Vermischte Gedichte

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Ein Sendschreiben

Geehrtester!
Du hast mir kund gemacht,
Daß deiner Liebsten jetzt ein Kind im Schooße lacht:
Worüber ich mich herzlich freue,
Und wünsche, daß der Herr dem Kinde Gnad verleyhe.
Ich will mich auch bemühen,
Die Bücher, so du mir geliehen,
Mit ersterer Gelegenheit,
Nach deinen gütgen Händen
Mit Danck zu übersenden.
Das Eine, so du mir zum Eigenthum geweyht,
Soll dir zu Ehren bey mir leben.
Den Danck davor will ich auf diesem Blatte geben.
So muß ich Dir auch etwas neues melden:
Marinus, einer von den größten Helden,
Und Ritterschafft der Sparsamkeit,
Und Ehstands-Canditate,
Der gieng, noch neulich spate,
Und zwar ganz in dem stillen,
Und überhäufte sich mit Grillen.
Dieweilen ihm die Zeit
Des Abends und des Nachts zu lange,
Die Liebe machte ihm auch ziehmlich bange.
Drum schmückte er sich aus,
Und gienge recht in Schrancken,
Mit Freyerey Gedancken
In Liselantens Haus.
Es musten Mienen und Geberden,
Wie gleichsam angenagelt werden.
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Doch Liselante,
Die seine Eigenschafften kannte:
Indem er stets die Erbsen zehlt,
Und nie aus Sparsamkeit die Rüben scheelt;
Das Brod auf einer goldnen Wage wieget;
Und sich mit Hallschen Schmalz begnüget:
Um dessen Trank sich sieben Bauren raufen,
Ob er dem Geren-Strom entlaufen.
Sie sprach, mit angenehmen Mienen:
Mich wundert sehr, daß ihr bey mir erschienen,
Und gar um meine Liebe werbet;
Da ich doch nicht wie ihr die Tugenden ererbet.
Denn ihr casteyet euch mit Macht;
Ich aber bin auf Gasterey bedacht;
So speise ich auch gerne Fleisch,
Denn Saltz und Brod macht mich nur heisch.
So ist mir auch das Wasser viel zu stark,
Indem es grosse Räder treibet.
Ich speise mich nicht karg,
Und trinke daß nichts übrig bleibet;
So möchtet ihr durch mich und mein Erbarmen,
In kurzer Zeit verarmen.
Solt ich wohl solche Sünde auf mich laden?
Davor bewahr mich Gott in Gnaden.
Und so ist er vom Jungfer-Orden,
Mit Körben reich beschencket worden;
So, daß er wohl in manchen Jahren,
Das Geld zum Holze kan erspahren.
Doch liese ihm die Liebe keine Ruh,
Drum sagte er zu sich
Großmüthiglich:
Ich weis wohl was ich thu.
Ich will mich an Rosetgen machen,
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Vieleicht gerathen meine Sachen.
Ich will sie mit der Venus-Kette,
Ins Hochzeit und ins Wochen-Bette,
Auf einen Tag einführen.
Rosetgen brannte wie ein Feuer,
Drum tanzte sie nach seiner Leyer,
Gieng seinen Willen leichtlich ein,
Und sang am Hochzeit-Tage
Zu ihrer Eltern Schmerz und Plage:
Schlaf ein, schlaf ein mein Kindelein!
Auf solche Art
Hat er den Mahlschatz und das Kleid erspahrt:
Er brauchte bey dergleichen Sachen,
Sich keine grosse Müh zu machen.
Es wurde kein Geschenke ausgetheilt,
Es unterblieb der Schmaus,
Der Priester gieng mit trocknem Munde raus.
Auf diese Weise war sein Schmerz geheilt,
Und kunte darbey viel erspahren.
Wohlan! ich muß nun schliessen,
Laß dir mein Schreiben nicht verdrüssen.
Ich wünsche; lebe wohl!
Es kröne dich das Glück vom Sternen-Pol!

Den 19ten des Wintermonats 1734.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Ein Sendschreiben. Ein Sendschreiben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC16-2