Heilige Lebens-Regeln des Apostels Pauli an die Römer am 12. Capitel, vom 7den bis 21sten Vers

Ode.


Mein Christ, hat dir das höchste Gut
Ein weises Herz geschenkt, und dich mit Geist erfüllet;
Wenn seine Gnade auf dir ruht,
Und dein geübter Mund voll süsser Reden quillet:
So siehe zu, daß auch dem Glaubens-Licht
Kein Widerspruch durch deinen Mund geschicht.
Das vorgetragne Wort muß stets dem Glauben gleichen,
Sonst kan es nicht den Zweck erreichen.
Hat dich des Höchsten milde Hand
In den Beruf gesetzt, und dir ein Amt gegeben,
So trachte auch in deinem Stand
Treu, fleißig und gerecht zu handeln und zu leben.
Ruf Jesum an, damit er dich vertrit,
Und deine Hand, und deinen Tritt und Schritt,
In allen, was du thust, mit seiner Kraft begleitet,
Und seinen Seegen zu dir leitet.
[105]
Betritst du Kanzel und Altar,
So pflege deines Amts, und warte deiner Lehre.
Nimm deiner Pflichten treulich wahr,
Bemüh dich, daß man Gott aufs würdigste verehre.
Ermahnest du, so sey getrost dabey,
Verhehle nichts, red ernsthaft, ohne Scheu,
Ermüde niemahls nicht, damit auf dieser Erde
Daß Häuflein Christi grösser werde.
Ubt deine Hand Barmherzigkeit,
So laß es allemahl aus Redlichkeit geschehen;
Setz allen Stolz und Ruhm beyseit,
Und laß es nicht so leicht vor alle Augen sehen.
Ein prahlend Herz gefällt dem Höchsten nicht.
Ist aber so die Gabe eingericht,
Daß man dem Nächsten dient, und Gottes Willen liebet,
So wird sie löblich ausgeübet.
Trägt deine Hand den Richter-Stab,
So suche deinen Geist mit Klugheit auszuschmücken;
Gieb einen weisen Führer ab;
Such nach der Väter Art die Deinen zu beglücken.
Sey wie ein Hirt, der stets mit Vorbedacht,
Und allen Fleiß vor seine Heerde wacht.
Damit durch deine Schuld kein Unfall sich erhebe,
Und jeder froh und glücklich lebe.
Was deine Hand den Armen reicht,
Daß gieb nicht mit Verdruß noch mit gezwungnen Mienen;
Dein Herze werd von selbst erweicht;
Du must aus freyen Willn dem schwachen Nächsten dienen.
[106]
Der thut nicht wohl, der bloß die Freunde liebt,
Und diesen nur die reichsten Gaben giebt.
O nein! gieb dein Geschenk dem Lazaro im Schmerzen
Mit Liebe, Lust und milden Herzen.
Such deinem Nächsten niemahls nicht
Mit Schein und Heucheley und Falschheit zu begegnen.
Die Liebe sey so eingericht,
Den Nächsten stets mit Treu und Redlichkeit zu seegnen.
Der Falschheit sey gleich wie den Löwen feind,
Betrüge nie, den Feind noch deinen Freund.
Sey zwar nicht dum; sey klug; doch lieb ein redlich Wesen,
Wie sich Nathanael erlesen.
Flieh, meide diese arge Welt,
Sie ist wie Delila, sie legt dir Netz und Stricke.
Was deinem Gott zu wieder fällt,
Das hasse mit Begier und alle Augenblicke.
Was mit der Lieb, mit Treu und Redlichkeit,
Mit Witz und Kunst, und mit der Tugend streit,
Davon entziehe dich, das meide, flieh und hasse,
Damit dich nicht dein Gott verlasse.
Bestrebe dich vielmehr dahin,
Wie du die Heiligkeit der Seelen mögst erlangen,
Und wie dein Geist, dein Leib und Sinn
Nach deines Jesu Wort am Guten möge hangen.
Bemühe dich, das, was dein Heyland liebt,
Und was er selbst im Leben ausgeübt,
Zu wünschen und zu sehn, und alle gute Gaben
Zu deiner Seelen Schmuck zu haben.
[107]
Die brüderliche Liebes-Glut
Soll allzeit herzlich seyn, und aus dem Glauben gehen.
Dein Herz, dein Mund, dein Hab und Gut
Muß deinem Neben-Christ in Noth zu Dienste stehen.
Der Nächste muß wie du geliebet seyn;
Sonst ist es nur mit dir ein Heuchel-Schein.
Rein, herzlich, Glaubens-voll must du die Brüder lieben,
Wie dir dein Heyland vorgeschrieben.
Die Höflichkeit ist auch ein Stück,
Das unsern Lebens-Lauf und unsern Wandel zieret;
Ein hold und angenehmer Blick,
Ist nöthig, daß man ihn stets in den Augen führet.
