Die sechsunddreißigste Fabel.
Von einem Bauren.

Es wolt ein baur über einen bach
Wandern, daselb sich weit umbsach,
Ob er nicht finden möcht ein steg;
Den het das waßer gfürt hinweg.
Eilend tet er sein schuh auflosen,
Und tet abziehen seine hosen,
Wolt waten durch denselben fluß
Und sprach: »Fürwar ich nüber muß!
An disem end einsetzen wil,
Da ist das waßer frum und still.«
Er setzt ein, da es nicht fast lief,
Befand, daß es war sere tief.
Da versucht ers am andern end,
Da rauscht das waßer schnell behend
Und war nit tiefer denn zum knie.
Da sprach der baur: »Nun merk ich je,
Sicherer ists, sich zu begeben
In rauschend waßer, die feindlich leben,
Denn in den stillen tiefen pfülen,
Da man nit bald den grund kan fülen.«
Die feindlich toben, trotzen, wüten,
Für den hat man sich wol zu hüten;
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Die schmeichler, so sich freundlich stellen,
(Hüt dich) das sein die rechten gsellen;
Die kü, die so gar feindlich bölken,
Von den tut man dest mer nit melken.
Die großen bocher schlagen nicht.
Bellende hund beißen auch nicht.
Schedlicher sind stillbeißig hunde,
Still waßer haben tiefe grunde.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Erster Theil. Das ander Buch. 36. Von einem Bauren. 36. Von einem Bauren. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9172-9