippunt flachs.
Mit allen unsern freund und magen
Sölln wir solch unkost nit ertragen.«
Sprach: »Halt das maul! du weist nit drumb,
Biß ich wider zu lande kum.
Möcht uns nur dise reis gelingen;
Zu land wolten wir mit im dingen
Und mit eim klein zu frieden stellen,
Geben im, was wir selber wöllen.
Ja, wenn ichs jetzund beßern kunt,
Ich geb sanct Niclaus kaum ein strunt.«

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das dritte Buch. 51. Vom armen kranken Man. 51. Vom armen kranken Man. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8FFB-8