62. An die Lucretia

Unglücklich, aber auch zugleich berühmtes Weib,
Die Schönheit um die Ehr', und Zucht um's Leben bracht';
Doch die ihr keusches Hertz durch den befleckten Leib
Berühmt, und ihre Schmach zu ihrer Ehre macht':
Du wiesst uns deine Macht, nach dem dein Zustand war,
So Liebenswürdig erst, als nachmals wunderbar;
Im Wollsein thatst du nichts, als was sich woll geziemt,
Nichts als was ungemein, in deinem Trauerstand:
Unglücklich warest du, dieweil du warst bekant; 1
Und bist, dieweil du warst unglücklich, itzt berühmt.

Fußnoten

1 Unglücklich warest du, dieweil du warst bekant. Hätte der einfältige Collatinus in Gegenwart des Königs nicht so viel von seinem Weibe geplaudert, und dieselbe so hoch herausgestrichen, so wäre diesem vielleicht niemahls die Lust angekommen dieselbe zu kennen, viel weniger dieselbe zu entehren. Dergleichen Plauderey hat woll eh' einem König Ehre und Leben wie dem Candaules, gekost.

Sed tacitus pasci si posset corvus; haberet

Plus dapis, et rixae multo minus, invidiaeque.

Horat. Ep. 17. 1. 1.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wernicke, Christian. Gedichte. Überschrifften in zehn Büchern. Der Uberschriffte siebendes Buch. 62. An die Lucretia. 62. An die Lucretia. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9FBB-8