Mit Höflichkeit komm deinem Neben-Christ,
Wenn er gleich nicht wie du in Ansehn ist,
Zu jeder Zeit zuvor. So wirst du Gott und allen
In dieser Tugend wohlgefallen.
Der Herr will keinen trägen Geist,
Der müd und schläfrig ist, in seinem Weinberg leiden.
Dein Amt erfordert allermeist:
Sey willig, fleißig, stark, und thu dein Werk mit Freuden.
Im Christenthum darfst du nicht träge seyn,
Ein muntrer Trieb zum Guten nehm dich ein.
In Arbeit sey nicht faul; so wird dein Glück sich mehren,
Und Gott wird Seegen zu dir kehren.
[108]
Dein Geist darf nicht mit Laulichkeit,
Noch mit dem Mund allein, vor Gott den Vater treten,
Mit Inbrunst und Zufriedenheit,
Und heiser Andachts-Glut must du das Abba bethen:
Der Höchste sieht kein schlechtes Opfer an,
Ein träg Gebeth ihm nicht gefallen kan.
Mit einem solchen Geist, gleichwie die Seraphinen,
Must du dem theuren Heyland dienen.
Mein Christ! schick dich auch in die Zeit,
Das ist, bemühe dich sie löblich anzuwenden.
Flieh sündliche Gelegenheit,
Und suche keine Stund mit Vorsatz zu verschwenden.
Die Zeit ist kurz, sie fliegt wie Wind und Spreu,
Ja wie ein Rauch und Nebel-Dunst vorbey,
Und du must doch von ihr dem Höchsten Rechnung geben;
Drum wend sie auf ein heilig Leben.
Verzage nicht, wenn Angst und Noth
Dir der gerechte Gott nach seinem Rathe schicket.
Steh! hoffe nur getrost auf Gott,
Und glaube, daß er dich nicht unterm Joch erdrücket.
Ermuntre dich, und hoffe frisch auf ihn,
So wird er dich auch aus dem Elend ziehn.
Die Hoffnung auf den Herrn und Herrscher dieser Erden
Läßt Fromme nie zu Schanden werden.
Ein Christ kan ohne Kreuz nicht seyn,
Dein Vater züchtget dich zur Wohlfahrt deiner Seelen;
Drum sage nicht in deiner Pein,
Der Höchste drückt mich hart, er suchet mich zu quälen,
[109]
In Kreuz und Schmerz und Trübsal halte still;
Sprich: es gescheh des Herrn gerechter Will.
So wird dir die Gedult der Herr mit Himmels-Kronen,
Nach ausgehaltnen Kampf belohnen.
Oft stellt sich zwar der Heyland an,
Als wen sein Ohr mit Fleiß nicht unser Bethen hörte;
Drum machs wie jenes Weib gethan,
Das sich an Christi Wort u. Weigern gar nicht kehrte.
Auf! kämpfe so, gleich wie dort Jacob rang,
Der durch Gebeth und Weinen Gott bezwang.
Halt stets mit Bethen an; so wird dich Gott vom Bösen
Nach seiner Gütigkeit erlösen.
Der armen Glaubens-Brüder Noth,
Betrübniß und Gefahr laß dir zu Herzen gehen.
Wenn ihnen etwas wiedrigs droht,
So suche wo du kanst! denselben beyzustehen.
Trag sie dem Herrn in deiner Andacht vor;
Heb deine Hand vor sie zu Gott empor;
Hilf ihrem Mangel aus. Auf ihren Kummer Wegen
Kanst du sie wohl am besten pflegen.
Dein Haus laß eine Freystadt seyn,
Wohin ein Lazarus in seiner Armuth fliehet;
Stellt sich Naemi bey dir ein,
So sey vor ihren Schutz aus Mildigkeit bemühet.
Verschließ dein Haus nicht vor den armen Gast;
Erleichtre ihn dadurch die Armuths-Last.
Erbarm dich seiner Noth. So wird Gott nach dem Leben
Dir dort sein Haus zur Wohnung geben.
[110]
Die Sanftmuth laß in deiner Brust
Bey andern Tugenden den ersten Platz mit finden,
Wenn du Verfolgung sehen must;
So laß die Schmach in dir die Rache nicht entzünden.
Auf! seegne den, der dich verfolgt und schmäht,
Bestrebe dich, daß sich dein Geist nicht blöht.
Der Eifer schadet mehr: Vergeben ist viel besser;
So wird dein Lohn im Himmel grösser.
Der Teufel sey allein dein Feind,
Den hasse immerhin, verfluche ihn von Herzen.
Doch den, der dir zu schaden meint,
Der dich verfolgt und schimpft und bringt dir Angst und Schmerzen;
Den fluche nie, den seegne und vergieb,
So bist du Gott und seinem Sohne lieb.
So hast du Jesu Christ getreu und fromm gedienet,
Davor dir dort dein Lorber grünet.
Beneide niemands Ehr und Glück;
Freu dich in deiner Brust, wenn sich dein Nächster freuet,
Wenn ihm Gott einen Sonnen-Blick,
Geld, Ansehn und Verstand, Witz, Schönheit, Gunst verleihet.
