[182] Die zweiundzwanzigste Fabel.
Vom König und den Affen.

In Egypten ein könig war,
Het der affen ein große schar,
Die ließ er lernen tanzen, springen,
Kempfen und mit einander ringen,
Nach dem kein tier (wie man auch list)
Das dem menschen einlicher ist,
Denn als da sein dieselben affen.
Alls, was sie sehn den menschen schaffen,
Dem wöllen stetes kommen nach,
Und ist dazu den affen gach.
Wie sie nun hetten lange zeit
Gelernt solch kunst und bhendigkeit,
Daß sie des spiels ganz wol erfarn,
Der könig tet kein kosten sparn,
In seiden gwant sie kleiden tet,
Daran er groß gefallen het.
Er ließ sie für den gesten springen,
Gar höflich mit einander ringen.
Die gest groß gfallen daran hetten
Und sich der kunst verwundern teten.
Under den war ein höflich gast;
Derselb vil nuß in ermel faßt,
Die nam er mit hinauf in sal
Und für den gesten allzumal.
Als nun die affen lang hofieren,
Tet sich der geste freud vermeren,
Warf er die nuß in die rappaus:
Da war ir tanz und spielen aus.
Sie teten nach den nußen laufen,
Gunden sich schlagen und zu raufen
Und umb die nuß gar weidlich bißen,
Die seiden kleider gar zerrißen.
[183]
Sie achten nit des meisters strafen,
Sie waren affen und blieben affen.
Darab die geste samtlich lachten,
Daß die affen affenspiel machten.
Im Leimdecker buch ist beschrieben
Als, was Marcolphus hat getrieben.
Da Salomon ein katzen het,
Die er mit arbeit leren tet,
Daß sie das liecht zum eßen hielt,
Und sprach: »Gewonheit gar vil gilt,
Ist der natur weit überlegen.«
Marcolphus tet sich des erwegen;
Er sprach: »Ich wils anderst bewern
Und anderst durch erfarnheit lern.«
Er nam ein meuslin über tisch,
Ließ laufen aus dem ermel risch.
Sobald die katz die maus ersach,
Ließ falln das liecht und lief ir nach.
Damit Marcolphus stracks bewert:
Natur hoch über gwonheit fert,
Mit disem lecherlichen bossen.
Philosophi haben beschlossen:
Was die natur eim jeden geit,
Da zu in sein gemüte treit,
Davon der mensch sich nit leßt dringen,
Auch mit seins lebens far nit zwingen.
Was die natur eim pflanzet ein,
Wäscht im ab weder Elb noch Rhein.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Erster Theil. Das ander Buch. 22. Vom König und den Affen. 22. Vom König und den Affen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9051-E