Juno und Ganymed

Soll Unschuld denn alles verschmerzen,

Und bin ich nicht schön, und ein Weib?

Hagedorn


Secundus, der Pythagoräer,
Sagt, und erfuhr's an seinem eignen Leib,
Es sei ein grillenhaftes Weib
Bei Tag, oft auch bei Nacht, ein schlimmer Zeitvertreib;
Ist sie noch schön, so steigt das Übel höher;
Belesen, witzig – Quellen neuer Pein
Für ihren Job! er muß zu bösem Spiel oft lachen;
Doch gibt ihr gar sein schwarzer Dämon ein,
(Fährt unser Autor fort) den Drachen
Von Ehrbarkeit und strenger Zucht zu machen,
Dann mögen ihm die Götter gnädig sein!
Der Wunsch ist gut und fromm; allein,
Glaubt man der alten Dichter Sage,
(Und Leuten die bei hellem Tage
Gespenster sehn, wird allerdings geglaubt)
So war selbst Zeus, der Götter Haupt,
Nicht immer frei von dieser Ehstands-Plage.
[118]
Homer sagt's ungescheut: Frau Juno war
Ein schönes Weib, das mußte man ihr lassen;
Hoch, wohlgewachsen, schwarz von Aug und Haar,
Im Gang und Anstand, ja sogar
In ihren sprödesten Grimassen,
Viel Majestät; im langen Rocke war
Der schönste Fuß und manches unsichtbar
Was sie den Paris einst auf Ida sehen lassen;
Allein um alles das ließ ihr Gemahl und Herr
Die schöne Nacht, in welcher er
Vom Jungfern-Gurt sie zu befreien,
So hastig war, nicht seltner sich gereuen.
Wer ihn für glücklich hielt, der sah die Dame nicht
Im Schlafgemach und hinter den Gardinen.
Dort pflegte sie beim Sternen-Licht
Des Weiber-Rechts sich ernstlich zu bedienen;
Dort wies sie ihm ein anders Angesicht,
Als das am Götter-Tisch so angenehm geschienen.
Wo Juno lag, da schlief sich's selten viel,
Da ließ die ganze Nacht als wie ein Glockenspiel
Sich ihre schöne Stimme hören;
Und konnte gleich bei ihren Sittenlehren
Ihr Mann sich oft des Schlummers nicht erwehren,
So wußte sie ihn doch bald wieder aufzustören,
Und überschrie, wenn's ihr gefiel,
Sogar die Nacht-Musik der Sphären.
Ein Scherz beim Nektar, den er liebt,
Ein Seitenblick, den er der Ceres gibt,
Wenn sich ihr Palatin verschoben;
Ein Knieband, das er jüngst der Venus aufgehoben,
Ja wenn er nur Dianens rundes Knie
Von ungefähr (mit Fleiß geschah es nie)
Beim Spiel mit seinen Knien drückt,
Und, kommt die Reih an ihn zu passen,
Der Iris, die indes im Vorsaal sitzt und stickt,
[119]
Die Backen im Vorbeigehn zwickt;
So darf er sich darauf verlassen,
Daß ihn Madam, wie sich's gebührt,
Die nächste Nacht hindurch moralisieren wird;
In diesem Stück war nicht mit ihr zu spaßen.
Wie teuer muß der gute Mann
Die Tugend seiner Frau bezahlen!
Beim kleinsten Anlaß fängt sie an
Mit ihrer keuschen Treu zu prahlen,
Wirft die gerümpfte Nas empor,
Und rückt ihm den Ixion vor,
Den einzgen Fall in ihrem Leben,
Da sich ein Buhler angegeben
Der sein Latein bei ihr verlor.
Nach Junons weisen Ehgesetzen
Soll sich ein Mann für allzuglücklich schätzen,
Wenn seine Frau aus eigner freier Wahl
Dem Recht entsagt, ihn in die edle Zahl
Der Brüder des Vulcans zu setzen.
Sie tut durch dies allein der Tugend schon genug,
Und fodert zum Ersatz mit Fug,
(Denn gratis wird sie nicht wie eine Nonne leben)
Daß ihr Gemahl so dankbar sei
Ihr alle Grillen zu vergeben;
Und sie der ganzen Litanei
Der andern Pflichten zu entheben.
Dafür erhält sie auch die Macht
Ihn als leibeigen zu behandeln,
Und richterlich in jeder Nacht
Die Fehler, die er Tags gemacht und nicht gemacht,
Durch strenge Bußen abzuwandeln.
Das Mittel selbst, das in dergleichen Spann
Ovidius den Männern sehr empfiehlet,
Das sonst den Gift der Zänkerinnen kühlet,
Und Löwinnen zu Täubchen machen kann,
[120]
Wird oft vom Zeus, doch immer ohne Frucht
Und endlich gar nicht mehr versucht.
Ob er dadurch die Sache nicht verschlimmert
Das lassen wir dahingestellt.
Es ist, wie Sancho sagt, nicht alles Gold was schimmert.
Zwar tut sie, ob ihr in der Welt
Nichts angenehmers sei als ungeküßt zu bleiben;
Sie war nie keine Gönnerin
Von solchen eiteln Zeitvertreiben;
Doch bringt der Mann die Nacht nicht desto besser hin.
Der gute Zeus, dem ihrer Zunge Lauf
Beschwerlich war, stund oft vor Unmut auf,
Und fing (was tut nicht ein geplagter Mann?)
Vor Langerweil zu Donnern an.
Die Cedern auf dem Libanon,
Der Alpen weißes Haupt, der steile Helikon
Empfanden schuldlos seine Stöße:
Es zitterten die armen Erdenklöße;
Doch schlug er nur in Felsen, Meer und Wald
Und alle Streiche waren kalt.
Einst als sie ihn in einer Sommernacht
Mehr als gewöhnlich aufgebracht,
Wird vom Getös, so dieses Eh-Paar macht,
Aus ihrem Schlummer aufgeschreckt,
Die schöne Jo von ihm entdeckt.
