Auf eine Priester-Ordination

Im Christmonat 1736.


In andern Namen.

Ode.

So, wie ein Strom bey grossem Regen
Und starkem Zufluß sich bewegen,
Und aus den Gränzen treten will;
Gleichwie er schwillt und sich ergiesset,
Und rauschend durch die Dämme fliesset;
Und steht in seinem Lauff nicht still:
Gleich also ist des Menschen Seele,
Wenn sich ein Bach der Freuden zeigt.
Sie wallt in ihrer Leibes-Höhle,
Und bricht hindurch, und wächst und steigt,
Wie? hat die Freude solch Vermögen
Die Herzen also zu erregen,
Und sie fast aus sich selbst zu ziehn?
Ja wohl! würkt sie dergleichen Wunder,
Wir sehn und spühren dieß jetzunder,
Da unsers Freundes Lorbern blühn.
Wie wallt, und regt sich das Geblüte!
O wie bewegt es unsre Brust!
Herz, Seele, Antlitz und Gemüthe,
Verräth die scharf-erweckte Lust.
[414]
Das, was wir dort vom David lesen,
Wie lieb ihm Jonathan gewesen,
Das ist auch zwischen uns geschehn.
O! Jonathan von ächter Güte,
Dein treu und redliches Gemüthe
Ließt du uns aller Orten sehn.
Die, mit dir zugebrachte Stunden
Gereuen uns zu keiner Zeit,
Sie sind so angenehm verschwunden,
Daß uns ihr Angedenk erfreut.
Wir nahmen Theil an deinen Freuden,
Desgleichen auch an deinen Leiden,
Denn unser Geist war gleich gesinnt.
So sind noch jetzo unsre Herzen.
Dein Glück und deine Freuden-Kerzen,
Und was dein Herz zur Lust entzündt;
Das giebt uns gleichfals viel Vergnügen,
Und wecket unsre Flöten auf.
Wir suchen dich nicht zu betrügen;
Die Regung hat hier freyen Lauf.
Heut da du in den Priester-Orden
Durch Priester eingesetzet worden,
Und frölich eingesegnet bist.
Heut da du Aarons Leib-Rock kriegest,
Und dich an seinem Schild vergnügest,
Das dir nun angehänget ist;
Da können wir in unsern Seelen
Die Freude, so dieß Fest uns giebt,
Hochwerther Freund! dir nicht verhöhlen,
Sie wird durch Werke ausgeübt.
[415]
Bald singen wir von deiner Tugend,
Die du schon in der ersten Jugend
Geliebt, geehret und gesucht.
Im Wachsthum deiner Leibes-Kräfte,
Vollzogest du auch ihr Geschäfte,
Und zeigtest du gewünschte Frucht,
Bald sagen wir von deinen Wissen,
Und deinen angewandten Schweiß,
Der dich des Pöbels Zunft entrissen.
Bald sprechen wir von deinem Fleiß.
Was sonst vor Sitten und vor Gaben
Die ächten Lehrer nöthig haben,
Die zarten Lämmer aufzuziehn;
Die können wir an dir erblicken,
Dich sucht die Frömmigkeit zu schmücken,
Man sieht ja ihre Blumen blühn.
Die ernsthaft, und auch sanften Triebe;
Dein Witz und Fleiß erwecket hier
Bey deinen Schülern Furcht und Liebe,
Und darum folgen diese dir,
Der Schul-Staub und die vielen Sorgen,
Die du an einem jeden Morgen
Empfinden und ertragen must,
Kan deine Arbeit doch nicht schwächen,
Und dein Bemühen unterbrechen,
Das Pflanzen ist doch deine Lust.
Den Undanck, welchen vor die Lehren
Getreue Lehrer öfters sehn.
Kan dein Erziehen doch nicht stöhren,
Dein Bauen muß doch stets geschehn.
[416]
Drum hat man deinen Ernst betrachtet,
Und deine Sorgfalt hochgeachtet,
Dieß ist, was dich zum Priester macht.
Die Schule hast du wohl begleitet,
Und deine Lämmer treu geweidet,
Und süsse Nahrung dargebracht.
Nun solst du auch der Kirche nützen,
Ihr Priester, Knecht und Diener seyn,
Nun solst du auch die Schafe schützen,
Nun schließt dein Fleiß auch diese ein.
Es schallt anjetzt vor deinen Ohren,
Du bist zum Priester auserkohren,
Dein Fuß tritt in den Schafstall ein.
Drum gieb wohl acht auf deine Heerden,
Daß alle wohl gepfleget werden,
Und niemahls ohne Labsal seyn.
Zu Hauß, bey Kranken und im Tempel,
Und wo du Amtes wegen bist.
Gieb allezeit ein solch Exempel,
Das deinem Meister ähnlich ist.
So stark als dieses Wort erklinget,
Und dir durch Herz und Seele dringet;
So freudig hörst du solches an.
Drum weil du Gott und Tugend liebest,
Und dich in Hirten-Treue übest,
So folgst du deines Heylands Bahn.
Wir wissen, daß der Priester-Seegen
An dir wird in Erfüllung gehn.
Du wirst stets auf des Amtes Wegen,
Des Ober-hirtens Beystand sehn.
Die Lust, die uns dein Amt erreget,
Die wird dir jetzo vorgeleget,
[417]
Treibt uns zugleich zum Wünschen an.
Ja Theurer Freund! was wir uns gönnen,
Was Herz und Lippen wünschen können,
Und deinen Geist erfreuen kan;
Das wolle dir die Gottheit schenken,
Sie müsse auch zu allerzeit
Im Besten stets an dich gedenken.
Ihr Seegens-Arm sey dir bereit.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf eine Priester-Ordination. Auf eine Priester-Ordination. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC1D-3