Unterthänigstes Sendschreiben an Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Sachsen Meinungen

Durchlauchtster Friederich!
Ist dieses nicht zu viel,
Daß meine Niedrigkeit, daß sich mein Dichterkiel
Zu deiner Hoheit wagt? darf ich mich unterstehen
Durchlauchtster! durch ein Blat vor dein Gesicht zu gehen?
Ich zittre mit der Hand, ich werf die Feder hin!
Trieb, Ehrfurcht, Hofnung, Furcht verwirrt jetzt meinen Sinn.
Doch was verzage ich! Ich nehm die Feder wieder.
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Mein Herzog ist voll Gnad und Großmuth, der die Lieder
Der Dichter nicht verschmäht. Er hält gelehrten Fleiß
Nach seiner Weisheit wehrt. Er kennt, Er sieht und weiß
Nach seiner Einsicht wohl, wer sich dahin bestrebet,
Daß er durch Wissenschaft sich aus dem Staub erhebet,
Und sucht, kein faules Glied der Republik zu seyn.
Mir fällt Durchlauchtigster! hierbey zur Freunde ein:
Wie hoch du meinen Kiel und meine Arbeit ehrest,
Wodurch du grosser Fürst! mein Lob so schön vermehrest.
Allein Durchlauchtigster! verdient die Dichterkunst
Auch an und vor sich selbst, wohl deine Gnad und Gunst?
Man schimpft und höhnt sie ja; man nennt sie offt bey Hofe
Wie Günther schon gesagt, die abgedankte Zofe.
Sie heist ein Hirngespinst, und eine Bettel-Magd,
Und eine Heuchlerin die nur zum Scheine klagt.
Sie schmeichle um Gewinst, und wisse zuverblenden,
Und könte meisterlich die edle Zeit verschwenden.
Die Laster sind weit mehr die man ihr angedicht.
Mein Herzog! achtest du denn dieses alles nicht?
Bist du ihr dennoch hold? Ists nicht zuviel vor Helden
Und Fürsten, wenn sie was zu ihrem Ruhme melden?
Ruft nicht der Weisheit Feind, der Süd und West durchzieht.
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Verächtlich wärs, wenn sich ein Prinz um sie bemüht.
Ein Herzog dörfte sie nicht lesen oder kennen,
Er könte sie, wie dort Sibillens Buch verbrennen.
(Das sie zwar selbst gethan.) Der Fürsten Lust allein
Solt nur die Lust der Welt, das Trink und Jagen seyn.
Vortreflich schöner Spruch! wie? sind denn nicht die Prinzen
Ein Vorbild und ein Licht und Väter der Provinzen?
Ein Fürst muß Wissenschaft, Verstand, beherztes Blut,
Huld, Gnade, Warheit, Treu, gerecht, doch sanften Muth,
Erbarmen, Gütigkeit, und andre Fürsten-Gaben,
Zu seines Namens Ruhm, und Glück des Landes haben.
Die Weisheit, der Verstand, die lautere Vernunft,
Die einen Herzog schmückt, schließt nun die Musen-Zunft
Aus seiner Brust nicht aus. Sie steht mit unter diesen,
Die Fürsten Gnadenreich und Großmuthsvoll begrüssen,
Es ist die Poesie kein niederträchtig Werk;
Sie ist der weisesten und größten Augenmerk,
Und süsser Zeitvertreib. Die Potentanten müssen
An etwas eine Lust nach ihrer Last geniessen.
Der Fürsten ihre Lust ist zwar gar mancherley,
Rudolphens Pinsel kam den Mahlern treflich bey.
Der junge Cyrus fand an junger Bäume setzen
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Die angenehmste Lust, das herrlichste Ergetzen.
Gambrivius braut Bier. Albertus drechslet schön.
Es wußte Carl geschickt mit Uhren umzugehn.
Wilhelmus gleichfals auch. Und Ferdinand polirte
Gold und die Waffen schön. Garochus schnitzt und zierte,
Der Bogen Pfeile wohl. Aeropus ward bedacht,
Wie er bald Lichtergen und bald Laternen macht'.
Atheus putzt sein Roß. Und Abas schlug die Eisen
Dem Reitpferd selbsten an, und zäumt es auf den Reisen.
Was macht Domitius? Er spießt die Fliegen an.
Ich weiß zwar nicht, ob man dieß Fürstlich nennen kan!
Ich weiß nicht, hab ich recht? bey Fürstlichem Vergnügen,
Muß doch der grosse Geist allzeit zum Grunde liegen.
Wie schön ists, wenn ein Fürst kein Fürsten-Haupt erhebt,
Und nach der schönsten Lust der Weisheit eifrig strebt,
Und sich an ihr ergötzt: So kan er klug regieren,
Und seinen Fürsten-Hut durch sich noch grösser zieren.
Die Weisheit find kein Haus, zu ihrem Glück und Ehr,
Das schöner, als die Brust der Potentanten wär.
Durch kluge Fürsten kan die Weisheit herrlich glänzen;
Durch sie erweitert sich ihr Reich und seine Gränzen.
Der Römer edles Haupt Aurelius Anton
War ihrer Augenlust, und ihr warhaftger Sohn.
Was that Vespasian? Was Zeno? sie studirten.
Was Cäsar? Friederich? Sie lasen, meditirten.
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August und Adrian, Alphonsus liebten sie:
Und Carl verehrte auch die Weisheit spat und früh.
Franciscus, Heinrich laß mit Lust gelehrte Schriften.
O schöne Fürsten-Lust! die kan ein Denkmaal stiften
Das ewiglich besteht. War Nero voller Wuth;
So nahm die Wissenschaft und Dichtkunst doch sein Blut,
Und seine Seele ein: Er hat geschickt geschrieben,