Sie lag vom Mondschein angestrahlt,
Nach Nymphen-Art nur leicht bedeckt,
An ihrem Wasser-Krug auf Blumen hingestreckt.
Der Reiz, den nur ein Guido fühlt und malt,
Die erste Jugend scheint auf ihren frischen Wangen
Halboffnen Rosen gleich nur eben aufgegangen,
Und ihre Brust und ihren schönen Leib
Schwellt Frühlings-Lust und ahnendes Verlangen.
[121]
Ein Sanct Hilarion, für den das schönste Weib
Memento mori war, wär euch vorbeigegangen,
Und hätte nichts gefühlt; selbst vom Xenokrates
Hätt eine Jo sich keinen Blick erworben;
Die lange Nacht bezeuget es,
Die Phryne neben ihm verdorben;
Doch solche Weisheit schenkt die sparsame Natur
Gemeiniglich dem grauen Alter nur.
Ein Ajax sucht den Feind, vor dem ein Nestor zittert,
Und, mit Ambrosia und Nektar satt gefüttert,
Wird Jupiter sobald er Nymphen wittert
Vom Wirbel bis zum Zehn erschüttert;
Die Hunger-Kur, die einen Ephraim
Zum Engel macht, macht Joven zum Satyren.
Die Nymphe sehn, begehren und entführen,
War, wie beim Cäsar, eins bei ihm.
Die Eifersucht der Juno zu betrügen
Verbirgt ein Schirm von siebenfacher Nacht
Dem schärfsten Blick sein sträfliches Vergnügen.
Von diesem Anfang kühn gemacht,
Läßt Vater Zeus es nicht dabei verbleiben;
Das Mittel scheint ihm gut und leicht,
Die Milzbeschwerung zu vertreiben,
Die oft die Götter von ihm scheucht.
Das Übel könnte um sich greifen
Und böse Folgen nach sich ziehn;
In solchen Fällen rät selbst Scheik Al-Hosain,
Des Sina Sohn, zuweilen auszuschweifen;
Doch stets mit Maß. Zeus folget gutem Rat.
Sobald der Schlaf sein Weib besänftigt hat,
(Denn immer kann sie doch nicht keifen)
So schleicht er sich, begleitet vom Mercur,
Zur Unterwelt, durch Hain und Flur
Den schönsten Nymphen nachzustreifen.
Er schämt sich nicht, zu bessrer Sicherheit
Der Götterschaft sich zu entladen.
Man hat in einen Schwan verkleidt,
[122]
Bei jungen Mädchen, die sich baden,
Sehr viel voraus; man gaffet ungescheut;
Welch ein Triumph für ihre Eitelkeit
In Tieren selbst verliebte Lüsternheit
Und kühne Sehnsucht zu erwecken?
Man darf sich nahn, sie mit dem Schnabel necken,
Man darf noch mehr, sie werden nicht erschrecken;
Es heißt ein Spiel – das arme, kleine Tier!
Wie zahm es tut! Gewiß, man dächte schier
Daß es den Wert von seinem Glücke fühlte.
Wie oft Herr Zeus als Adler oder Stier
Sein Lieblings-Spiel mit Menschen-Kindern spielte,
Erzählt Ovid, und ihm Sedletzky nach.
Allein der Krug ging, wie man pflegt zu sagen,
So lang zum Wasser bis er brach.
Ein oftgelungnes Glück reizt oft zuviel zu wagen;
Und kurz, als ihm in einer Sommer-Nacht
Latona einst die Zeit zu kurz gemacht,
Ließ er, für einen Freund vom Naschen
Sich, wie die Chronik sagt, recht schülerhaft erhaschen.
Wir geben zu, den Stand der wohl behagt
Pflegt niemand gerne zu verlassen;
Allein nicht merken wenn es tagt
Heißt vom Affekt sich übernehmen lassen.
Ein Weiser soll, wie Flaccus weislich sagt,
Die Abzugs-Stunde nie verpassen.
Was Juno ihm für ein Gesicht verlieh,
Begreift durch die Analogie,
Die Zimmermann uns preist, ein jeder ohne Müh
Der einst sich langsam finden lassen.
Kein Drohn, kein Flehn erweichet sie,
Umsonst umfaßt er ihre Knie,
Sie schwört, die Tat der Strenge nach zu rächen;
Und daß sie ja den Schluß nicht ändern kann,
Schwört sie den Schwur, den Götter niemals brechen.
Sein Leben hebt mit jedem Sonnenlicht
[123]
Sich richtig an, und endet Abends nicht
Ihm gellen Tag und Nacht die Ohren;
Sie nimmt ihn selbst bei Tisch, wo er
Sein Ansehn spielen muß, oft unbarmherzig her;
Je mehr sie Zeugen hat, je mehr wird Zeus geschoren.
Mich wundert es wahrhaftig nicht,
Daß er die Essenslust verloren.
Der Gram vergällt das niedlichste Gericht,
Und zum Verdruß sind Götter nicht geboren.
Auch ist er klug, und bleibt vom Nektarschmaus
Von Zeit zu Zeit oft ganze Wochen aus,
Schwärmt mit dem Gott, der Flügel an den Ohren
Und an den Fersen trägt, von Hütte zu Palast,
Und bittet bald bei Baucis sich zu Gast,
Bald bei den tadellosen Mohren.
Einst da er wohlbezecht (der Mohren Wein war's wert)
Von einem solchen Schmause kehrt,
Sieht er bei Schwanen-weißen Schafen
Den jungen Ganymed an einer Quelle schlafen.
Er bleibt auf einer Wolke stehn,
Und denkt, vom ersten Blick verwirrt:
Hat Amor sich auf Idas Höhn
Von seinen Grazien verirrt?
Er winkt Mercuren her, der schon vorausgeflogen,
Und zeigt ihm den entdeckten Fund.
»Wenn sieht die Liebe doch gesund?
