Ein Sendschreiben

Zu Zierde des Adels,
durch Sitten und Tugend,
Schmückt diese die muntre und adliche Jugend,
Gleich wie du sie trägest, so saget man frey:
Daß dieser mit Wahrheit ein Edelmann sey.
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Ich kenne dein Wesen, drum muß ich bekennen:
Du seyst ein Warhafter von Adel zu nennen.
Ich heuchle mit nicht, dir ist es bewust,
Ich liebe die Wahrheit mit innigster Lust.
Ich habe mit Freuden im Schreiben gelesen,
Daß viele gelehrte im Lehrsaal gewesen,
Als du dich vor kurzen zum Redner gemacht,
Und nunmehr die Rede zur Presse gebracht.
Drum hoff ich mit nächsten zu meinen Vergnügen
Das artige Werkgen verehret zu kriegen.
Doch mach es jetzt anders als letzlich geschehn,
Und laß mich bey Anfang ein Reimigen sehn.
Wie kommt es Hochwerther! daß du mirs verschwiegen,
Ob Günther, dein Landsmann ein Grabmaal soll kriegen?
Wie treibst du denn dieses mit andern nicht mehr?
Der Dichter verdiente ja billig die Ehr.
Wär dieses geschehen, so hätt ich gebethen,
Du ließt mich stat deiner zur Rede auftreten,
Vor schlesische Redner geziehmt es sich nicht,
Daß man sich selbst lobet, und von sich selbst spricht.
Du hast auch nicht übel in Wehlen getroffen
Von diesen zwey Schönen ist vieles zu hoffen
Die erste ist warlich die schönste Person,
Du liesest von dieser wohl schwerlich davon.
Ja, wenn du die Liebe des Nächsten bedächtest,
Ihr andre Begriffe und Lehren beybrächtest,
So thätst du was Gutes. Wers besser versteht,
Der Lehre ein Mädgen das irrend rum geht.
Die andre ist gleichfals nicht übel gesinnet,
Dieweil ihr Vermögen dadurch nicht zerinnet.
Vier Groschen die Woche vor alles verzehrt.
[598]
O glücklicher Ehmann! dem diese beschert.
Bekömst du dereinsten so eine wie jene,
So darfst du nicht sorgen, es werde die Schöne
Dir schnöde begegnen, sie schmeichelt dich ehr,
Sie fraget dich freundlich und bittet dich sehr:
Du solst ihr bald dieses, bald jenes berichten.
Sie wird dir nichts läugnen noch etwas erdichten.
Sie bittet mit Lächeln: Schatz! für mir die Hand,
Und mach mir, den Namen zu schreiben, bekant.
Wie? wird dich nicht dieses aufs höchste ergötzen!
Was wirst du wohl diesen Vergnügen gleich schätzen!
Erfreuet dich aber das gunstige Glück
Mit einer Gemahlin, die alle die Stück
Und Gaben und Tugend der letzteren träget;
So wirst du mit keiner Xantippe beleget.
Sie ärgert sich niemahls, verstellt das Gesicht,
Betrübt sich sehr selten, erzörnet sich nicht.
Ist munter und sparsam, und mehret die Güter.
Du wehlst dir warhaftig sehr schöne Gemüther.
Vergieb mir mein Scherzen, verzeihe dem Kiel,
Mein Schreiben ist jetzo ein lustiges Spiel.
Es ist nicht zu leugnen, man könte von diesen
Ein Schauspiel erdenken und lustig beschliessen,
Es käme viel artges zu Lachen mit für.
Was lachen wir aber! was suchen denn wir
Ein Schauspiel von fremden und anderen Sachen
Die uns nicht betreffen, mit Mühe zu machen?
Ich glaube jedwedens sein Leben und Lauf,
Führt selbsten ein Schauspiel gar oftermahls auf.
Freund! daß dich die Grafen vor andern verehren,
Das wird dir dein Glücke und Ehre vermehren,
Vergnüg dich darüber: die Lust ist vergönnt.
[599]
Denn welcher die Grafen gesehen und kennt,
Der muß es gestehen, Sie zieren die Erde
Durch Stand und durch Tugend, und jedermann werde
Zur Liebe und Ehrfurcht gereitzt und geführt.
So bald er sie höret, erblicket und spührt.
Saline wird herrlich durch diese geschmücket.
Das Bildniß der Weisheit ist in sie gedrücket.
Sie kennen das Wahre und Falsche so gleich,
Sie lieben die Musen und mehren ihr Reich.
Ich hab mich gewundert, daß du und mein Vetter,
In Feindschaft gerathen. O! was vor ein Wetter
Ist unter euch kommen? Ihr habt euch geliebt,
Nun aber ist plötzlich die Freundschaft zerstiebt.
Wie ändert sich alles. Wo sind wohl auf Erden
Beständige Freunde, getreue Gefehrden
Zu sehn und zu hören? wo findet man sie?
Wenn blühet die Treue? ich glaube wohl nie!
Versöhnt euch doch wieder! ich hab in eilf Wochen,
Nichts von ihm gelesen, ihr auch nicht gesprochen.
Ich wundre mich ziehmlich, warum er so schweigt.
Es bleibet dir ferner mit Freundschafft geneigt.

Den 10ten Augusti 1737

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Ein Sendschreiben [3]. Ein Sendschreiben [3]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ACC7-5