Und mit der Poesie die Zeit gar oft vertrieben.
Wie mancher grosser Fürst, den Deutschland in sich schließt
Trinkt öfters aus dem Fluß, der am Parnasso fließt.
Man geh die Prinzen durch, so wird man klärlich lesen,
Und finden, daß ihr Herz der Musensitz gewesen.
Hat nicht der Held Eugen die Dichtkunst hochgeschätzt?
Was Wunder, wenn Mein Fürst Sich auch an ihr ergötzt!
Was Wunder, daß du Sie Durchlauchtster Herzog liebest,
Und ihr dein grosses Herz zu eine Wohnhaus giebest.
Dein hocherleuchter Geist sieht ihre Schönheit ein.
Du weist sie will besitzt, sie will verwahret seyn.
Du bist ein weiser Fürst, den Pallas auferzogen,
Drum bist du ihrem Volk auch Großmuthsvoll gewogen.
Ein Dichter findt bey dir ein gnädiges Gehör,
Und wenn der Zoil auch mit Macht darwieder wär.
So liebst und lobest du, Durchlauchtster Weisheits-Kenner,
Die Federn und das Blat der klug und weisen Männer,
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Nach deiner Einsicht hoch, und siehst es gnädig an.
Allein, Durchlauchtigster! ists nicht zu viel gethan,
(Ich bitte demuthsvoll, vergieb den kühnen Fragen,
Verzeihe gnädiglich, was jetzt die Worte sagen!)
Daß du der Hände Werk von einem Weibesbild,
Das ja mit keinem Witz; mit Schwachheit angefüllt,
So gnädiglich verehrst? wo hat man wohl vernommen,
Das von dem Frauenvolk was Gutes wär gekommen?
So spricht der Klugheit Feind; so spricht der tolle Neid.
Man hörts ja, wie er oft mit vollem Munde schreyt:
Ein Weibsbild sey kein Mensch. Wir wären Plage-Geister
Der Männer. Und was mehr? Xantippens Obermeister.
Und solche Tittel mehr, die er umsonst verschenkt.
Ein Weibsbild, das an Kiel und Wissenschafft gedenkt,
Und sie zu forschen sucht, das muß ein Monstrum heisen,
Man müß im Buch und Kiel aus denen Händen reisen.
Der Degen in der Faust, die Feder in der Hand,
Den Hut auf Schläff und Kopf wär Männern zuerkant,
Und nicht dem Frauenvolk. Daß müsse dum verbleiben,
Die höchste Klugheit sey, den Namen nur zu schreiben,
Kehrt sich ein Weibsbild an dieß Geboth nun nicht,
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Hilf Himmel! wie wird es getadelt und gericht!
Du aber Grosser Fürst! wilst dich daran nicht kehren,
Vielmehr gedenkst du mich dem Neid zu Trutz zu ehren.
Mein! was kan ich davor, daß mich Apollo liebt;
Daß Pallas mir die Brust daraus zu saugen giebt;
Daß mir die Musen hold! Soll ich denn ihre Gaben;
Soll ich des Schöpfers Pfund so liederlich vergraben?
Nein? warlich, dieses geht Sidonia nicht ein,
Und solte Jupiter mit Donnerkeilen dräun!
Ich schwör: Jemehr der Neid sich denkt an mir zu reiben;
Jemehr bestreb ich mich zu lesen und zu schreiben!
Mein Fürst! ich danke dir in Unterthänigkeit
Vor deine Gnad und Huld, wormit du jederzeit
Die Arbeit meiner Hand so gnädigst angesehen.
Fahr fort Durchlauchtigster! dem Neid zu widerstehen!
Mein Herzog, Fürst und Herr! der Ruf hat mich bericht,
Daß als du deine Reis' durch unsre Stadt verricht,
Und als ein Graf durchgiengst, hätt'st du dir vorgenommen,
Sidonien zu sehn, zu Hedewig zu kommen.
Allein du hätt'st gesorgt, dein Ausgang möchte dich
In unsrer Geren-Stadt Durchlauchtster Friederich
Verrathen, und dich sehn. Wie zürn ich aufs Geschicke
Und Schicksaal, daß es mir die Gnade und das Glücke,
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Durchlauchtster! dich zu sehen, damahls geraubet hat!
Die Freude hätte ich, Mein Herzog! auf kein Blat
Durch Dint und Kiel gebracht, die ich dadurch empfunden.
Wie sich Mein Fürst und Herr so hold bey mir befunden.
Nicht ohne ist es zwar, Durchlauchtigster Regent!
Man hätte es gemerkt, man hätte dich gekennt.
Ein Fürst kan sich nicht leicht verbergen und verhehlen.
Gewiß, man hätte dich an deiner grossen Seelen.
Durchlauchtster Carl erblickt. Dein hoher Fürsten Geist
Sich auch im Reise-Hut, und Reise-Kleider weißt
Aus Antlitz und Gestalt, Geberden, Augen, Wesen
Kan man das Fürstliche erkennen, sehn und lesen.
Was Wunder, wenn ich dich so gleich als Fürst gegrüßt.
Und unterm Reise-Rock den Purpur-Saum geküßt.
Ich danke Dir Mein Fürst! vor alle Gnad und Ehre,
Die Du mir unverdient erzeigst. Durchlauchtster! kehre
Dieselbe nicht zurück. Erhalt mir deine Gnad,
Und schaffe, daß mein Mund einmahl die Gnade hat,
Dich Großmuthsvoller Fürst! mit Ehrfurcht zu begrüssen,
Und Deinen Fürsten-Rock und Purpur-Saum zu küssen.

Den 26. Novemb. 1737

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Sendschreiben an Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Sachsen Meinungen. Sendschreiben an Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Sachsen Meinungen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC5C-8