(Ruft sein Gespan) wo sind denn Pfeil und Bogen
Wenn's Amor ist, und wo sein Flügel-Paar?«
»Gesteh«, spricht Zeus, »sein lockicht gelbes Haar,
Sein rund Gesicht und Stirn und Mund, fürwahr!
Hätt Erycinen selbst betrogen;
Sie hätt ihn wenigstens dem Jäger vorgezogen,
Von dem sie einst so stark bezaubert war.«
»Das eben nicht«, versetzt, der Maja Sohn,
»Ein kluges Weib weiß besser Haus zu halten;
Wir kennen ja die Frau Vulcanin schon;
Sie hätte den gewählt und jenen beibehalten.«
[124]
Indem er's sagt, hält Zeus noch unverwandt,
Auf Ganymed den scharfen Blick gespannt.
Allein ein Pfau an Junons Muschel-Wagen,
Die eben itzt spazieren fuhr,
Entdeckt dem lauschenden Mercur
Durch sein' Gesang, zu großem Mißbehagen
Des Donnerers, daß hier das beste sei
Sich sachte linker Hand zu schlagen.
Sie schleichen unerkannt vorbei
Und steigen zum Olymp; man läßt die Ankunft wissen;
Die Schar der Götter eilt herbei,
Dem Prinzipal die Hand zu küssen.
Man schwatzt, er fragt nach vielerlei,
Und hört mit andern neuen Sachen
Was Heben erst begegnet sei.
Silen, der Wanst, erzählt's, mit vielem Lachen,
Nach seiner Art nicht allzufein,
Und streut, den Spaß kurzweiliger zu machen,
Viel Doppelsinn und kühlen Witz hinein.
»Ja, (fangt er an, und alle Götter lachen,
Er selbst zuerst) beim Styx! es war ein Spaß!
Ein Haupt-Spaß war's; ihr hättet's sehen sollen –
Wie Hebe fiel – ha, ha! mein bestes Faß,
Bei meinem Horn! hätt ich drum geben wollen.
So saßen wir, hier Juno, hier Dian,
Hier Bacchus, hier – was weiß ich's, doch daran,
Liegt itzo nichts – wir trinken wie die Scythen
Und jauchzen laut – Nun hört einmal den Spaß!
Indem wir schon von altem Nektar glühten,
Ruft Bromius, ›das große Deckel-Glas;
He! Mädchen, flink! mit diesen Fingerhüten
Macht man ja kaum die Lippen naß;
Der Tag ist schön, wir wollen heut eins wüten.‹
›Top!‹ rufen wir, es kommt, man füllt es oben an,
Apollo singt, der ganze Chor der Musen
Sperrt auch die Mäuler auf, wie gähnende Medusen,
Wir fallen ein, und wer nicht singen kann
[125]
Der leirt: Das Glas kommt nun von Mann zu Mann
(Die Weiber mitgezählt) zu mir herum – wohlan!
Sie reicht mir's hin, ich tu als nehm ich's an,
Und lang indes nach ihrem Strauß am Busen.
Sie schreit, als hätt ich ihr wer weiß was angetan,
Dreht sich zurück, und schlüpft (das Estrich schwamm in Weine
War glatt wie Eis) kurz, eure arme Kleine
Entschlüpft im drehn, glitscht rückwärts aus und stürzt
So lang sie war, und leicht genug geschürzt,
Und streckt euch wie ein Frosch die Beine.«
Was sie die Götter sehen ließ
Läßt ohne Dreifuß sich erraten;
»Wir lachten überlaut, doch unsre Damen taten
Als sähn sie nicht was Hebe schönes wies,
(Vielleicht aus Neid, wie oft genug geschiehet)
Denn kurz, sie wurden rot und hielten euch geschwind
Die Hände vor; was half's? Wer durch ein Sieb nicht siehet,
Ist, wie man sagt unfehlbar blind.
Indem wir nun uns außer Atem lachen,
Lauft Bacchus zu und will den Stutzer machen;
Er liest sie auf; doch, wie man denken kann,
Greift er's so plump und Faunen-mäßig an –
Daß wir nur mehr zu lachen kriegen;
Bei meinem Esel!« – »Still!« fiel Vater Zeus ihm ein,
Und schüttelt seinen Kopf, daß ihm die Haare fliegen;
»Ich weiß genug! Ihr Herren insgemein,
Sagt mir einmal, sind dieses auch Vergnügen
Für Götter, wie ihr seid, Beim Styx! es tönte fein,
Wenn Menschen solche Dinge wißten!
Die Schwalben würden bald in unsern Bildern nisten,
Und unsre Tempel Bäder sein,
Vielleicht was ärgers noch. Allein
Wir wollen uns nicht ohne Not entrüsten.
Wißt, wir entlassen hier Miß Hebe ihrer Pflicht,
Das Schenken-Amt schickt sich für Mädchen nicht,
Man wird es zu bestellen wissen. «
[126]
Herr Zeus beschließt mit einem Amts-Gesicht;
Die Götter lassen sich's gefallen, weil sie müssen,
Und schleichen ab. Wie sehr ist Zeus erfreut!
Wie wohl kommt ihm der Hebe Fall zu statten!
Was Witz und Macht zu schwer gefunden hatten,
Das hebt oft eine Kleinigkeit.
Auch Juno kann itzt nichts dagegen haben;
Das Ärgernis muß ja gehoben sein.
Gedacht, getan! er raubt den Hirten-Knaben,
Und setzt ihn ungehindert ein.
Zween Tage ging's nicht schlimm; die Götter alle schienen
Mit ihm vergnügt, die Damen noch weit mehr;
Man lobte seine Art zu dienen,
Und sein bescheidnes Wesen sehr.
Selbst Amor liebt den anmutsvollen Knaben,
(Ob Venus gleich ihm fast den Vorzug gibt)
Und will ihn stets zum Spielgesellen haben.
Kurz, Ganymed wird wegen seiner Gaben
Im ganzen Himmel bald beliebt.
