Auf einen andern Gelehrten Freund zum Neuen Jahre 1734.

Aus dem Prediger Salom. der 11 Vers des 9 Cap

Serenata.


Glück, Zeit, Hoffnung.

Das Glück:


Fürsten, Könge, Edle, Helden,
Müssen meine Diener seyn.
[298]
Wer nur stammt aus Adams Lenden.
Liefert meinen hohen Händen
Demuthsvolle Schreiben ein.
Dieses kan ich rühmlich melden:
Fürsten, Könge, Edle, Helden
Müssen meine Diener seyn.

Die Zeit:

Was suchest du mich zubeschämen?
Was? wilst du mir das Recht des Vorzugs nehmen?
Du bringest keinen nicht, er sey groß oder klein,
Er mag gering und vornehm seyn,
Zu den gewünschten Ehren-Stufen,
Ich hab dich denn zuvor gerufen.
Ich fordre dich denn auf, den Menschen wohl zu thun,
Ich ersehe Tag und Stunden,
Da des Menschen Glück soll blühn.
Hat das Glück was vorgenommen,
Kan es doch zum Zweck nicht kommen,
Es sey denn erst mein Wille da.
Ich muß ja
Stets erwehlen Tag und Stunden,
Da des Menschen Glück soll blühn.
Das Glück:

Schweig! schweig!
Ich bin ja über Kunst, Geld, Weisheit, hohe Gaben,
Gesetzet und erhaben:
Vor meinem Arm ist alles viel zu wenig.
Selbst Salomon der weise König,
Schreibt mir des Menschen Lust und Ruh,
Alleine zu.
Will einer über viele Meilen
Mit schnellem Fuß zum Rosen-Hügel eilen;
Ich aber bin es nicht zu frieden;
So sage ich mit frischem Angesicht:
Nein! nein!
Umsonst! umsonst!
Halt nur mit deinen Laufen ein!
[299]
Die Zeit:

Das machts/ dieweil ich nicht erschienen,
Und dir gesagt,
Auf! auf! du must den Menschen dienen.
Das Glück:

So schaf ich auch im Kriege,
Den Weg zum Siege.
Mein einger Arm kan bey den stärksten Wettern,
Das größte Heer der Krieges-Helden,
Die viel von tapfern Wesen melden,
Erwürgen, brechen und zerschmettern.
Dariens grosse Krieges Macht,
Ward dort durch Alexanders kleinern Helden-Zahl
Erwürgt und umgebracht.
Der Sieg liegt nicht an vielem Volke,
Und an der starken Helden-Hand.
Nein, nein, er hängt an meiner Wolke,
Der thut kein Wind den Wiederstand.
Wen meine Flügel wollen decken,
Den kan kein Feind, kein Heer erschrecken.
Was hilft Geschicklichkeit und Kunst,
Wenn meine Huld und Gunst
Nicht die Gefährdin ist?
Wen Phöbens Mund geküßt;
Ja wer Minervens Brust gesogen,
Wird ohne mich doch nicht zur Ehren-Bahn gezogen.
Kein einger kan auf dieser Erden
Ohn mich berühmt, reich stark, vergnüget worden.
Die Zeit:

Du machst dich ziemlich groß;
Allein wie nackt und bloß,
Wie elend würd es doch um deine Kinder stehen,
Wofern ich nur dieß Wort ergehen ließ:
Es soll dein Wille nicht geschehen?
Ich habe Macht, bey Guten und bey Bösen,
Das Glück zu binden und zu lösen.
[300] Die Hoffnung:

So bin ich eure Heroldin:
Denn niemand trachtet euch zu grüssen,
Er denkt mich erst zuvor zu küssen.
Ich erhalt die Potentaten
Durch die ganze Lebens-Zeit.
Bürger, Edle, Reich und Arme,
Ruhen stets in meinem Arme.
Ich ernähre, speiß und tränke,
Alle, denen ich mich schenke.
Keiner kan mich hier entrathen,
Ich erhalt der Potentaten
Und der Bürger Lebens-Zeit.
Ich ehre dich o Glück!
Ich liebe dich o Zeit!
Ihr seyd es, deren Blick
Mich stets erfreut.
O! laßt euch jetzt bedeuten!
Was wolt ihr lang ums Vorrecht streiten?
Ihr seyd auf diesem Erden-Ballen,
Des grossen Schöpfers Unterthanen und Vasallen,
Der Höchste schreibt euch ins Register,
Der gleichenden Geschwister,
Bedächtig ein.
Er ruft der Zeit und spricht:
Es werde dieß und das verricht.
Dem Glück befiehlt er auch auf gleiche Art.
Die Zeit und Glück, kan nichts durch eigenes Bemühen,
An menschlichen Geschlecht erfüllen und vollziehen;
Es hab es denn der weise Himmel erst befohlen.
Deswegen kans nicht anders seyn,
Ihr seyd auf diesen unbeständgen Reich
Einander gleich.
Die Zeit und das Glück:

Was wir thun, befiehlt der Himmel,
Ohne ihm kan nichts geschehn.
Dem Befehl, den er gegeben,
[301]
Können wir nicht widerstreben.
Was wir thun, befiehlt der Himmel,
Ohne ihm kan nichts geschehn.
Die Zeit:

Gewiß, es ist und bleibet wahr,
Der Himmel hat befohlen,
Ich soll ein Neues Jahr,
Dem menschlichen Geschlecht zu Nutze hohlen.
Es ist nun auch, Gott Lob! erschienen.
Das Glück:

Wohlan! so muß ich auch,
Nach meinem Brauch,
In diesem Jahr den Menschen dienen.
Die Hoffnung:

So will ich auch mit meinen Schätzen,
Des Menschen Herz und Seel ergötzen.
Die Zeit:

Du aber, Werther Sohn der Tugend,
Und Freund Eusebiens,
Ich warte auf des Höchsten Willen,
Damit ich Dir in deiner muntern Jugend,
Das Glück, von jener Sternen-Höh
Mög bringen, und Dein Herz mit Frölichkeit erfüllen.
Die Hoffnung:

Vielleicht denkt jetzt der Himmel schon,
In diesem Jahr von seinem Thron
Den Gnaden-Blick nach Dir zu schiessen,
Und deine Lust noch weiter zu versüssen,
Das Glück:

Ich bin gerüstet dir zu dienen,
So bald es nur der Himmel will.
Die Zeit:

Indessen halte Du nur still:
Denn wer dem weisen Schöpfer traut,
Der hat sein Haus gar wohl gebaut:
Sein Wunsch wird auch mit Seegen grünen.
[302] Das Glück:

Ich bin gerüstet Dir zu dienen,
So bald es nur der Himmel will.
Die Zeit:

Mein Wunsch geht nach der Sternen Höh,
Daß in dem angetretnen Jahre
Der Himmels-Herzog auf Dich seh;
Er decke Deine Glieder,
Mit seiner Schaaren heiligen Gefieder,
Zu deinen selbst Vergnügen zu.
Das Glück:

Des Höchsten Gnad und Liebes-Flaminen
Die schlagen über dich zusammen.
Die Hoffnung:

Ich falle euren Wünschen bey,
Drum sag ich, Gott der Herr mach dich von Trübsal frey,
Und schmücke Dich mit vielem Seegen.
Das Glück und die Hoffnung zusammen:

Herr der Erden und der Sterne!
Mache in dem Neuen Jahr
Unsre Herzens-Wünsche wahr!
Sey mit deinem Heil nicht ferne,
Herr der Erden und der Sterne.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf einen andern Gelehrten Freund zum Neuen Jahre 1734. Auf einen andern Gelehrten Freund zum Neuen Jahre 1734. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ABC2-8