12. Ein verliebter Abschied

1.
Meines Hertzens Königin!
Soll ich ietzo von dir scheiden,
Und die lieben Oerter meiden,
Da ich vor gewesen bin?
O, du meines Lebens Leben!
Ist denn dieß der strenge Schluß,
Daß ich gute Nacht sol geben?
Ja mein liebstes Kind! ich muß.
2.
Du wirst es schon selbst verstehn,
Hier ist doch kein ewig bleiben,
Und wir müsten uns verschreiben
Ferner in die Welt zu gehn,
Unser Leben und Studieren
Giebet uns den guten Rath,
Bester massen außzuführen,
Was man angefangen hat.
3.
Drum so nimm die treue Hand,
Gib ihr noch zum letztenmahle,
Hier bey diesem Rosenthale,
Ein gewisses Freundschaffts-Pfand,
[157]
Drucke die betrübten Glieder,
Denn es ist doch nun geschehn,
Und wer weiß, wann ich dich wieder,
Liebste Seele! werde sehn.
4.
Dencke mein geliebtes Kind!
Und erwege meine Sorgen,
Wann der Abend und der Morgen,
Meine Seufftzer, durch den Wind,
Wird zu deiner Seele führen,
So wird mein vergnügter Geist
Dein Gedächtniß nicht verliehren,
Biß der Lebens-Faden reist.
5.
Schönste! lebe dir und mir,
Ach! ich habe deinem Leben
Alles Wohlergehn ergeben,
Drum gedencke für und für,
Wilst du mir die Freude gönnen,
So erhalte deinen Schein,
Biß wir endlich wieder können
Höchst vergnügt beysammen seyn.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken neuntes Dutzent. 12. Ein verliebter Abschied. 12. Ein verliebter Abschied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-98D0-1