Nur Juno murrt. Doch Zeus läßt, ohne Schrecken,
Den Nektar sich nur desto besser schmecken,
Den ihm sein Liebling lächelnd reicht.
Die Göttin staunt, bemerkt, vergleicht,
Macht manchen Schluß und glaubt zuletzt zu sehen,
Daß Ganymed und ihr geliebter Mann
Einander mehr als nötig ist verstehen.
Daß eine Frau so was nicht leiden kann,
Ist ausgemacht; es muß in kurzem brechen.
Sie harrt nur auf Gelegenheit,
Denn Zeus ist schlau, und weicht, wer weiß wie weit
Den Anlaß aus; doch da er einst sich beut
Fängt sie im Ton der strengsten Sittlichkeit
Sehr matronalisch an mit ihm, wie folgt, zu sprechen:
»Zu lange schon hab ich mit kaltem Blut,
Mein Herr, von euch Beschimpfungen ertragen,
Wobei ein Weib nicht leicht gelassen tut.
[127]
Doch durch Geduld wird euer Übermut
Nur kühner, immer mehr zu wagen.
Ihr sündigt, wie es scheint, auf meine Tugend hin
Und trotzt, weil ich zu groß zu jener Rache bin,
Die sich die Wenigsten in meinem Fall versagen.
Ich weiß es, bloß mein keuscher Sinn
Hat diesen Überdruß geboren,
Durch den ich zwar, das glaubt mir, nichts verloren,
Als dessen ich sehr gern entübrigt bin.
Ihr suchtet eine Buhlerin
In meinem Bett und ausgelaßne Freuden;
Ich geb es zu, ihr irrtet euch darin:
Die Pflicht allein zwang mich, nicht ohne Scham zu leiden,
Was mir mein Stand verbot zu meiden.
Gesteh es, Üppiger, der Frauen schönste Zier,
Die Sittsamkeit, entwöhnte dich von mir.
Dir schmecken nur verstohlne Wasser süße,
Und deiner Dirnen geile Bisse
Und Zungen-Spiel vergällte dir
Der kalten Tugend ernste Küsse.
Dies zog dich deinen Nymphen nach
Die sich gelehriger und reger finden ließen;
Dies schmiegte dich zu deiner Lede Füßen
Und hinterließ an jedem Bach
In jedem Hain, an allen Flüssen,
Die Spuren deiner Üppigkeit.
Doch dieses konnte dir von meiner Gütigkeit
Vielleicht noch übersehen werden.
Du stahlest Ort, Gestalt und Zeit,
Ließ'st deine Dirnen auf der Erden
Und den Olymp noch unentweiht.
Dies zeigte doch noch einen Rest von Scham.
Allein seit dem auch Nymphen nichts mehr haben
Das dich versucht, und dir der Einfall kam
Mit diesem blöden Hirten-Knaben
Aus Phrygien den Himmel zu begaben,
Scheint deine Ausgelassenheit
Den höchsten Grad erreicht zu haben.
[128]
Um einer armen Kleinigkeit
Wird Hebe ungehört von ihrem Amt verdrungen,
Damit dein lüstern Aug an einem nackten Jungen
Sich täglich weiden kann.
Wie weit treibt ihr das Spiel so gar am Götter-Tische?
Wir essen nie vor euch in Ruh,
Stets währt das Tändeln und Gezische,
Man lacht, man winkt, man wirft sich Küsse zu;
Und soll dein Nektar-Punsch dir schmecken,
So muß dir Ganymed den Becher erst belecken.
Kaum setzt er an, so reißest du
Den Kelch ihm aus der Hand, die Spur hinwegzusaugen,
Wo er den Mund im Trinken hingedrückt,
Und siehst ihn schmatzend an, und rollst entzückt,
Wie ein Bacchant, die liebestrunknen Augen.
Ja heute scheutest du dich nicht,
Vor unser aller Angesicht
Ihn gar zu küssen und zu herzen.
Ihr nennt es ohne Zweifel scherzen;
Doch glaubet mir, daß eurer Majestät
Dies Kindisch-Tun nicht gar zu artig steht.
Wiewohl, was mag ich davon Sagen?
Wie lang ist's wohl, (du kannst Silenen fragen)
Daß man mit Ganymed und Amor dich
(Den Donnerer!) beim Gänsespiel erschlich?
Fi! Herr Gemahl, es ist nicht zum ertragen!
Ist das auch eine Lebensart
Für jenen Gott, durch den die Riesen fielen?
So alt, so einen großen Bart,
Und noch mit kleinen Buben spielen!«
Hier schwieg Madam, und tat sehr wohl daran.
Es floß ihr, wie man sieht, vortrefflich von der Zunge;
Unstreitig hatte sie die beste Lunge
Im ganzen Götter-Volk, und diese Probe kann
Die obbesagten Ehbett-Wachen
Des guten Zeus uns sehr begreiflich machen.
Doch diesmal hört' er sie mit großem Kaltsinn an,
[129]
Streicht lächelnd seinen Bart, betrachtet seine Waden,
Und fangt drauf an sein Herz, wie folget, zu entladen:
»Ob Eure strenge Sittsamkeit,
Zucht, Kaltsinn, Unbeweglichkeit,
Und großer Abscheu vor den Freuden
Womit sich, wie ihr sagt, nur kleine Geister weiden,
Uns, liebes Weib, bisher entzweit,
Das will ich itzo nicht entscheiden.
Genug, daß sich mein alter Sinn
Geändert hat, und über diese Freuden
Ich selbst nunmehr ganz deiner Meinung bin.
Vordem, mein Schatz, ich will dir's frei gestehen,
War ich, (der Ruhm klingt freilich nicht gar fein:)
In diesem Stück ein epikurisch Schwein.
Ich küßte, was ich sah, Prinzessinnen und Feen,
Sylphiden, Nixen, Galatheen,
Gras-Nymphen, alles insgemein,
Sie mochten schmächtig, dick, hochstämmicht oder klein,
Blond, nußbraun oder beides sein;
Ich wußte mich mit allen zu begehen.
