Die Ros

Philodor.

Kom, Myrta, der lieb wohn und wohnung,
der schönheit pracht, der tugend kron,
unlangst meiner treu werter wohn,
jetz meiner werten treu belohnung;
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Kom, Myrta, dieses frülings ruhm
und aller blumen schönste blum,
dich zu mir auf das grün zu setzen,
daß du dich in der blumen zier,
daß ich der blumen zier in dir
besehend, wir uns beed ergetzen.
Myrta.

Weil Amor nun allein zugegen,
der stets durch deine augen mich,
der stets durch meine augen dich
kan allein halten und bewegen,
So will ich, ja so kan ich nicht,
wendend mein, fliehen dein gesicht,
sondern den blümelein zu ehren,
die als stern dieses element
machen ein blumenfirmament,
begehr ich dein gesang zu hören.
Philodor.

Solt ich zu singen mich bemühen
von andern, dan den blümelein,
die under deiner augen schein
in dir frisch unverwelklich blühen?
Die gilg und rosen, die gewiß
ein wahres blumenparadis
auf deinem leib uns malen, zwingen
mich auch, der natur gunst und kunst
in dir betrachtend, nichts mehr sunst
dan dich, der blumen ruhm, zu singen.
Myrta.

Unnötig, lieb, ist dein liebkosen
weil wir nun under einem joch;
wan ich dir dan lieb, so sing doch
jetzund von diesen süßen rosen:
Sing von den rosen, edler schatz,
und ich will dich mit einem schmatz,
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und nicht zuvor, reichlich belohnen:
und wie lieb du mir auch, solt du,
enthaltend deine hand in ruh,
ihn vor zu haben, mir verschonen.
Philodor.

