An Heinrich Bilderbecken

Ich halt mit dir, mein werter freind,

daß all der tugend stolze feind

nicht edel, noch lobwürdig seind.


Die erste strophe.

Wiewol schon schier fünf dutzet jahr
mein haar mit silberfarb bestrichen,
[200]
darunder manche todsgefahr
ich, in des höchsten gleit, entwichen;
Daß also ich der alten sag,
die, lobend was sie jung gesehen,
die jugend diser zeit stets schmähen,
beifallen möcht mit gleicher klag:
Bin ich doch weder so verdrüßlich,
noch so verdrossen und unhold,
daß, wan die jugend nicht stets gold
kan spinnen, ich sie schelt ganz mislich.
Die erste antistrophe.

Wiewol der welt das strack was schlim,
dieweil die laster sie verblinden,
wiewol die tugend auch so klim,
daß man kaum weiß, wa sie zu finden;
So find ich tröstlich hin und her
(wa nicht vil grosse, doch) noch einen,
von welchem man nicht kan verneinen,
dan daß sein herz voll recht und ehr;
Ja sehen wir schon nichts dan rauben,
schand, brennen, mord und wüterei,
kan ich doch nicht die lieb und treu
ganz aus der welt vertriben glauben.
Der erst epod.

Dises kan ich, Bilderbeck,
leichtlich durch dein wort bezeugen,
darum diser welt vier eck
sollen dein lob nicht verschweigen.
Lobet schon der schmeichler kunst
manchen kaisern oder könig,
wehret doch ihr lob so wenig
als vermeinter götter gunst.
Dan ein lob auf geld gegründet
plötzlich als des pfennigs klang,
da der tugend lobgesang
klingend stets, niemals verschwindet.
[201] Die ander strophe.

Solt sich ein herr aus höchstem stolz,
als welcher dem betrug gern trauet,
in einem schif von cederholz
und helfenbein reich ausgebauet,
Da voll schnitzkunst ein jedes theil
von reichem atleß jeder segel,
von purem demant alle nägel,
von gold und seiden jedes seil,
Mit perlein die banier verweben,
von gold die anker stark und dick,
von bestem metall alle stück,
auf das weltweite meer begeben?
Die ander antistrophe.

Würd sich das nasse reich doch nicht
ab solcher schif hochfart entsetzen,
noch die meerwunder ihr gesicht
ab solcher eitelkeit ergetzen:
Ja weder das meer, noch der wind
würd, solchen reichtum zu entfahren,
die wellen noch das wehen sparen,
noch sich erzeigen sanft und lind:
Sondern das silber, gold und seiden,
wie immer prächtig, würd kaum mehr,
dan so es eisen, zwilch, hanf wär,
den sturm und untergang vermeiden.
Der ander epod.

Also mag ein doller fratz
seinen stambaum herausstreichen
und mit seiner eltern schatz
seinen armen mut bereichen;
Er mag sein geschlecht uralt,
billich oder fälschlich, rühmen
und mit fremdem schmuck verblümen
seiner natur misgestalt:
[202]
Muß doch kürzlich in der erden
mit gedächtnusloser nacht
sein geborgter nam und pracht
ein gestank und zu nichts werden.
Die dritte strophe.

Der tod, der weder aug noch ohr,
kan nichts von reichtum, pomp und ehren,
wie hoch sie einen auch entpor
erheben, sehen oder hören:
Doch ist er so genau und rahn,
daß ihn kein danzen, singen, lachen,
daß ihn kein trauren, beten, wachen,
list, kunst, noch macht verhindern kan:
Ja, er (allwürger) kan nach willen
so leichtlich mit mord, klag und graus
ein fürstliches schloß und lusthaus
als eines flickers hüttlein füllen.
Die dritte antistrophe.