Da sah ich ohne Regung nie
Ein schönes Kind aus einem Brunnen steigen;
Man konnte mir ein rundes Knie
So unnachteilig nicht als einem Tithon zeigen.
Ob ihre Seele reizend sei,
Das ließ mich damals unbekümmert,
Verständig oder nicht, mir galt es einerlei;
Von diesem höhern Reiz der aus dem Innern schimmert
Empfand ich nichts; mit einem Wort, ich sah
An Pallas selbst, und allen Musen,
Was an der blödsten Sylvia,
Ein lockend Aug voll jugendlicher Glut,
Ein weißes Fell und einen vollen Busen.
Allein von diesem rohen Mut,
Bin ich, versichre dich's, vollkommen,
Und nicht erst heut, zurückgekommen.
Erfahrung kühlt ein allzufeurig Blut.
Mich läßt, zur Zeit, die loseste Najade,
[130]
Die jüngste Grazie, und Venus selbst im Bade
So ruhig als ein Marmorstein.
Das schönste Weib von Fleisch und Bein
Ist wie das Sonnenbild, das sich in Wolken malet,
Für mich ein bloßer Widerschein
Der Schönheit, die, dem reinen Geist allein
Beschaulich, aus dem Innern strahlet.
Ein weiser Mann, ein Grieche lehrte mich
Das wesentliche Schöne kennen;
Selbst unser Nektar wird mir schon zu körperlich;
Und lern ich erst den Plato recht verstehen,
So nährt sich einst mein abgezogner Geist,
Der Grille gleich, die drum den Göttern ähnlich heißt,
Allein von Luft und von Ideen.
In diesem Licht müßt ihr die Liebe sehen
Die mich zu Ganymeden zieht.
Sein schöner Geist, sein tugendlich Gemüt,
Die Grazien, die seine Sitten schmücken,
Die Unschuld, die ihm aus den Augen sieht;
Dies, nicht sein blondes Haar nicht seine Rosenwangen,
Ist, glaube mir, der Reiz wodurch er mich gefangen.
Du siehst, daß hier der Leib gar keine Rolle spielt.
Zum mindsten wird bei dieser Art von Liebe
Nichts körperliches abgezielt.
Das wahre Schöne wird nur vom Verstand gefühlt,
Und zeuget nie gemeine Triebe.
Kurz, Ganymed, so sehr er Amorn gleicht,
So ungern ihm Dian ihr keusches Aug entzeucht,
So oft ich, wenn er ihr den vollen Becher reicht
Die alte Vesta selbst beim Augenspiel ertappe,
So ist er doch mit alle dem,
Nach meinem itzigen System
Ein bloßer Geist in einer Nebel-Kappe.«
»Ein bloßer Geist?« fällt Juno höhnisch ein,
»Und pflegen Geister auch zu küssen?«
»Warum«, spricht Zeus, »soll das nicht möglich sein?
Man muß hier nur zu unterscheiden wissen.
[131]
Gemeine Buhler schnäbeln sich,
Nach Spatzen-Art, bloß ihre Lust zu büßen;
Allein wie Ganymed und ich
Abstract und metaphysisch küssen,
Ist eine Lust, die uns, versichre dich,
Gemeine Buhler lassen müssen,
Die Seelen, Frau, die Seelen sind's, die sich
In einem solchen Kuß ergießen;
Und ganz dabei vom Leib entblößt,
Ganz in Entzückung aufgelöst,
Sich mischen und zusammenfließen.
Doch ich besinne mich, daß dies ins Tiefe geht.
Dein Mißverstand ist sehr verzeihlich;
Das sind Geheimnisse, die freilich
Ein Ungeweihtes nicht versteht.
Wenn übrigens mein Spiel mit jungen Knaben
Dein ekles Herz geärgert sollte haben,
So wißt, daß mir hierin kein schlechtrer Mann
Als Sokrates zum Vorstand dienen kann.
Ein Weiser ist, wie Seneca beteuret,
Ein Gott, ja noch ein wenig mehr;
Wenn Sokrates mit kleinen Knaben leiret,
So darf ich wenigstens was er.«
Hier endet Zeus, verneigt sich tief und geht;
Das weitre kann Madam nun mit sich selber sprechen.
Sie rief ihm nach, doch schon zu spät;
Er fand für gut, wie man den Dichtern rät,
Beim schönsten Einfall abzubrechen,
Und suchte seinen Ganymed.
Der Göttin schwillt der Kamm, sie weiß sich kaum zu fassen.
Zum Schaden sich noch gar verspotten lassen!
Wo ist die Tugend in der Welt
Die so gereizt die Probe hält'
Das muß gerochen sein! Doch nein, sie nennt es strafen,
Und schwört, sie will nicht eher schlafen,
Bis er gezüchtigt ist; und daß auch hier
[132]
Die Tugend nicht ihr Recht verlier,
Soll ihn für solche Ungebühr
Das Werkzeug seiner Sünde strafen.
Sie klingelt; Iris kommt und hört
Was zwischen ihnen vorgegangen,
Doch neues wird sie nichts belehrt,
Sie hatte vor der Tür schon alles aufgefangen.
Miß Iris spricht, nach Zofen-Art, sehr scharf
Von Jupitern und seinen Buhlereien:
»Mein Treu! Madam (wenn man es sagen darf)
Ist gar zu gut, ihm immer zu verzeihen;
Er wird dadurch verbuhlter als ein Spatz,
Und häuft Verbrechen auf Verbrechen;
Beim Styx, wär ich an euer Gnaden Platz,
Eh sollte mich der nächste Satyr rächen!
Doch bei Madam hat's wahrlich keine Not,
Ihr kann es nie an Rächern fehlen,
Es kostet nichts als nach Geschmack zu wählen,
Ihr stehn auf jeden Wink die Schönsten zu Gebot.«
Die Göttin wird bei diesen freien Reden
Bis an die Ohren-Läppchen rot,
Und Iris wird sehr hart bedroht
Nichts solches mehr sich zu entblöden.