O rosen, die kein frost kan töten,
durch welche ich widrum gesund;
o rosen, die den schönsten mund
und wangen, liebfärblich, beröten!
Euch rosenmund und allein euch
gebühret in der schönheit reich
auf der lieb thron befelch zu geben;
mir aber euch, die ihr gleichlos
und aller rosen schönste ros,
dienstlich gehorsamend zu leben.
Wie in dem himmel, so auf erden
kan nichts, dan deine herrlichkeit,
an schönheit und an süßigkeit
der rosen gleich gefunden werden:
Daher dan, wan die frülingszeit
die welt zu der lieb streit und beut
beherzet und das erdreich zieret,
erhebet sich die ros mit wohn,
alda, weil sie der blumen kron,
sie unter allen triumfieret.
Die morgenrötin, neu geboren,
der sonnen kind, von thränen naß,
doch schmollend, bald durch lieb und haß
von ihr verfolget und verloren,
Wan sie sich will mit höchster pracht
und in der neuest schönsten tracht
bekleiden, muß sie alle morgen
sich zu beschönen, zwar ohn scham,
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aus dem lieblichen rosenkram
all ihre anstreichfärblein borgen.
Dan früh, alsbald wir nur erwachen,
und für dem jungen sonnenglanz
die stern uns ihren schein und danz
verbergen und unsichtbar machen:
Mit lieblichem pomp und geruch,
gleichsam des blumentags anbruch,
die ros den luft und uns ergetzet,
und uns des himmels frische ehr,
als ob sie himmelisch selbs wär,
mit wunder für die augen setzet.
Der rote morgen muß verbleichen,
verliebet, ab der rosen zier
und küssend lasset er auf ihr
der süßen küssen feuchte zeichen:
Verbuhlet auch der luft und wind,
von lieb und eifer taub und blind,
mit ihr oft ihre küß vermischen
und frech sich selbs und andre auch
mit ihrem gleichsam süßen rauch
zumal erfreuen und erfrischen.
Alsbald entknöpfend sie aufstehet
aus ihrem läger grün und neu,
alsbald sie immer frisch und frei
als eine kleine sonn aufgehet:
Da sihet man sie bald von zorn
(beschützet zwar von manchem dorn,
so ihre guardi wol zu nennen)
warnemend, daß ihr, wie dem gold,
schier jederman gefährlich hold,
schamrot und züchtig gleichsam brennen.
In ihrem ursprung war vor zeiten
die ros so weiß, daß mit ihr kaum
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des schnellen wassers frischer schaum,
noch auch des morgens frost könt streiten;
Noch könt des silbers purer schein
der milchrohn, noch das helfenbein
bei ihrer weißin wol bestehen:
ja weißer war die süße ros
dan auf der kalten erden schoß
der neu gefallne schnee zu sehen.
Als aber Venus hie auf erden
durch ihrer schönheit gegenwart
mit ihren brüstlein zart und hart
mit herzentzündeten geberden,
Mit seelergründend süßer gunst,
mit geistverblindend geiler kunst
mit küssen nektargleich befeuchtet,
mit ihrer augen liebem glanz
mit frölich-müdend jungem danz
das volk bereichet und erleuchtet:
Da sah man sich die menschen neigen
und lieb zu sein auf alle weis,
sich freindlich, höflich, sitsam, weis,
auch wacker, statlich, kühn erzeigen:
Bald sah man dise froh aus lieb
und durch lieb jene krank und trüb;
die eine sah man ihre schmerzen
beklagen ohn trost, hofnung, heil
und andre frisch, kurzweilig, geil
sich herzend mit einander scherzen.
Die göttin selbs sich zu ergetzen
zog mit Adonis, der ihr herz,
ihr kurzweil, wollust, schimpf und scherz,
hinaus, zu jagen und zu hetzen
Ohn scheu, damit sie ihre brunst
möcht dämpfen durch des jägers gunst,
sah man sie netz und garn aufstellen,
nicht wegen eines thiers gewin,
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sondern vil mehr begirig, ihn
darnach in ihre arm zu fällen.
Einmal, als sie ihm nachzulaufen
zu hitzig und unachtsam war,
und ließ die hecken ihre haar,
die stauden das gewand hinraufen;
Daher ein jedes laub, gras, kraut,
ast und gewächs ihr schöne haut
zu küssen, gleichsam ein verlangen:
da dörft sich auch ein rosenstock
sich wagen under ihren rock
und sie zu fangen unterfangen.
Alsbald sich da die ros ergetzet
berührend ihren weißern fuß,
sobald mit beederseits verdruß
ein dorn ihr zartes fleisch verletzet:
Die göttin zugleich bleich und wund
und rot die ros wurd zu der stund:
die rosen und der göttin wangen
schamrot ab ihrem rosenblut,
zumal mit neuem pracht und gut
bald wider mit einander prangen:
Dan Venus war bald wol vernüget
und achtet wenig ihrer pein,
als ihres bluts schamroter schein
sich lieblich auf die ros verfüget:
Und daß man der ros süßigkeit,
durch ihr götliche lieblichkeit
vermehret, möcht noch höher schätzen,
verlieh sie ihr der schönheit kraft,
des edlen geruchs eigenschaft
mit hunderttausend süßen schmätzen.
»Dich (sprechend) will ich nu bestellen
als meine blum, der erden ehr,
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mit dir soll sich die schönheit mehr
dan sunst mit keiner blum gesellen:
Du bist fürhin der blumen kron
und der liebhaber erster lohn,
die gröste zierd in einem garten;
mit dir die schönheit zieret sich,
und du, wie die schönheit auf dich,
solt auf die schönheit allzeit warten.
Der Nymfen süße mund und wangen
und ihre glaich, an schönheit reich,
die sollen sein den rosen gleich,
ja sollen mit den rosen prangen;
Losieren sie dan auf die brust
dich, süße ros, solt du den lust
durch eines buhlers augen beizen,
und bald mit deinem falschen brand
sein schnöd gekitzelt geile hand
zu einem falschen griff anreizen.
Dergleichen wirkung solt du haben,
wan eine Nymf dich auf ihr haar
solt stecken: dan du solt, wie klar
auch solches gold, das aug erlaben:
Ein zarte hand, ein grüner kranz
soll deine süßigkeit und glanz,
wie du die ihrige, vermehren:
ja, mäniglich, alt, jung, klein, groß,
gesund und krank soll dich, o ros,
stets lieben, loben und begehren.«
Myrta.

Mein schatz, der mich, den ich erkoren,
wie schnell doch hat sich dein gesang,
der rosen frischheit und der gang
dises so schönen tags verloren!
Ein end hat dein lied und der tag,
die ros ist welk. wie kan, wie mag
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sich rühmen doch der mensch bedenklich!
wan seine kunst, wollust, lob, ruhm
und schönheit, wie ein zarte blum,
nicht wehrhaft, sondern schnell zergänglich.
Filodor.

Wan dan die jahr, die tag, die stunden,
wan alle menschen, alle ding
wie immer köstlich und gering
von der zeit werden überwunden:
Wan unser leben, freud und glück
so leicht in einem augenblick
kan ändern oder muß verfließen:
warum mein edles herz und seel
solt ich ohn allen weitern fehl
nicht deiner rosen bald genießen?

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TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. Die Ros. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-924F-6