Die dreiundfunfzigste Fabel.
Vom kargen Legaten und den Spielleuten.

Es war ein legat ausgesant
Vom fürsten in ein fremdes lant.
Dasselb etlich spielleut vernamen,
Im für zu pfeifen zu im kamen,
Seinen unmut damit zu stillen
Und mit seim gelt ir seckel füllen.
Als das vermerkt derselb legat,
Durch sein diener die spielleut bat,
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Daß sie jetzt wolten von im bleiben,
Es wer nicht zeit, kurzweil zu treiben,
In freuden könt er sich nicht üben,
Billich müst er sich ser betrüben;
Denn im wer jetzund zeitung kommen,
Hets auch warhaft durch schrift vernommen,
Welch im erst heut wer kommen her,
Daß im sein mutter gstorben wer.
Als solchs erhorten die spielleut,
Sprachen: »Allhie werden wir heut
Zwar kein großes trinkgelt gewinnen,
Gut ists, wir machen uns von hinnen.«
In dem ein ander gast kam dar,
Der dem legaten gfreundet war.
Wie er sein trauren het gehort,
Wolt im geben ein tröstlich wort
Und sprach: »Wie ich vernommen hab,
Ist euch eur mutter gstorben ab.
Nun sagt mir doch, wenn ists geschehen
Und ir sie habt zuletst gesehen?«
Er sprach: »Ich muß euch sagen zwar,
Es ist jetzund wol vierzig jar,
Daß mir mein liebe mutter starb,
In einer pestilenz verdarb.«
Da lacht der freunt und merket wol,
Daß der legat war listen voll
Und het sich drumb traurig gestellt,
Daß er behalten möcht sein gelt.
Die kargen sein also geflißen,
Daß ir auch niemand kan genießen:
Zu werben brauchens list und sinne,
Wie sie nur mögen gelt gewinnen.
Wenn sies mit müe versamlet han,
Gar schwerlich mögen sie davon
Und laßens wol einr lügen walten,
Daß sie mögen ir gelt behalten.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 53. Vom kargen Legaten und den Spielleuten. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9006-5