[7] Die neunte Fabel.
Vom Schaf und seinem Hirten.

Ein schaf begunt den hirten schelten
Und sprach: »Deins gleichen findt man selten:
Von mir nimst so vil milch all tag,
Als du und dein gsind eßen mag;
Noch tustu mer von mir begern,
Im jar mich zweimal lest beschern.«
Der hirt erzürnt und ward im gram
Und würgt von stund dasselbig lam.
Es sprach: »Da solchs must selb ansehen,
Wie möcht mir größer leid geschehen?«
Der hirt sprach: »Wenn ich dich jetzund
Würf für die wolf und für die hund.«
Da es solchs hört, erschrack das schaf,
Schweig still, besorgt sich größer straf.
Wenn eim ein unfall widerfür,
Und engstet in on all gebür,
So denk er nur, es muß so sein,
Und trucks in die gedult hinein,
Daß nicht, wo er wil widerstreben,
Eins größern unfalls muß geleben.
Denn gegen Gott und das unglück
Hilft kein panzer, krebs noch rückstück.
Doch findt der auch, so bös hat tan,
Zu seiner zeit verdienten lon.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das dritte Buch. 9. Vom Schaf und seinem Hirten. 9. Vom Schaf und seinem Hirten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9162-F