Vorrede vor den curiösen und immerwährenden Astronomisch-Meterologisch-Oeconomischen Frauenzimmer- Reise- und Hand-Calender, so Hr. Funcke ediret

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Geehrter Leser! Sieh! wie dich das Schicksal liebt,
Da es dir abermahl ein Buch zu lesen giebt,
Das Zeit und Moder trotzt, und der Verwesung lachet,
Dieweil es durch sich selbst sich ewig lebend machet.
Man liest, daß vor der Zeit im grauen Alterthum
Der Pyramiden Pracht nicht wenig Ehr und Ruhm
Und Ansehn nach sich zog. Man weiß, was die Colossen
Und Bilder alten Welt vor Lob und Preiß genossen.
Sie habens auch verdient. Allein, wo ist ihr Pracht?
Wo sind sie jetzo hin? Sie sind zu Staub gemacht.
Kaum ist ein Uberrest von ihnen noch zu sehen.
So muß das herrlichste zerfallen und vergehen!
Allein, wer durch die Hand und eine nette Schrift,
Und ein geschicktes Buch sich ein Gedächtniß stifft,
Das steht und dauret fest, das kan kein Rost verzehren,
Man sucht es ewiglich aufs höchste zu verehren.
Wie hat die alte Welt die Bücher hochgeschätzt,
Die ein geübter Kiel und kluger Geist gesetzt?
Wie eifrig strebte man ein Täfelgen von Rinden,
Ein Blat von Pergament und eine Schrift zu finden.
Wie kostbar und wie schwer, wie theuer und wie rar
Nahm man zu dieser Zeit den Kauff der Bücher wahr?
Allein nachdem nunmehr die Barbarey verschwunden,
Und man die edle Kunst der Druckerey erfunden,
So wird auch mancher Kopf, in dem was kluges aufgeweckt.
Zur Wissenschaft gereitzt, und kräftig aufgeweckt.
Wer sonst ein Buch gehabt, wer zweene kunte weisen,
Der muste sich beglückt und reich an Schriften preisen.
Nun aber seyd getrost! macht euch die Druckerey,
Von diesem Seelen-Zwang und Bücher-Armuth frey,
Jetzt könt ihr vor ein Buch, bedenkt die Zeit der Alten!
Den allerreichsten Schatz zu eurer Lust erhalten.
Der Bücher schöne Zahl macht zum Studiren Lust,
Und regt die Geister an, und schafft, daß Sinn und Brust
Nach Wissenschaften strebt. Die Seele wird vergnüget
Wenn sich der muntre Fuß zum Bücher Schrank verfüget.
Hier ist der Seelen Ruh, allhier ist ihre Kost,
Es kan kein reicher Tisch mit Nectar, Wein und Most,
Kein Scherz, Gemächlichkeit und andre Wollusts-Gaben,
Und was man reitzend nennt, so süß als dieses laben.
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Wie köstlich ist der Schweiß, der von dir den Wangen fließt,
Wenn man bey Tag und Nacht mit Ernst in Büchern liest,
Und mit den Todten schwatzt. O angenehme Freude!
Man findet hier nach Wunsch die schönste Seelen-Weide.
Es zeigt sich, wie gedacht, auch hier ein neues Buch,
Das giebt zur Wissenschaft Gelegenheit genug.
Ihr Thoren! sprecht nur nicht: Ein neuer Zeit-Verschwenden!
Was ists denn vor ein Stück? O seht doch! ein Calender.
So sagt der Aberwitz; so schliesset der Verstand,
Der nicht geläutert ist. Kommt! nehmet ihn zur Hand,
Und seht ihn erstlich an; lest erst mit Fleiß darinnen,
Betrachtet seinen Kern, und lasset eure Sinnen
Mit gutem Vorbedacht die rechten Richter seyn.
Ich weiß, dies neue Buch nimmt eure Herzen ein.
Ihr, die ihr die Natur und Himmels-Lauff ergründet,
Auch nach der Wirthschaft-Kunst ein groß Verlangen findet,
Ihr, die die Rechenkunst und Kauffmannschaft erfreut,
Betrachtet dieses Buch, das euch die Oster-Zeit
In eure Händen spielt, so werdet ihr bekennen,
Es sey ein nützliches und schönes Buch zu nennen.
Ihr Frauenzimmer lest, was dieses in sich hält,
So weiß ich, daß es euch beliebt und wohl gefällt.
Und weil kein Druck so leicht wird ohne Fehl geschehen;
So bitt ich, selbige geneigt zu übersehen.

In der Ostermesse 1737.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Vorrede vor den Frauenzimmer- Reise- und Hand-Calender. Vorrede vor den Frauenzimmer- Reise- und Hand-Calender. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC0D-7