[38] Die siebzehnte Fabel.
Von Fröschen und irem König.

Vor zeiten alle frösche waren
Ein freies volk, in alten jaren,
Hüpfeten und sungen in den lachen,
Teten sich teglich frölich machen;
Auf den wiesen und in den gärten
Mit freud und lust ir zeit verzerten.
Einsmals kamen sie überein,
Zu halten eintrechtig gemein.
Da hupft ein alter frosch herfür,
Sprach: »Lieben herren, gebt gehör!
Ir seht, wie in der ganzen welt
Eim jedern volk ist vorgestellt
Ein oberkeit, von Gott gegeben,
Darunder es muß züchtig leben
Bei ordenlichem regiment,
Das nicht gebrochen noch getrennt,
Mit rechten gefaßte polizei:
Stet einr treulich dem andern bei.
Nun ist unser ein große schar
In allen pfülen hin und her,
In allen pfützen, löchern, ritzen,
Daß oft zwen auf einander sitzen.
Da muß der kleinst den grösten tragen:
Solch ordnung tut mir nicht behagen.
Ists euch alln lieb, so treten her:
Wir wölln anfallen den Jupiter,
Denn er ist unser rechter Gott,
Der alle frösch in achtung hot,
Und bitten, daß er uns wöll geben
Ein könig, daß wir mögen leben
Samtlich under einer oberkeit,
Der uns regiert mit grechtigkeit.«
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Den fröschen gfiel gar wol der rat:
»Ist gut, daß man ein herren hat.«
Sie trugen ire werbe für:
Der Jupiter gab in gehör.
Als er vernommen ir antragen,
Zu lachen ward gar ser bewagen;
Die frösch kerten sich nicht daran,
Sprachen: »Wir wölln ein könig han!«
Er sprach: »Daß ir eurs willen gleben,
Get hin, ich wil euch einen geben.«
Ein block ließ er bald tragen her,
Gar unbehauen, groß und schwer,
Warf er mit großem ungefug
Ins waßer, das oben zuschlug.
Den tet das waßer lang bedecken:
Kam in die frösch ein großer schrecken.
Der block ward oben wider bloß,
Wie ein block auf dem waßer floß.
Die räte hießen in wilkommen.
Der könig lag, schweig wie ein stumme,
Daß sie in bsungen und bekräten;
Ließ sich von in mit füßen treten,
Und lag ganz still derselbig block
Gleich wie ein abgehauner stock.
Dasselb die frösch gar ser verdroß,
Liefen zum Jupiter so groß,
Baten, wolt in ein könig geben,
Der vernunft het, verstand und leben,
Und der auch etwas strenger wer,
Wist sich zu halten wie ein herr.
Jupiter tet den fröschen ghorchen,
Zum könig gab er in den storchen.
Der trat her wie ein edelman
Und het zwo rote hosen an;
Tut teglich durch die wiesen schleichen.
All die frösch, die er kan erreichen,
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Mit seinem schnabel kan erdappen,
Eim jeden kauft er bald ein kappen,
Und frißt sie auf, wie er sie findt:
Des sie nicht wol zu frieden sind.
Des sich noch von denselben tagen
Biß heutigs tags all frösch beklagen.
Des nachtes, wenn der könig ist schlafen,
Alle frösch schreien: waffen, waffen!
Beschreien all mit heiser stimm
Irs königs tyrannei und grimm
In allen löchern und steinritzen
Und in den pfülen, wo sie sitzen.
Irs königs sie gar gern los wern,
Den alten könig wider begern.
Beim Jupiter findens kein gnad:
Ein jedr muß bhalten, was er hat.
Den frommen wolten sie nicht han,
Drumb leidens billich den tyran.
Wie disen fröschen ist geschehn,
Tut man oft bei den menschen sehn:
Wenn sie haben ein oberkeit,
Die sie schützet vor allem leid,
Derselben joch kan niemand tragen,
Man tut stets über dieselbig klagen
Und spricht: wir wölln ein andern han,
Das kriegen stet im übel an.
Denn tut Gott an des statt verschaffen
Einen, der sie tut weidlich strafen,
Auch zu zeiten schleht gar darnider;
Denn wünschen sie den ersten wider.
Das gegenwertig tut uns stets reuen,
Und gaffen immer nach eim neuen.
Frum oberkeit wird stets veracht:
Wenn sie gleich als zum besten macht,
Tut man ir frömkeit nimmer loben.
Rechts ists, daß frösch auch störche haben.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 17. Von Fröschen und irem König. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-91CF-C