Die Zofe merkt es sich, und fällt,
Sobald sie es für schicklich hält,
Mit guter Art auf Ganymeden.
Der Einfall glückt; man scheint zerstreut,
Man gibt nicht acht, von wem sie schwatze,
Und tändelt alle diese Zeit
Sehr ernsthaft mit der kleinen Katze.
Doch daß kein Wort von dem was Iris spricht
Vor ihrem Ohr vorbeigegangen,
Verrät der Augen funkelnd Licht,
Des Halstuchs Schwulst und brennendrote Wangen.
[133]
Die Göttin war vom ersten Anblick an
Von Ganymed nicht ungerührt geblieben;
Sie haßt' ihn anfangs nur, aus Furcht sie möcht ihn lieben;
Allein der Sprung vom Haß zu sanftern Trieben
Wird leichter als man glaubt getan.
Wir sagten's schon, der Junge war zum Malen,
Schön wie ein Wachs-Bild, weiß und rot;
Ihm fehlten zum Apoll nur Strahlen,
Und Flügel nur zum Liebes-Gott.
Nehmt noch dazu, was aus bekannten Gründen
Die Spröden nicht am mindsten rührt,
Das Alter, wo wir uns wie neuerschaffen finden,
Wo alles reizt, und lächelt und verführt;
Das Alter, wo der Knab im Jüngling sich verliert,
Und hier und da, was ehmals glatt gewesen,
Mit weichem Pflaum sich schmückt und sanft beschattet wird.
Für junge schüchterne Agnesen
Ist dieses Alter nicht gemacht,
Schon in der Schäferwelt, wie wir beim Longus lesen,
War eines Daphnis erste Nacht
Ein Jäger-Recht, das Chloen, die nichts wußten,
Erfahrnern Schönen lassen mußten.
»Bei Ganymed ist's würklich hohe Zeit,«
Fuhr Iris fort, »Gelegenheit macht Diebe;
Ein Knabe findt, trotz seiner Blödigkeit,
Nichts leichter als den Weg der Liebe.
Jüngst hat Idalia ihm einen Blick verliehn,
Der feurig war, und fast ein Antrag schien;
Die dicke Ceres selbst liebäugelt scharf auf ihn,
Was ihren Augen fehlt, ersetzen andre Waffen;
Sie hat, so oft er bei ihr steht
An ihrem Halstuch was zu schaffen,
Und neu, Madam, wie Ganymed,
Kann man sich gar zu leicht vergaffen.
Ihr breiter Busen könnte bald
Den größten Reizungen den Vorsprung abgewinnen;
Bei solchem Kram bleibt zwar das Herze kalt,
[134]
Doch reizt er destomehr die Sinnen:
Und das ist alles doch zuletzt
Was eine Ceres sucht, und alles was sie schätzt.
Kurz, dürft ich meine Meinung sagen,
So ist Gefahr im kürzesten Verzug;
Mich deucht in diesem Fall die alte Regel klug:
Um Alles muß man alles wagen.«
Der Rat war gut; allein, so schnell als Iris rät
Vom Zeremoniell der Tugend nachzulassen,
Schon der Gedank empört der Göttin Majestät.
»Und doch, Madam, ist's leicht zu fassen,
Daß Ganymede sich nicht anders fangen lassen.
Was eines Tithons lahmen Arm
Mit Jugend-Kraft begeistern würde;
Was einen Hippolyt verführte,
Macht zwar dem blöden Neuling warm,
Doch keinen Mut; er seufzt und darf nichts wagen,
Er wird durch keinen Wink belehrt,
Kein Lächeln macht ihn kühn, er hört
Die Schäferstunde niemals schlagen;
Ihm mag ein schmelzend Aug es noch so deutlich sagen,
Man mag ihn noch so sanft, warum er zittre, fragen,
Er zittert fort, und wo er danken soll
Da wirft er sich verzweiflungsvoll
Zu euern Füßen hin, und stottert bittre Klagen.
Er sieht den Vorteil nicht, den eine Stellung gibt,
Die, wie mich deucht, die Ehrfurcht nicht erfunden;
So sehr ihr Halstuch sich verschiebt,
So bleibt ihm doch die Hand gebunden:
Ihn reizt zu seiner Qual ein halbentdeckter Fuß;
Er sieht's und lechzt, wie Tantalus,
Am Quell der Lust vor durstigem Verlangen;
Ihm pocht sein Herz, und große Tropfen hangen
In seinem Aug, und auf den heißen Wangen;
Vielleicht entschließt sich allgemach
Sein matter Arm, sie sterbend zu umfangen;
Die Schöne sträubt sich, zwar nur schwach,
[135]
Ihr Auge lockt, ein wollustatmend Ach
Bekennt ihm seinen Sieg, und heißt ihn kühner werden;
Doch er – Madam, bei meiner Treu!
Ich glaubt es andern nicht, allein ich war dabei
Er denkt, sie zürnt, macht klägliche Gebärden,
Und weint, daß sie so grausam sei.«
Miß Iris malte nach dem Leben –
Warum? – Der Grund ist leicht – weil sie
Und Ganymed die Poesie
Zu dem Gemälde hergegeben.
»Aus allem«, fuhr sie fort, »Madam,
Ist, deucht mich, klar, daß diese falsche Scham,
Die Blödigkeit, und wenn man will die Tugend
Der ersten unversuchten Jugend
Den stärksten Reizungen schon oft die Macht benahm;
Sie wird nur durch Ermunterungen
Nur durch Gefälligkeit und schlaue List bezwungen.
Man muß, so schwer's dem Stolze fällt,
Die ersten Schritte tun« – »Ich, sollte mich entschließen
Den ersten Schritt zu tun? Da wird er warten müssen!
Das tät ich nicht um alles in der Welt.«
»Madam, Madam, was für Bedenklichkeiten!
