Brautlied zu ehren der hochzeit Filanders und seiner Cloris

Als mein Filander nu mit lust
die lang begehrte edle blust
und seiner buhlschaft frucht errungen,
hat ein hauf Liebelein gar laut
dem bräutigam und seiner braut
zu ehren dises lied gesungen.
O daß ihr möget, allezeit
einmütig, in sunst keinem streit,
dan in dem liebesstreit nur leben!
darinnen eines jeden herz
dem andern mög wollust und scherz
für scherz und wollust widergeben.
Durch küß, von süßem nectar feucht,
das herz und seel von freuden leicht,
solt ihr euch nemen und mittheilen
tiefwundend sollen eure küß,
süßheilend sollen eure büß,
verwundend euch, euch wider heilen.
[112]
Des einen mund soll mit wollust,
des andern herz aus seiner brust
zu nemen, ihm die brust aufspalten:
des andern herz soll mit dem mund,
durch süße küß verwundend, wund
der andern brust sich nicht enthalten.
Mit euern armen stark und zart,
mit euern glidern sanft und hart
solt ihr einander froh umfassen:
ihr solt einander auch fürhin
nicht, dan mit süßerem gewin
euch wider umzufassen, lassen.
Zwar jetzund deinen heldenmut,
nicht dein ererbtes heldenblut
solt du glückseliger held sparen:
lieb, lieber scherz und süßer glimpf,
liebkosen, küß und kützlens schimpf
wird sie dir machen bald willfahren.
Wan aber dises ja nicht gnug,
solt kühner du mit gutem fug
an deine feindin freindlich fallen,
und laß dir ihre scham und zucht,
ihr klagen, flehen und ausflucht
gefallen wol und doch misfallen.
Durch den schweiß nimmet die freud zu,
die ruh ist süßer nach unruh,
und süßer die küß so genetzet;
also wan leidig deine freid,
also wan freidig auch ihr leid,
wird beeder leid und freid ergetzet.
Ach weh, wie forchtsam scheint sie doch!
wie zittert sie doch ab dem joch,
darunder deine arm sie binden!
dein mund kan, durstig, nu zumal
ein süßes seufz- und zähernmahl
auf ihrem mund und augen finden.
[113]
O himmelisches mahl! o speis!
o göttliches gedrank! mit fleiß
in köstliche gefäß gegossen!
gefäß, so schön, daß auch kein got
aus schönern in der höchsten not
der nahrung noch arznei genossen.
Damit nu ihrer süßigkeit
und beizenden holdseligkeit
du und sie möget gar genießen,
so laß dich kein bit um anstand,
kein widerstehen ihrer hand
verhindern, fangen, noch verdrießen.
Geh, fang nu mutig an die schlacht,
gebrauch doch nicht zu große macht,
sie nicht zu sehr gleich zu erschrecken;
sondern gebrauch weil, list, betrug
und falsche flucht, angrif, aufzug,
damit die vestung zu entdecken.
Und dan mit zitterender stim,
wan dan mit gleißnerischem grim
sie dich wird arg, frech und bös nennen,
hör doch nicht auf, mit vollem lust
ihr aug, stirn, mund, hals, wangen, brust
mit tausend küssen anzurennen.
Sie mag lang sagen: »es ist gnug!
es ist gnug! seid ein wenig klug!«
und dir mit beeden händen wehren,
damit sie doch nicht unden lig;
heng du gleichwol stets nach dem sig
durch welchen sich die lieb muß nehren.
Also in disem heißen streit,
begirig nach der süßen beut,
kanst du den sturm widrum erneuen,
und laß von ihrer brust und schoß,
weiß, rund, steif, glat und mangellos
nichts deine geile hand abscheuen.
[114]
Wan du nu so nah bei dem platz
solt du küß auf küß, schmatz auf schmatz,
schmuck auf schmuck, lieb auf lieb losschießen;
alsdan solt du dein blut, den lohn
der lieb und der lieb myrtenkron
zu überkommen, steif vergießen.
Mehr dan stern in der klaren nacht,
mehr dan blümlein des frühlings pracht,
mehr dan auf Hybla binen fliegen,
tiefgründend, herzkützlende küß,
und tiefempfindend süße büß,
die müssen ihre forcht betriegen.
Auch ächzen mit geilhafter schmach
und lächlen mit scherzreicher sprach
und bossen sollen da nicht fehlen:
schmätz, seufzen, bitten, klag und lob,
schimpf, ernst, scherz, züchtig, fein und grob
solt mit einander du vermählen.
Also durch der lieb rechte kunst
wird sie ihr artliche ungunst
nach und nach artlicher verkehren
und endlich, frei von forcht und zorn,
mit gilg und rosen ganz ohn dorn,
mit ihrem deinen leib gern ehren.
Alsdan auf eine neue art
muß bald mit küssen, lang und hart,
die seel aus ihr in dich selbs ziehen,
und sie wird auch auf gleiche weis,
sich und dich mit liebreichem fleiß
zu sättigen, sich selbs bemühen.
Und alsdan, frecher als zuvor,
erheb du das banier entbor
[115]
und fang von neuem an zu streiten,
üb aller süßen schalkheit stück,
und aller süßen bosheit dück,
und greif sie an auf allen seiten.
Gebrauch list auf list, schmach auf schmach,
bis sie froh ist, daß sie zu schwach
und zu verlieren, scharmützieret;
gebrauch kunst, stärk, betrug und macht,
zwing sie zu einer freien schlacht,
da ihr beed siget und verlieret.
Und also euer frischer mut
soll dieses süßen kampfs ohn blut
von neuem widrum euch gewehren,
und, als oft Phöbe ihren glanz
macht zwölfmal halb und zwölfmal ganz,
die welt durch eure frucht vermehren.

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TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. Gedichte. Gedichte. Brautlied. Brautlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-927A-2