9. Pindarische Traur-Ode eines verzweiffelten; aber beständigen Verliebten

1. Satz.

Die Kuh wird auff dem Seile tantzen,
Der Ochse wird Latein verstehn,
Der Bock wird junge Bäumgen pflantzen,
Die Sau zur Juden-Hochzeit gehn,
Der Kater wird die Messe singen,
Die Henne wird den Fuchs verschlingen.
Der Esel wird die Laute schlagen,
Die Schafe werden Feuer sprühn,
Der Beer wird Sammt und Seide tragen,
Der Wolff wird an dem Karne ziehn,
Das Pferd wird Muß und Suppe lecken,
Dem Hunde wird der Haber schmecken.
Der Hase wird Calender machen,
Der Wiedehopff wird Geld verstreun,
Die Ratze wird am Thore wachen,
Der Affe wird ein Doctor seyn,
Das Eichhorn wird die Frösche fangen,
Der Storch wird Haselnüsse langen.
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Der Guggug wird Sonaten spielen,
Das Murmelthier wird freundlich thun,
Die Taube wird im Miste wühlen,
Die Wachtel wird im Wasser ruhn,
So fern ich mich so hoch vermesse,
Daß ich der Rosilis vergesse.
2. Gegensatz.

Das Wasser wird Berg-anspatzieren,
Die Erde wird in Monden gehn,
Die Sonne wird am Himmel frieren,
Die Berge werde niedrig stehn,
Die Tische werden untern Bäncken,
Die Pfützen übern Weiden hencken.
Man wird daß Weinfaß auff dem Dache,
Das Storchs-Nest in dem Keller baun,
Man wird Rosacer in der Lache,
Citrone auff der Fichte schaun,
Man wird mit alten Scheiden handeln,
Und sie vor in Kameel verwandeln.
Man wird das Maul mit Peche schmincken,
Man wird Speck auff die Merthe streün,
Man wird auß leeren Kannen trincken,
Bey faulen Eyern lustig seyn,
Man wird das Bier mit Ellen messen,
Und Heckerling vor Spargen fressen.
Der wird sich auff ein Pflugrad sehnen
Der gerne weiche Pretzeln frist,
Ein ander gar nach Hobelspänen
Der dem Salate günstig ist,
Wann ich mein Liebgen werde kennen,
Daß sie mich wird ihr Liebgen nennen.
3. Nachsatz.

Die Achscher-Mittwoch sol auff einen Freytag fallen,
Man sol die Martins-Gans zum Oster-Häßgen stallen,
Die Mädgen sollen Lux, die Büfgen Lutze heissen,
Der Besen-Binder sol die Kupfferstücke reissen,
Der Stunden-Ruffer sol Concerten musiciren,
Und der gemeine Lauff sol sich durchauß verlieren,
Wo ich der stoltzen Seel in dem beliebten Leibe
Nicht auch biß an den Todt getreu und günstig bleibe.

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken siebendes Dutzent. 9. Pindarische Traur-Ode. 9. Pindarische Traur-Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-97C2-9