Freu dich mit ihm, wenn ihm sein Werk gelingt,
Wärs auch dein Feind, der dich in Trübsaal bringt.
Weißt du zu seinem Glück auch etwas beyzutragen,
So must du dich deß nicht entschlagen.
Sey gleichfals traurig lieber Christ!
Wenn sich dein Nächster klagt und wenns ihm übel gehet;
Wenn er in Noth und Trübsaal ist,
Wenn ihm ein hartes Kreuz vor seinen Augen stehet.
[111]
Beklage ihn, beweine seinen Schmerz,
Doch tröste auch, so gut du kanst, sein Herz.
Erleuchtre seine Last durch Klage, Trost und Rathen,
Und kanst du auch, so thus durch Thaten.
Den Geist der Eintracht jagt nicht fort,
Vertragt euch im Beruf und auf den Amtes-Wegen.
Gedancken Mienen, Red und Wort
Begleite Einigkeit; so folget Glück und Seegen.
Die Jugend darf die Alten nicht verschmähn,
Dieweil sie mehr erfahren, und verstehn.
Der noch nicht reife Witz der lasse sich belehren,
So wird sich Glück und Eintracht mehren.
Den Hochmuth lasse nie in dir
Zur Wurzel, Stärk und Kraft und eingen Wachsthum kommen.
Erstick im Anfang die Begier,
Kein Ehrgeitzvolles Werck werd von dir unternommen.
Was deinen Witz und Kräfte überwiegt
Das unterlaß, und sey damit vergnügt,
Was dir dein treuer Gott in diesen eitlen Leben
An Ehre, Glück und Witz gegeben.
Mein lieber flieh den falschen Wahn,
Als ob du klug genug und ohne Fehler wärest.
Sieh keinen Menschen höhnisch an;
Gedenke daß du auch des Nächsten Gaben ehrest.
Verachte ihn und seine Rede nicht.
Ein andrer sieht, wo dir noch was gebricht:
Drum nimm die Meinung an, und handle stets bescheiden
So ist dein Umgang wohl zu leiden.
[112]
Wirst du beleidget und betrübt,
Verfolgt, geschmäht, verhöhnt, so machs wie David dorten,
Der keine Rache ausgeübt,
Er schalt den Simei nicht mit dergleichen Worten.
Vergieb, vergilt es nicht mit gleichem Geist,
Wenn sich dir schon darzu ein Mittel weißt.
Vergieb, wie dir der Herr die Sünde soll vergeben,
So wirst du Gott gefällig leben.
Der Erbarkeit befleißge dich;
Laß gegen jedermann ein sittsam Wesen sehen;
Sey niemand durch was ärgerlich;
Such nicht in Stolz und Pracht und Frechheit herzugehen.
Gespräch und Wort, Geberden, Kleidung, Schritt,
Bring allezeit ein erbar Wesen mit.
Gieb einem jeglichen ein reitzendes Exempel;
Dein Herze sey der Tugend Tempel.
Gieb niemand nicht zum Zank und Streit,
Zur Unruh und Verdruß, zur Feindschaft und zum Klagen,
Stof, Anlaß und Gelegenheit:
Bemühe dich mit Fleiß dich friedlich zu vertragen.
Und wird dir auch was zum Verdruß gethan,
So sieh es nicht gleich nach der Strenge an.
Und must du vors Gericht; so meide List und Tücke,
Und zieh darbey den Haß zurücke.
Such keine Rache; gieb sie Gott,
Der wird zu seiner Zeit sein Rachschwerd doch wohl zücken,
Er ist der Herr, der schlägt und droht,
[113]
O! seine Hand wird schon den Feind mit Nachdruck drücken.
Der Herr läßt nie was Gutes unbelohnt;
Er strafet auch, ob er gleich lange schont.
Der Höchste ist gerecht, er züchtget hart und strenge
Der Aufschub mehrt der Strafen Menge.
Speiß deinen Feind in Hungers-Noth;
Lab ihn in seinem Durst; bekleide seine Blöse;
So liebst du Gott und sein Gebot,
Und deine Tugend wächst zu einer schönen Größe.
Wenn dieß dein Feind, vor seine Boßheit kriegt;
So wird er roth, entkräftet und besiegt,
Und muß dann in sich gehn, sich seines Lasters schämen,
Und sich zu bessern Sinn bequemen.
Fall als ein Held die Laster an!
Das Böse suche stets in deiner Brust zu dämpfen.
Geh auf der heilgen Tugend-Bahn,
Und such das Gute nie mit Bösem zu bekämpfen.
Besiege dich und deine Adams-Sinn;
Und bist du schwach, so geh zu Jesu hin,
Und bitte, daß er dir die Kraft zum Streiten schenke,
Und stets dein Herz zum Guten lenke.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Geistliche Gedichte. Heilige Lebens-Regeln des Apostels Pauli an die Römer. Heilige Lebens-Regeln des Apostels Pauli an die Römer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC97-2