Ode, welche auf Verlangen eines betrübten Gemüths entworffen

Augen! lasset Thrähnen fallen!
Weinet was ihr weinen könnt!
Meine Hoffnung bricht mit Knallen,
Weil das Glücke mir nichts gönnt.
Alle Freude ist nun hin,
Hochbetrübt ist Seel und Sinn.
Wer mich eine Mara nennet,
Trift es, denn ich bin betrübt.
Ach! das Unglücks-Feuer brennet,
Da mich nicht das Glücke liebt.
Nichts vergnüget meinen Geist,
Weil man mich betrübet heist.
O! ihr Augen lasset fliessen
Thränen die unzehlbar seyn,
Die wie Wasser sich ergiessen
Daß ihr lindert meine Pein!
Zeiget meinen Jammer an
Weil mich sonst nichts trösten kan.
[476]
Gleich wie Wasser kommt gelaufen,
Also kommt mein Leiden an,
Daß mein Herz fast möcht ersaufen.
Ach! Wer ist der Steuer-Mann?
Trübsals-Boten sind mir nah,
Alles Unglück ist nun da.
O ihr Augen! weinet, weinet,
Weinet biß das Herze mat:
Weilen ein Comet erscheinet,
Der mein Leiden mit sich hat.
Alle Freude ist nun hin,
Hochbetrübt ist Seel und Sinn.
Unglück, Unglück hat mich troffen
In der allergrößten Zahl,
Ach die Pforten sind mir offen,
Zu dem schwarzen Thränen-Thal.
Trift das Unglück keinen mehr
Als nur mich? o! Schmerzens-Heer!
Weinet was ihr könnt ihr Augen!
Ach! ihr Augen fließt von Blut,
Biß die Kräfte nichts mehr taugen!
Ach! mir sinket aller Muth:
Alles ist in mir betrübt,
Nichts ist das mir Tröstung giebt.
Keine Seele kan ermessen,
Wie mir jetzt zu muthe ist;
Das Vergnügen ist vergessen,
Weils Verhängniß mich geküßt.
Bin ich denn des Unglücks Ziel,
Und desselben liebstes Spiel?
[477]
O ihr Augen! weint und thrähnet!
Weint bey Tage und bey Nacht!
Euch ist schon der Weg gebahnet
Und zum Zähren Luft gemacht.
Ach! mein höchst beklemtes Herz,
Ach was steuret deinem Schmerz?
Ach ich muß wohl stille halten,
Meine Schultern borg ich dir,
Daß du jetzt kanst sicher walten.
Ach! was seh? was dult ich hier?
Ach wie lange soll ich noch
Tragen dieses Schmerzens Joch?
Augen! laßt die Thränen gehen
Uber meine Wangen hin,
Tausend Zähren kan man sehen,
Weil ich so beängstget bin.
Himmel! tröstest du denn nicht
Mein betrübtes Angesicht?
Ach! Wenn hören auf zu brausen
Unglücks-Winde? wenn ists still?
Ach! wenn hörets auf zu sausen?
Himmel! meinen Wunsch erfüll:
Halt mit deinem Donner ein,
Denn so kan ich frölich seyn.
O! ihr schwarzen Augen trähnet!
O mein Herz! was leidest du!
Himmel! wirds nicht abgelehnet,
Muß ich vor der Zeit zur Ruh;
Ich weiß weder ein, noch aus,
Ach! wer hilft wer reist mich raus?
[478]
Solte wohl was seyn zu finden,
Daß sich meinem Schmerz vergleicht?
Nein! es ist nichts zu ergründen,
Alles andre Unglück weicht,
Wenn mans auf die Wage legt,
Meins das andre überschlägt.
Nun so weinet biß zum Grabe;
Süsser Tod, wenn seh ich dich?
Dich, an dem ich mich nur labe,
Wenn, ach! wenn befreyst du mich?
Sterb ich, so hab ich gesiegt,
Weil mich da kein Unfall wiegt.
Ach! komm bald o! Freuden-Stunde!
Ach! komm bald o! froher Tag!
Daß ich kan mit frischem Munde
Bey mir sagen: Meine Plag
Hat ein Ende: dann mein Geist
Sich mit dem Vergnügen speißt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Ode, welche auf Verlangen eines betrübten Gemüths entworffen. Ode, welche auf Verlangen eines betrübten Gemüths entworffen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ABB4-8