Sie bleiben also, scheint's, bei ihrem Vorsatz fest,
Und nehmen demutsvoll was Ceres übrig läßt?«
Gewiß –« »So sei es dann! Ich will nicht länger streiten,
Ich sagte dir's, gerochen muß ich sein!
Er ist es wert zu Fehlern zu verleiten
Doch nehm ich's nicht auf mich allein;
Du mußt ihn doch ein wenig vorbereiten.«
Die Zofe, wie man denken kann,
Nimmt diesen Auftrag willig an;
Und daß sie keine Zeit verliert
Wird er noch diese Nacht sehr klüglich ausgeführt.
Ein kleiner Hain von Myrten und Schasminen
[136]
Erbietet sich, nicht weit vom Götter-Sitz,
Zum Vorbereitungs-Ort zu dienen.
Ob auch der Mond fein hübsch dazu geschienen,
Das gilt uns gleich; genug des Mädchens Witz
Fand diesesmal, zu jeden Teils Vergnügen,
Den Weg, die Blödigkeit des Knaben zu besiegen.
Kaum war die erste Schwierigkeit
Durch ihren Beistand überwunden,
So war auch seine Schüchternheit
Bis auf die kleinste Spur verschwunden.
Miß Iris selbst, die ziemlich kritisch war,
Fand seine Gaben wunderbar;
Auch tat sie was man kann, sie völlig zu entfalten.
Sie wußt ihn unverrückt im Atem zu erhalten;
Und niemals ward vielleicht in einer Sommer-Nacht
Ein Schüler halb so weit gebracht.
Indes verkündt dem Götter-Hofe
Der Glocke Klang des neuen Tages Licht.
Sie schleichen aus dem Hain, und die getreue Zofe
Erstattet bald, nach ihrer Pflicht,
An Junons Bett umständlichen Bericht –
Von allem? – Nun! das eben nicht!
Hingegen wird mit großem Wort-Gepränge
Das stumme Feuer abgemalt,
Das in Geheim sein zärtlich Herz versenge,
Seitdem zum erstenmal die unbegrenzte Menge
Von Junons Reizungen ihm ins Gesicht gestrahlt.
»Es brauchte viele Müh, Madam,
Ihm sein Geheimnis abzuzwingen,
Er wand, er krümmte sich, doch mußt er endlich singen.
Das arme Kind! es glühte ganz vor Scham;
Ich denk ich bracht ihn gar zu Tränen.
Ich nannt ihm alle unsre Schönen,
›Ist's Pallas, Cypria, Pomona Ceres?‹ – ›Nein!‹
›Diana, Flora, Hebe,‹ – ›Nein!‹
›Bei Amors Pfeil! So muß es Juno sein!‹
Hier wurd er blässer als Narzissen,
[137]
Und plötzlich wieder Feuer-rot.
Doch ich verschwatze mich, Madam soll das nicht wissen
Sie glauben nicht, wie scharf er mich bedroht.
Er rührte mich, ich will es frei gestehn,
Auch ließ ich ihn nicht trostlos von mir gehn,
Er seufzte gar zu schön! und kurz, das heiß ich lieben!
So liebt man nur das erstemal!
Ich bitte sehr die Lindrung seiner Qual
Aus Eigensinn nicht länger aufzuschieben.
Was zaudern sie, Hält sich der Herr Gemahl
An sein gegebnes Wort gebunden?
Sie irren sehr, er ist aufs neu verschwunden.
Ich hört es kaum von einer unsrer Stunden,
Im Vorgemach, die just durchs Fenster sah;
Er schlich sich mit Mercur ganz leise
Durchs Hinter-Türchen auf die Reise;
Wohin? das weiß man nicht, genug, er ist nicht da.
Vermutlich wird er itzt, wer weiß in welchen Hecken
Als Truthahn oder Schwan ein neues Ledchen decken.
Was hindert, daß Madam von ihm ein Beispiel nimmt?
Der Tag ist schön, und recht dazu bestimmt
stillen Freuden wegzufließen.
Wie wenn sie sich nach einem kleinen Bad
Im Schlummer überraschen ließen?
Sie schlafen fest, selbst unter seinen Küssen;
Dies muntert auf, man steigt von Grad zu Grad,
Und alles, was Madam dabei zu sorgen hat,
Ist, daß sie nicht zu früh erwache:
Für seinen Blödsinn weiß ich Rat,
Ihr Jawort nur! der Rest ist meine Sache!«
Die Göttin nickt ein lächelndes Verbot,
Und wird dabei bis an den Busen rot;
Doch Iris hat Verstand, und geht mit Ganymeden
Was Juno will, und nicht will, abzureden.
Der Abend kommt; Frau Juno schleicht ins Bad,
Läßt von den Stunden sich bedienen,
Und schickt sie weislich, da sie ihnen
[138]
Nichts weiter zu befehlen hat.
Nur Iris bleibt, besorgt was nötig ist,
Wünscht angenehme Ruh und schließt
Die Türe zu; vermutlich nur zum Schein;
Denn Ganymed, (wie wir uns sagen lassen)
Kam nicht durchs Schlüssel-Loch hinein.
Saturnia lag, abgeredter Maßen,
In tiefem Schlaf, als er erschien,
Vom Bade matt, auf einem Ruhebette,
Ein Liebes-Gott, doch nur von Marmor, schien
Mit kühner Hand den Vorhang wegzuziehn.
Sie lag in leichten Silber-Flor
Mit vieler Kunst gehüllt, und eine Blumen-Kette
Versteckte halb, was ihr Gewand
Den Augen noch gegönnet hätte;
Doch steigt halb unverhüllt die schöne Brust empor,
Dort reizt ein weißer Arm, und eine kleine Hand,
Hier ragt ein Knie wie Wachs hervor,
Und noch was mehr, das wenn er's itzt erblickte
Selbst Jupitern so sehr entzückte
Als seinen Freund, dem, fast von Lust entseelt,
Das Auge schwimmt, der Atem fehlt.
