9. Dorindgen muß sich einer Zauberey beschuldigen lassen

1.
Dorindgen darff ichs sagen,
Und darff ich ohne Scheu
Dich offentlich verklagen,
Mit deiner Zauberey?
Ach du verwandelst meinen Sinn,
Daß ich mir selbst nicht ähnlich bin.
2.
Sonst ist mein junges Hertze
Bey allen Mädgen kalt,
Und giebt der Liebes-Kertze
Gar schlechten Auffenthalt:
Doch du verwandelst meinen Sinn,
Daß ich bey dir verliebet bin.
3.
Verlier ich ja bey andern
Manchmahl ein gutes Wort,
So bin ich nun von Flandern,
Und geh bey zeiten fort:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich bey dir beständig bin.
4.
Ich habe meine Brüder
Ohn allen Schein geliebt,
Sie haben mich auch wieder
[35]
Mit Willen nicht betrübt:
Doch du verwandelst meinen Sinn,
Daß ich den Freunden untreu bin.
5.
Ich bin zur Lust gebohren
Die hängt mir allzeit an,
Und gibt mir nicht verlohren
So lang ich lispeln kan:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich bißweilen traurig bin.
6.
Ich kan an andern Orten
Vortreflich lose seyn,
Vnd lasse mich mit Worten
In manche Kurtzweil ein:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich gar eingezogen bin.
7.
Sonst gieng ich bald zu Bette
Wenn nun der Abend kam,
Vnd alles umb die Wette
Mit sich zur Ruhe nahm:
Doch du verwandelst meinen Sinn
Daß ich des Abends munter bin.
8.
Wie schlimm hast du gehandelt,
Ich kenne deine List,
Ich werde so verwandelt
Du bleibest wie du bist:
Ach Kind verwandle deinen Sinn,
Wie ich bey dir verwandelt bin.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken anders Dutzent. 9. Dorindgen muß sich einer Zauberey beschuldigen lassen. 9. Dorindgen muß sich einer Zauberey beschuldigen lassen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-97D6-E