Die einundsechzigste Fabel.
Vom Dieb und der Sonnen.
In einem dorf wont ein erzdieb,
Der gewan ein junge metzen lieb,
Er nams, macht hochzeit alsofort
Und bat die leut am selben ort
Zur hochzeit, daß zu sein eren
Kemen und mit im frölich weren.
Sie kamen all mit freuden dar.
Des ward ein weiser man gewar;
Demselben gfiels nit allzu wol
Und sprach: »Die sonn wolt auch ein mal
[57]Sich in den eestand tun begeben,
Kunt nit lenger alleine leben;
Darumb wolt ir ein weib erweln,
Möcht so irs gleichen kinder zeln.«
Da solchs der erd ward angesagt,
Erschrack sie ser und kleglich klagt
Dem Jupiter ir angst und not,
Bat, er wolt wie ein weiser gott
Mit fleiß in solche sachen sehen,
Laßen solch heirat nit geschehen;
»Denn wo die sonne nimt ein weib
Und kinder zeugt, von irem leib
Geboren werden noch mer sonnen,
Fürwar, so geb ich gar gewonnen
Und würd so dürr, daß ich fürbaß
Kein korn könt geben, kraut noch gras.
Denn sie fürhin so scharpf und spitz
Sticht, daß ich oft vor großer hitz
Zerreißen muß und gar vertrucken:
So hart tuts mich im sommer drucken;
Und wo die sonn gewint ein erben,
Bin erlegen und muß verterben
Und alle welt mit mir vergan;
Seht zu, was nutzs habt ir davon?«
So werden auch des diebes kind
Gleich werden wie der vatter gsinnt.
Wie er getan, wird sie auch lern,
Denn katzenkinder mausen gern.
Drumb komts den leuten nicht zu frommen,
Die auf ein solche hochzeit kommen.
Beßer, am galgen zu vertreugen,
Denn daß er solt mer kinder zeugen.
Vergebens ists, daß man holz spalt
Und tregts zum überfluß in walt.
Wo man mit öl wil leschen feur,
Da ist fürwar das waßer teur.
Den wolf darf man an dschaf nit hetzen,
Auch in den belz die leus nit setzen.