Er wagt's, es wird auf das was ihn entzückt
Der feuervollste Kuß gedrückt.
Wie zittert er, sie werde dran erwachen!
Allein sie schläft zu hart; nur zücket sie im Schlaf
Den schönen Ort, den seine Kühnheit traf
Er wird versteckt – um schönre Sachen
Dem trunknen Blick nicht länger zu entziehn.
Wer hätte hier den Mut zum fliehn?
Wen machte nicht ein solcher Anblick kühn?
Der Jüngling wird's, und decket sie mit Küssen.
Nun wird sie wohl erwachen müssen!
Ihr Schlaf war freilich hart, doch endlich wird sie wach,
Und hebt mit einem süßen »Ach!«
Ein irrend Aug – es wieder zuzuschließen.
[139]
Zum Unstern kam in diesem Augenblick
Herr Jupiter von seiner Fahrt zurück.
Der Tag war schwül. Sich zu erfrischen,
Und wär's auch nur von seiner Hoheit Fuß
Den Staub der Erden abzuwischen,
Ermuntert ihn Mercurius
Dem Bad, aus dem sie noch die Dünste steigen sehen,
im Götter-Garten zuzugehen.
Sie kommen an – und Iris sah sie nicht?
Wo hatte dann das Mädchen seine Augen?
Hier lerne man, was Hüterinnen taugen!
Entzog vielleicht der Schlaf sie ihrer Pflicht?
Nichts weniger – ich will es euch wohl sagen,
Doch im Vertraun – der junge Zephyr fand
Das gute Ding, das fleißig Wache stand,
Vor langer Weil an seinen Fingern nagen.
Der junge Zephyr war galant,
Das Mädchen hübsch, und (ohne sie zu schimpfen)
Verbuhlt genug – wir sehn bei diesem Lob
Sich hundert kleine Nasen rümpfen,
Doch Dichtern liegt die Pflicht der Wahrheit ob.
Genug, der junge Zephyr nahm
Sie bei der Hand, sie schwatzten tausend Sachen,
Und setzten sich, vielleicht ein Spiel zu machen,
Sie wußte selbst nicht wie es kam,
Zuletzt in einem Busche nieder.
Das war das Ganze! Hin und wieder
Mag wohl ein Kuß mit unterloffen sein;
Doch mehr gestand Miß Iris niemals ein.
Indes kommt Vater Zeus, und findt die Tür verschlossen,
Dies sagt ihm schon, daß jemand drinnen sei.
Er schleicht, anstatt sie aufzustoßen,
Aus Vorwitz oder Schäkerei
Dem Fenster zu – der Vorhang war gezogen,
Doch hörten sie (denn Götter hören fein)
Ich weiß nicht was, das sie zum Schluß bewogen,
[140]
Die Dame sei im Bade nicht allein.
Das Ding kömmt Jupitern nicht gar zu richtig vor,
Ihm jückts am Vorderhaupt, ihm singt das rechte Ohr,
Und kurz, es steigt ein kleiner Zweifel
Aus seiner linken Brust an seine Stirn empor.
Er macht sich klein, wie Miltons kleinsten Teufel,
Schlüpft in den Saal und sieht in stiller Ruh,
Wie einem Weisen ziemt, dem schönen Lustspiel zu,
Was arme Sterbliche in Feur und Flammen setzt,
Wird oft von Göttern kaum des Lächelns wert geschätzt.
Nur wundert ihn, die ungemeine Gaben,
Die seine liebe Frau bei diesem Anlaß zeigt,
Noch nie an ihr entdeckt zu haben.
Sein Wunder, sein Erstaunen steigt;
Je mehr er sieht, je mehr er höret,
So deutlich ward er nie belehret,
Wie sehr der äußre Schein betrügt.
Nachdem er nun mit ihrem Zeitvertreibe
Sich lange was zu gut getan,
So zeigt dem tugendreichen Weibe
Ein Donnerschlag des Mannes Ankunft an.
Ihr erster Augenblick war Schrecken,
Doch Junons fassen sich gar bald.
Ein bißchen Angst in beiden zu erwecken,
Erscheint itzt Zeus in eigenster Gestalt.
»Glück zu, Madam! was zeigt ihr meinen Blicken?
Wir haben, scheint's, uns wenig vorzurücken,
Und eure Tugend, wie ich seh,
Schmilzt, kalt und dauerhaft, wie Schnee,
An fremdem Feur in strudelndes Entzücken?
Ihr pochtet noch vor kurzer Zeit
Auf eure Unbeweglichkeit;
Ich hätte selbst für euch geschworen!
Kein kälter Weib sei nie geboren!
Allein, Herr Ganymed, mein Kind,
Kann besser von der Sache reden;
Beim Styx! wenn alle meine Leden
[141]
Nicht gegen euch von Marmor sind,
So werde noch in dieser schönen Nacht
Silen an meiner statt zum Donnerer gemacht!
Jedoch im Ernst« – » Im Ernst, mein Herr Gemahl
Ihr tätet wohl, die Predigt hier zu schließen.
Ich hoff ihr werdet meine Wahl
Bei kaltem Blut noch selber loben müssen.
Sprich, wenn man bitten darf, schickt Ganymedes sich
Für mich nicht besser als für dich'
Wer von uns kann ihn wohl mit besserm Anstand küssen?«
»Madame«, versetzt ihr Zeus, »die Frag ist überlei;
Ich sagt euch ja, daß ich hiebei
Den Sokrates zum Muster mir erwähle,
Und schöner Knaben schöne Seele
Allein der Gegenstand von meiner Liebe sei « -
»Ganz gut, mein Herr, es steht euch frei
An ihren Seelen euch nach Herzenslust zu weiden;
Ich gönn euch diesen edeln Trieb,
Und nehme, wie ihr seht, bescheiden,
Mit ihrem gröbern Teil vorlieb.«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wieland, Christoph Martin. Verserzählungen. Comische Erzählungen. Juno und Ganymed. Juno und Ganymed. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A663-A