Den über den Auftritt des neuen Lehrers, frolockenden, und der ganzen Christlichen Gemeine zurufenden Schallenburgischen Tempel, bey der Antrits-Predigt Herrn M. Kirchners

Den 27. April 1732.


In andern Namen.


Kan wohl mein Heiligthum und Predigstuhl bestehen, Wenn Taufstein und Altar ohn einem Priester seyn?
O nein! ich würde bald mit ihnen untergehen,
Gieng nicht ein treuer Knecht bey mir stehts aus und ein.
Läßt dieser seine Stimm ganz unerschrocken hören,
Und bläset Gottes Wort wie mit Posaunen aus;
Ja, sucht er Tag und Nacht das Himmelreich zu mehren,
So baut und schmückt er mich als ein geweyhtes Haus;
Es häufet sich die Zahl der Seelen, die da suchen,
Was Christi Geist beliebt; und ihm gefällig ist:
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Sie sind darauf bedacht das alles zuverfluchen,
Wormit ein Sattans-Kind sich unaufhörlich brüst.
Drum schätz ich mich beglückt, so bald ich einen funden,
Der Sattans Thun und Werk in meinem Hause dämpft:
Hierdurch wird manches Schaaf an Christi Joch gebunden,
Daß es hinfort die Welt mit ihrer Lust bekämpft.
Wenn nun mein Priester stirbt, der mich so wohl bewachet,
Und Gott gedienet hat als ein gehorsam Kind;
So wird mein Freuden-Wein zum Gallen-Trank gemachet,
Daß mancher Thränen-Guß aus meinen Augen rinnt.
Wie mich denn solcher Bach vor kurzer Zeit begossen
Indem mein Lehrer, ach! zu meinem Leid erblaßt:
Dort hat die schwarze Gruft den theuren Leib umschlossen,
Mich aber Traurigkeit und herber Schmerz umfaßt
Allein! was soll ich mehr dergleichen Klagen führen,
Da mein getreuer Gott doch alles wohl gemacht?
Er läßt mir seine Treu und Vater-Liebe spühren:
Und hat ein ander Haupt an dessen Stelle bracht.
O Freude über Freud! o Wonne über Wonne!
Heut trit ein Theurer Mann auf meine Canzel auf,
Der zeigt den rechten Weg zu Gott der schönsten Sonne,
Das wahre Christenthum bekömmt jetzt freyen Lauf.
Ein Mann von Gottesfurcht und Andachts-vollen Lippen;
Ein Mann, der Heucheley und falsches Wesen haßt,
Der Reich und Arme warnt vor denen Sünden-Klippen;
Ein Mann, der Redlichkeit in seine Arme faßt;
Ein Mann, der Zeit und Stunde läßt verstreichen,
Da er nicht seinem Gott und seinem Nächsten dient;
Ein Mann, der darnach strebt, daß er nur möcht erweichen
Der Sünder Felsen-Herz, in dem kein Glaube grünt;
Ja! ja! mein Kirchner ists: mein Kirchner ist der Hirte,
Dem treue Hirten-Art aus allen Werken siehet:
Er sucht, daß er die Schaf nach aller Treu bewirthe;
Er ist kein Miethling nicht, der vor dem Wolfe flieht.
Heut gehst du, Theurer Mann! in meinen heilgen Tempel,
Und hebst dein Priester- Amt bey meinen Kindern an;
Ich bin gewiß, es zieht dein löbliches Exempel,
Bald dies, bald jenes Herz von seiner Laster-Bahn.
So will ich mich denn dir an diesem Tag ergeben,
Da du nach Gottes Wink nunmehr mein Priester heist:
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Wirst du in meinem Haus wie in dem erstern leben;
So wird mein Himmels-Fürst geehret und gepreißt.
Nun bin ich wohl vergnügt, die Traurigkeit verschwindet,
Weil meines Kirchners Fuß auf meiner Canzel steht:
Sein Auftrit hat mich schon mit solcher Lust entzündet,
Daß was mich erst genagt nun ganz zurücke geht.
Triumph! Victoria! Gott hat mich wohl versorget,
Weil er mir einen Mann nach seinen Sinn geschenkt,
Nun frag ich nichts darnach, ob mich ein Feind behorchet:
Genug, mein Priester wacht der alles abwerts lenkt.
Vor diese Gnad wirst du o grosser Gott! gepriesen,
Dir wird zum Lob und Preiß ein Danklied angestimmt:
Jedoch eh ich das Wort gedenke zu beschliessen;
So wisset, daß noch was in meinem innern glimmt.
Nur ein Ermahnungs-Wort laß ich an euch ergehen:
Ihr Seelen, die Gott selbst geliebte Schafe nennt,
Die hier in diesem Haus als fromme Hörer stehen,
Die ihr euch nicht von Gott und seinem Tische trennt.
Hört meinen guten Rath; Folgt eurem treuen Hirten,
Thut, was des Höchsten Wort durch seinen Mund verlangt:
Gehorsam müsse euch und eure Lenden gürten,
Denn wer denselben liebt, des Seele herrlich prangt.
Liebt ihn von Herzens-Grund, damit ihn nichts betrübet.
Ehrt ihn als Vater stets nach eurer Schuldigkeit.
Kommt, fallt vor Gottes Thron. Wohl dem, der sich so übet,
Seyd mit Gebeth und Flehn vor seinen Stuhl bereit.
Ruft Jesum Christhum an, auf daß er Gnade gebe,
Damit sein Priester-Amt bey euch gesegnet sey,
Und er mit Christi Kraft dem Sattan wiederstrebe.
Betht, daß ihn Gottes Schutz von allem Leid befrey;
So kan er auch sein Amt mit Freudigkeit vollenden,
So wird auch eure Brust ganz ungemein ergötzt.
So wird sich Gott mit Gnad zu Hirt und Schaafen wenden,
Daß er sie dermahleinst ins Paradieß versetzt.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Bey der Antrits-Predigt Herrn M. Kirchners. Bey der Antrits-Predigt Herrn M. Kirchners. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AB93-1