Christian Weise
Der grünenden Jugend überflüssige Gedancken
Aus vielfältiger und mehrentheils frembder Erfahrung in offenhertziger Einfalt allen Jungen und Lustbegierigen Gemüthern vorgestellet, jetzo aber auffs Neue übersehen und an vielen Orten, wie auch mit einer neuen Vorrede verbessert.
[2] Sonnet
Was überflüssig ist begehr ich nicht zuschreiben,
Doch ist nicht unser Hertz ein steter Uberfluß
Da eine Fruchtbarkeit der andern folgen muß,
Und was will in der Brust vor sich gefangen bleiben?
So bald man frölich ist, da wachsen und bekleiben
Die Rosen aus der Lust; kömmt Jammer und Verdruß,
So grünt der Nessel-Strauch, der gründet seinen Fuß
Und läst den scharffen Brand durch keine Macht vertreiben.
Will uns das Glücke wol, so prangt die reiffe Frucht
Des Trostes um und um; doch geht es in die Flucht:
So muß das trockne Land auch dürre Zweige tragen.
Deswegen halt ich nit des Hertzens Wachsthum auff,
Und laß in Freud und Leid mir selbst den freyen Lauff.
Ich mag mich als ein Mensch der Menschheit nicht entschlagen.
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- TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Sonnet über das Kupferblatt. Sonnet über das Kupferblatt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-986F-1