Schäfer-Gedichte auf eines vornehmen Burgermeisters und seiner Liebsten Ehegattin Eintritt in das 1735. Jahr

In eines Ehe-Paar Namen.

Silvander, Rosilis. Menalcas, Philis.


Menalcas, den das Glück aus seiner Vaters-Stadt
In eine andre Flur und Feld gerufen hat,
Woselbst er jetzt sein Brod in sichrer Ruh verzehret,
Und sich durch Fleiß und Kunst in seiner Hütte nehret.
Saß einst auf einem Tag darinnen sehr erfreut,
Und schmückte sich dabey nach ietzger Jahres-Zeit
Mit Blüthen, Blumen, Laub und buntgefärbten Bändern.
Er suchte auch die Lust in etwas zu verändern:
Er nahm sein Haber-Rohr und sang ein Hirten-Lied,
Worunter dieses war: Seht! mein Vergnügen blüht!
Die Philis trat zu ihm und unterbrach sein Singen:
Sie sprach: was treibet dich zu diesen Wunder-Dingen?
Du hast dich ausgeschmückt, du hebst die Hand empor,
Und singst in Einsamkeit vergnügt durch Mund und Rohr?
Wer putzt sich, wenn es schneyt? Wer freut sich, wenn es frieret,
Wenn Wiesen Feld und Wald ein weises Kleid bezieret?
Kein Schäfer nimmt den Stab und gehet auf das Feld,
Und weydet da sein Vieh. Die Hütte ihm gefällt;
Da pfleget er sein Lamm, und wärmt sich bey dem Lichte,
Und zeigt nicht, wie im May ein aufgeklärt Gesichte.
Ich aber sehe dich besonders wohl vergnügt:
Drum bitt ich, sage mir, was dir im Herzen liegt;
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Damit ich ferner nicht dein Thun, wie jetzt beschäme,
Und einen gleichen Theil an deiner Freude nehme.
Menalcas lächelte, und sah die Philis an,
Und sprach: O Schäferin! gedenkest du nicht dran,
Daß heut ein Oberhirt in unserm Feld und Fluren,
Dem wir Gehorsam, Pflicht und treue Dienste schwuren,
Silvandern meine ich, mit seiner Schäferin,
Der schönen Rosilis, mit hocherfreutem Sinn,
Das Neue Jahr betrit. Sie feyren diese Stunden
Mit ungewohnter Lust: Drum halt ich mich verbunden
Heut aufgeweckt zu seyn. Menalcas fuhre fort,
Und sprach: O Philis! Ach! mir fehlet Geist und Wort
Die grosse Freudigkeit der Seelen auszudrücken.
Du weist so wohl als ich, mit was vor holden Blicken
Und dieses Edle Paar vor andern angeschaut.
Silvander, welchem man das Hirten-Amt vertraut,
Und der es auch bisher so wohl in acht genommen;
Daß auch kein Schäfer nicht, nur um ein Lamm gekommen.
Sie treiben unter ihm vergnügt das Vieh ins Feld,
Und ihre Hütten sind beschützt und wohl bestellt.
Wenn andres Schäfer-Volk von harten Diensten saget;
So wissen wir von nichts; wir leben unverzaget.
Drum hat ihm auch der Herr der Sterne hochbeglückt,
Und ihm ein Silber-Haar mit Ehren zugeschickt,
Er giebt ihm Stärk und Kraft. Gott hat ihm auch darneben
In dreyen Ehen Fried und Einigkeit gegeben.
Nichts minder zeitlich Gut. Und dieses wendet er
Zum Dienst des Nächsten an. Nein! nicht von ohngefehr
Hat mich des Schicksals Macht an diesen Ort gesetzet,
Allwo mich dieser Hirt erfreuet und ergötzet.
O Philis! schau mit mir die Tag und Stunden an,
Da uns dieß Hirten-Paar viel gutes angethan,
Die wir doch warlich nicht verschuldet und verdienet.
Ja, durch Silvanders Gunst mein und dein Glücke grünet.
Wenn nun dieß werthe Paar viel neue Jahre sieht;
So kans nicht anders seyn, ich sing ein Freuden-Lied.
Nun hab ich dir gesagt, was mich zur Lust beweget/
Und was in mir den Grund zur Munterkeit geleget.
Nun sage, kan ich nicht im Winter frölich seyn?
Ich glaub, du stimmest jetzt auch mit mir überein.
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Ja wohl! sprach Philis laut. Doch dieß ist, was mich kränket,
Daß mein Gemüth so spät an diese Jubel denket.
Und daß mich nicht mein Herz, wie du, ermuntert hast;
So hätt ich gleich wie du mein Liedgen abgefaßt.
Silvander, Rosilis verdienen Freuden-Lieder,
Mit Recht fällt auf dieß Paar ein Thau vom Himmel nieder.
Ja, dessen Hütten sind des Obed-Edoms gleich,
Und an Ergötzlichkeit und Friedens-Schätzen reich.
So weiß ich auch gar wohl, mit was vor Huld und Güte
Uns dieses Paar belegt: Drum freut sich mein Gemüthe,
Und giebt dir warlich nichts an munterm Geiste nach.
Sie hielt mit Reden ein. Menalcas aber sprach:
Es fordert unsre Pflicht auch einen Wunsch zu bringen;
Allein es möchte mir im Singen nicht gelingen,
Drum soll er kurz und gut darneben herzlich seyn.
Ich weiß, Silvander merkt, daß ich den Heuchel-Schein
Aus meiner Brust verbannt. So wünsch ich denn von Herzen:
So viel am Firmament zur Nachtzeit helle Kerzen
Vor unsern Augen sind; so viel als Hähner krehn;
So viel als Schaafe jetzt in unsern Ställen stehn;
So viel als Schnee und Eis in unsern Fluren lieget;
So viel man Kindergen anjetzt in Windeln wieget;
So vieles Glück und Heil fall in dem Neuen Jahr,
Auf dieses redliche und grosse Hirten-Paar.
Die Philis wünschte auch: So viel in unsern Hütten
Man Holz und Stroh verbrennt; So viel als jetzo Schlitten
Zu sehn, zu hören sind; so viel man Lichter braucht;
So viel als man Toback in unsern Hütten raucht,
Und Tropfen Bier verzehrt; so vieles Wohlergehen,
Müß diesem theuren Paar dieß Jahr zu Dienste stehen.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Schäfer-Gedichte [1]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC4C-A