Auf den Namens-Tag einer ansehnlichen Matrone

Den 4ten des Christmonats 1736.


In andern Namen.


Ich weiß nicht, wie mir ist; Ich fühl in meiner Brust
Nichts als Vergnüglichkeit und angenehme Lust;
Das Herze freuet sich, der Mund ist voller Lachen/
Mein Angesicht kan nichts als frohe Mienen machen.
Woher kommt dieser Trieb? Was muß die Ursach seyn?
Bedenk ich meinen Stand, so fällt mir plötzlich ein,
Daß ich verwayset bin, und keinen Vater habe.
Ich weine manchen Tag bey meines Vaters Grabe.
Ach! dieser Waysen-Stand bringt mich zur Traurigkeit!
Woher kommt denn die Lust und die Zufriedenheit,
Die meine Seele fühlt? Ja! nun kan ichs verspühren,
Woher jetzt meine Lust und Freude müsse rühren:
Hochwehrte Gönnerin! dein frohes Namens-Fest,
Das dich der starke Gott mit Freuden sehen läßt;
Das ist es, sage ich, was meine Brust ergötzet,
Und mich in Frölichkeit und muntres Wesen setzet.
Ich hab auch Recht darzu: Denn wenn mein Geist bedenkt,
Wie sich dein Herz und Mund zu Gott im Himmel lenkt,
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Wie du die Andacht liebst, wie du bescheiden wandelst,
Und alle Falschheit fliehst, und treu und redlich handelst;
Mit was vor stillen Geist, Geduld und Lieb und Treu
Stundst du dem Kranken-Bett des Ehegatten bey;
Du hassest Stolz und Pracht, dein Reichthum und Vermögen
Kan nicht den kleinsten Grund zum Hochmuth in dir legen.
Du siehst der Armen Noth mit nassen Augen an,
Du giebst, du hilfst und dienst, wo deine Hand nur kan.
Du bist ein Tugendbild, ein Weib von frommen Gaben,
Und deines gleichen wird die Welt nicht viele haben.
Betracht ich dieses nun, so kans nicht anders seyn,
Ich muß mich über dich und deinen Wohlstand freun.
Erweg ich fernerweit, wie du mich zärtlich liebest,
Wie du mir Herz und Hand aus wahrer Freundschaft giebest;
Wie du mich, da du doch nicht aus der Freundschaft bist,
Mich in dein mildes Herz nach Mutter-Weise schließt.
Du hast mich schön beschenkt, du hast mir oft geschicket,
Und dadurch mein Gemüth aufs innigste erquicket.
Ich dachte oft bey mir, welch einen Mutter-Sinn
Erblicke ich von dir. Die Freude reißt mich hin,
Und setzt mich auser mich, wenn ich an dich gedenke,
Und meinen Geist nach dir, Hochwerthe Freundin, lenke.
Da nun Sanct Barben-Tag, dein holdesNamens-Licht,
Heut eingefallen ist; so kan wahrhaftig nicht.
Mein Herze traurig seyn, noch in Betrübniß liegen;
Du und dein Namens-Tag muß meine Brust vergnügen.
O! wäre ich bey dir, wie wolte ich mich freun!
Wie solte nicht mein Mund voll heiser Wünsche seyn!
Doch da mir Weg und Ort mich dieses Glücks entziehet,
Und jetzt nicht theilhaft macht; so bin ich doch bemühet,
Geehrteste! dein Fest entfernet zu begehn,
Damit von meiner Pflicht der Abtrag mög geschehn.
Ich feyre diesen Tag mit Andacht; Wünschen, Bethen,
Und werde vor den Herrn, vor dich, o Freundin! treten.
Nimm Werthe! vor die Huld, Treu, Liebe, Gütigkeit,
Wormit mich deine Brust, und deine Hand erfreut.
Den Dank jetzt von mir hin. Der Herr vergelt es wieder,
Sein Seegen fall davor gedoppelt auf dich nieder.
Der heutge frohe Tag müß auch gesegnet seyn,
Er müsse noch vielmahl mit seinem holden Schein
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Zu dein- und meiner Freud vom Höchsten zu dir kommen,
Es werde, was dich drückt, von dir hinweg genommen.
Gott leite deine Hand; er seegne deine Tritt,
Und was man Glücke nennt, begleite deine Schritt;
Mir aber wollest du hinfort gewogen bleiben;
Ja nichts vermöge mich aus deiner Brust zu treiben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf den Namens-Tag einer ansehnlichen Matrone. Auf den Namens-Tag einer ansehnlichen Matrone. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ABB5-6