Der Pfau und das welsche Huhn

Vom Edelhof, der ihn erzogen,
War einst ein Pfau hinweggeflogen;
Er wußte nicht mehr, wo er war;
Zuletzt kam er nach viel Gefahr
Zu einer kleinen Meierei.
Hier läuft gleich Jung und Alt herbei,
Und preist mit übermäß'ger Freude
Den fremden Herrn im schönen Kleide.
Man streut ihm reichlich Futter hin.
Die andern Hühner sehen ihn
Mit heimlicher Bewund'rung an,
Und mit gar großem Neid der Hahn.
Dem Pfau gefiel es hier so ziemlich,
Nur schien es seinem Stolz nicht rühmlich,
Daß er, so artig, so galant,
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Hier nichts für sich zu lieben fand.
Was kann nicht Langeweile thun?
Ein niedlich junges, welsches Huhn
Schien unserm Stutzer noch allein
Der Mühe werth, verehrt zu seyn.
Zwar eine Mutter war noch da,
Die scharf auf ihre Tochter sah;
Allein der Pfau verstand sehr schön
Die Mutter selbst zu hintergehn;
Und sah noch überdies gar bald,
Daß in des Töchterchens Gestalt
Der Mutter Blick vergaffet war.
Er nimmt daher des Vortheils wahr,
Macht an die Tochter sich beherzt,
Liebäugelt, lobet, lacht und scherzt.
Sie war verliebten Temp'ramentes;
Der listige Herr Pfau erkennt es
Nur allzu sicher aus der Art,
Mit welcher ihm begegnet ward.
Die Mutter merkte jetzt den Handel,
Und sprach: Mein Herr, der Tugendwandel
Von meiner Tochter ist bekannt;
Sie schickt sich nicht für Ihren Stand,
Und ist nicht aus dem Pfaugeschlecht!
Wir sind nur Hühner schlecht und recht.
Madam, (sprach hier der Pfau verstellt)
Ich bitte Sie, was in der Welt
Verdient es mehr, als wie sie Beide,
Vom Pfaugeschlecht zu seyn? O Freude!
Ich kann ein würdig Kind erhöhn,
Und es mir gleich und glücklich sehn!
Madam betrachten selber nur
Die kleine süße Kreatur.
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Gleicht sie nicht völlig einer Pfau?
Und geht und trägt sie nicht genau
Sich so wie unsre Schönen tragen?
Der Augenschein wird's Ihnen sagen!
Die Tochter höret ihn entzückt;
Die Mutter preiset sich beglückt.
Dem jungen Herrn ward viel erlaubt,
Der manche Gunstbezeugung raubt,
So daß fast Jeder denkt, der Pfau
Und dieses Huhn sey Mann und Frau.
In diesem angenehmen Wahn
Kam plötzlich eine Pfauin an.
Sie setzet stolz sich auf das Dach,
Schreit, und macht Alles um sich wach.
Der Pfau vernimmt kaum, daß sie ruft,
So schwinget er sich in die Luft,
Eilt undankbar mit ihr davon,
Und Schande blieb des Hühnchens Lohn.
So machen's noch in unsern Tagen
Die Herr'n, die Federhüte tragen.
Sie wissen's noch gar wohl, Madam,
Wie Herr Baron von Hochblut kam,
Vorlieb gern nahm mit Karolinchen;
Bis plötzlich Fräulein Edelinchen
Erschien und ihr den Bräut'gam stahl,
Und sich der Herr Baron empfahl.

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TextGrid Repository (2012). Zachariä, Justus Friedrich Wilhelm. Gedichte. Fabeln. Der Pfau und das welsche Huhn. Der Pfau und das welsche Huhn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AB05-0