7.

Gendarmen hasse ich wie die Pest;
Ich hasse sie mehr als Spinnen,
Als grüne Seife – Du lieber Gott,
Was soll ich nun beginnen!
Der eine zog ein Signalement
Aus seiner schäbigen Tasche.
Und mich betrachtend mit stierem Blick,
Begann er zu murmeln rasche:
»Fünf Fuß, zehn Zoll – die Haare blond –
Olympisch gewölbt die Stirne –
Ein roter Bart – Statur ist schlank –
Kennzeichen: Viel Gehirne. –
Auch macht er Verse – spricht kein Latein
Blaß ist er wie große Geister –
Die Zähne sind gut – – Verehrter Herr,
Ohne Umschweife viel: wie heißt er?«
[280]
Da hob ich mich würdig empor und sprach:
»Ich heiße Charlemagne!
Wollhändler bin ich in Aachen und trink
Recht gerne den Wein der Champagne.
Ich spekuliere in Trüffeln und Öl,
Mein Bankier empfängt mich prächtig.«
Da sprach der erste Gendarme: »Mein Herr,
Dies ist ausnehmend verdächtig!«
Ich aber fuhr fort: »Auch Spiritus
Verkauf ich von hoher Reinheit,
Nahm Aktien auf jede Luftschiffahrt
Sowie auf die deutsche Einheit.
Bei Tage besorge ich mein Geschäft,
Doch nachts, da treibe ich Späße.« –
Da sprach der zweite Gendarme: »Mein Herr,
Wo haben Sie Ihre Pässe?«
»Meinen Paß! Meinen Paß! – Oh, wollen Sie nicht
Sich gütigst ein wenig setzen?
Oh, trinken Sie doch einen Becher Wein,
Das würde mich sehr ergetzen!
Mein Paß! Mein Paß! – Ach leider ist
Er gescheitert am Lurlei neulich.
Oh, trinken Sie doch einen Becher Wein,
Das wäre mir sehr erfreulich!«
[281]
Und dein gedacht ich und deiner Tat,
Odysseus, du ränkevoller!
Und meine beiden Zyklopen ließ
Ich saufen toller und toller.
Und lobte die deutsche Zentralgewalt
Und Herrn Engels, den Stadtkommandanten,
Und sagte, Herr DuMont gehöre zu
Meinen allerbesten Bekannten.
Und pries Herrn Levy und Brüggemann
Und Herrn Wolffers und all die andern
Und schimpfte wie ein Rohrsperling
Auf die Republikaner von Kandern.
Und sagte: es freue mich ungemein,
Daß die Rheinische Zeitung erdrückt sei
Und daß der Putsch von Frankfurt und Köln
So wunderherrlich mißglückt sei.
Und sagte: mein lieber Herr Vetter sitz
Im Parlament auf der Rechten
Und stimme mit Jahn und mit Radowitz,
Des Volkes Heil zu erfechten.
Und meinte: die Linke in Berlin
Und in Frankfurt sei wert, daß sie hänge,
Und nahm das Glas und sang, daß es klang,
Ein Dutz' patriot'scher Gesänge.
[282]
Und versicherte: Köln befinde sich wohl
Bei seinem Belagerungszustand. –
Da schwieg ich – – die beiden Zyklopen war'n
In dem komfortabelsten Zustand.
Sie schnarchten, wie einst das Volk geschnarcht,
Das deutsche, und ihre Beine
Und Arme, die starrten regungslos
Von Schlaf und süßem Weine.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weerth, Georg. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Kein schöner Ding ist auf der Welt, als seine Feinde zu beißen. 7. [Gendarmen hasse ich wie die Pest]. 7. [Gendarmen hasse ich wie die Pest]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9722-2