Da muß sich dan der groß monarch
für disem größern fürsten biegen
und für sein reich mit einem sarch,
mit staub für seinen stab vernügen:
Da wird der stolz des übermuts,
der schlecker alles lusts und eckels,
der geizhals alles gelts und seckels
und die blutgurgel alles bluts,
Der gleißner, was er misgeglaubet,
des raubs der groß und kleine dieb,
der hurer seiner schnöden lieb
und der feind seiner rach beraubet.
Der dritte epod.

Warum dan, torechte seel,
dich ausbreitend als die pfauen,
[203]
wilt du nicht selbs deine fehl,
als sie ander leut, anschauen?
Mußt schon die vergessenheit
deiner eltern wert verschonen,
wil sie doch mit schmach belohnen
deines prachts vermessenheit:
Und die spürhund deiner sünden
könden dir mit deiner hab
mehr nicht, dan ein schweres grab
in der finsternus ausfinden.
Die vierte strophe.

Die tugend hat allein die macht
den menschen von dem tod zu freien
und ihm mit ewig klarem pracht
ein neues leben zu verleihen:
Der Herkules mit müh und fleiß
erwarb ein allgelobten namen,
nicht weil er von der götter samen,
sondern dieweil er kühn und weis.
Von gleichem eifer angetriben
hat mancher sich in manchem land
mit werhaft oder bloßer hand
in der gedächtnus buch geschriben.
Die vierte antistrophe.

Insonderheit zu unsrer zeit
hat sich Gustav der groß befunden,
der, gleichlos in dem rat und streit,
die zeit und den tod überwunden.
Die feind hat der held Bernhard auch
zugleich mit blut und scham befeuchtet,
daß sein ruhm unaufhörlich leuchtet
trutz aller finstern hässer rauch.
Noch andre, dem wolthun ergeben,
die unschuld schützend mit dem schwert,
[204]
die warheit stützend mit dem wert
der lehr und feder, sich beleben.
Der vierte epod.

Die so weder geil noch träg,
liebend ein rastloses leben,
auf des wollusts breiten weg
sich verlierend nicht begeben.
Sondern die von kindheit an
übend wacker ihre jugend,
reisen hurtig auf der tugend
gäh und ungebahnten bahn,
Die gelangen nach verlangen
endlich zu der ehren thron,
da sie, selig, dan die kron
der unsterblichkeit empfangen.
Die fünfte strophe.

Hat schon des aberglaubens wut
des Teutschlands haupt und herz getroffen,
daß es von seinem eignen blut,
mehr, dan zuvor mit wein, besoffen:
Und hat es schon die greulichkeit
mit thränen, blut und feur gewaschen,
so sih ich doch noch in der aschen
vil funken teutscher redlichkeit;
Und solche (für und für zu glänzen)
verzehrend das bedräuend joch,
verhof ich sollen, dapfer, noch
widrum des reichs grundbruch ergänzen.
Die fünfte antistrophe.

Nun unter denen, welche sich
recht edel auf altteutsch erweisen,
muß und kan ich mit warheit dich,
mein Bilderbeck, für einen preisen.
[205]
Dan du, der heuchlerei zu trutz,
bist aller eitelkeit verächter,
der warheit und freiheit verfechter,
der redlichkeit herberg und schutz:
Du pflegest schwarz was schwarz zu nennen
und, als der tugend herr und knecht,
das weiß weiß und auch das recht recht
und das falsch falsch rund zu bekennen.
Der fünfte epod.

Aller sprachen wissenschaft,
die man in Europa höret,
aller künsten eigenschaft
hat der himmel dir bescheret.
Kürzlich wie du selbs die kunst
die vergessung zu vertreiben;
also wird dein nam auch bleiben
lobreich durch der Musen gunst:
Ja, daß dein lob ewigwirig
ist unfehlbarlich die prob,
daß du alles lobs, o lob!
würdig und doch nicht begirig.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. Gedichte. Gedichte. An Heinrich Bilderbecken. An Heinrich Bilderbecken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-921F-1