Ein ander Sendschreiben

So, so, Gelehrter Freund! so suchst du mein Vermögen
Durch deinen netten Kiel anjetzo anzuregen,
Dein Thema kan hiervon ein wahrer Zeuge seyn:
Daß eine schöne Mohrin einem schönen Europäer besser gefalle, als eine schöne Europäerin.
Wohlan so schreibe ich! Mir fällt ein Liedgen ein.
Verzeihe, daß ich dich jetzt auf den Schauplatz führe,
Und deine Liebes-Glut, doch sonder Neid berühre.
Wie? soll ein muntrer Musen-Sohn
Den Trieb der Liebe nicht empfinden?
Wie? soll der junge Coridon
Sich nicht zu ihren Dienst verbinden?
O nein! ich widerstrebe nicht.
Es fordert die Natur und Pflicht,
Ich soll ihr treuer Diener heisen.
Sie reitzet mich und andre an,
So will ich denn, so sehr ich kan,
Ihr dienen, und mich ihr nicht freventlich entreisen.
Vor ihrem Altar fällt der Held,
Der König und der Riese nieder;
Der Priester wird von ihr gefällt;
Er bringt ihr seine Sieges-Lieder.
Der Philosoph ist nicht im Stand,
Sich ihrer starken Macht und Hand
Durch seinen Witz zu widersetzen.
[530]
Die Liebe siegt nach Wunsch und Lust,
Sie weiß so gar die härtste Brust
Bevor man sichs versieht aufs schärfste zu verletzen.
Ich habe ihre Macht gesehn,
Sie hat mich an ihr Joch gebunden.
Was ist dir Coridon geschehn?
Die Liebe hat dich überwunden.
Ein schönes Kind aus Africa,
Die reitzende Dnidania
Hat mir die Freyheit weggenommen.
Ich bin, welch angenehmer Schmerz!
Durch diese Mohrin um mein Herz,
Kaum da ich sie gesehn, gegrüßt, gehört, gekommen.
Bewundert ja nicht meine Wahl
Ihr schönen Europäerinnen,
Meint nicht, ich wolte euch zur Quaal
Nur eine Mohrin liebgewinnen.
Nein! denkt nicht so von Coridon.
Es hat ja seiner Flöten-Thon
Euch, euren Ruhm und Preiß gegeben.
Drum höhnt die That nicht die ich thu:
Vergönnet mir, und laßt mir zu,
Daß meine Seele darf in einer Mohrin leben.
Das, was man alle Tage sieht,
Pflegt man so hoch nicht zu betrachten.
Die Blume, die gewöhnlich blüht,
Sieht man nicht sonderlich zu achten.
Nur rare Sachen fremde Frucht
Und seltne Schönheit wird gesucht,
Und kan die Augen nach sich ziehen.
Man siehet ja die Aloe.
[531]
Viel lieber als der Liljen Schnee
Weil jenes rares ist, in unsern Gärten blühen.
Ein angenehmer Sommer-Tag
Kan Aug und Geist in Freude setzen;
Doch daß ichs recht beschreiben mag;
So bringt die Nacht oft mehr ergötzen.
Ein blauer Himmel, den die Pracht
Der güldnen Lichter helle macht,
Die still und warme Luft darneben;
Der feurig, doch nicht heise Schein
Des Mondes, kan uns so erfreun;
Daß wir des Nachts mit Lust in grünen Schatten leben.
Sucht ihr nun eine solche Nacht
Dem Tage öfters vorzuziehen:
Was Wunder, wenn ich mich mit Macht
Will um Dnidanens Glanz bemühen?
Die schöne Mohrin kömmet mir
Gleich denen schönen Nächten für,
Die reitzend sind, und doch nicht brennen.
Erwehlt ihr immerhin den Tag
Der weisen schönen gleichen mag:
Bey meiner schönen Nacht will ich mich glücklich nennen.
Ein buntes Tuch aus Africa,
Fällt Deutschlands Schönen in die Augen.
Ein Kunstück aus Batavia,
Soll mehr als unsre Arbeit taugen.
Die Thiere, so der Mittag giebt,
Die sind bey uns weit mehr beliebt,
Als die in unsern Gränzen leben.
So ists mit den Gewächsen auch,
[532]
Wir werden einen fremden Strauch
Den angenehmsten Blick aus unsern Augen geben.
Ein Manuscript aus Mohrenland
Weis man nicht hoch genug zu schätzen.
Ein Buch aus einer fremden Hand
Kan unser Aug und Geist ergötzen.
Da nun ein unbelebtes Blat,
So viele Würkung bey sich hat;
So wird man mir es nicht verdenken:
Wenn ich mit aufgewecktem Muth,
Der Mohrin, welche Fleisch und Blut,
Und Geist und Schönheit hat, mein Herze will verschenken.
Europens Lippen, Zung und Mund,
Stehn nur nach fremdgewachsnen Speisen.
Sie wissen sie zu jeder Stund
Nicht gnug zu rühmen und zu preisen.
O was vor Schmuck und Schön und Pracht
Hat Africa uns zugedacht!
Es giebt den Jungfern Glanz und Schimmer.
Liebt ihr nun was aus Africa,
So lieb ich auch Dnidania,
Und schätze dieses Kind vors schönste Frauenzimmer.
Die Blonden Schönen, ists nicht wahr?
Kan man an allen Orten sehen.
Nur schwarze Schönen bleiben rar;
Dieß muß mir jeder zugestehen.
Weil grosser Häupter ihr Pallast
Nur solche Schönen in sich faßt;
Man sucht sie nicht an allen Enden.
Drum was ein König kostbar schätzt,
[533]
Daß ist, was meine Brust ergötzt.
Nur einem solchen Kind will ich mein Herz verpfänden.
Ich bin in Lieben delicat,
Und liebe nicht was jeder liebet.
Ich folge meinem eignen Rath
Damit mich keine Reu betrübet.
Was edel, rar und kostbar heist,
Das liebe ich mit Mund und Geist;
Dieß ist der Abgott meiner Sinnen.
Drum bleibe ich bey meiner Wahl,
Und sage ein vor allemahl:
Die Mohrin kriegt mein Herz vor Europäerinnen.
Nach schwarzen Kirschen steigt man hoch,
Und suchet sie dem Baum zu rauben.
Ja ich behaupte dieses noch,
Man greift mit Lust nach schwarzen Tauben,
Giebt nicht die ächte schwarze Tracht
Den grösten Fest- und Ehren-Pracht?
Schmückt solche nicht die Silber-Haare?
Was Wunder, wenn mir in der Welt,
Dnidania allein gefällt,
Und ich mich höchst vergnügt mit einer Mohrin paare?
Die schöne Länge der Persen,
Gang, Stellung, Nettigkeit und Mienen,
Kan dem verliebten Coridon,
Zur innersten Vergnügung dienen.
Das zierlich aufgerollte Haar,
Das schöne blaue Augen-Paar,
Muß dem, der sie erblickt, gefallen,
[534]
Was sag ich mehr? Ihr rother Mund
Und weißer Zahn hat mich verwundt!
Nur dieses holde Kind erwehl ich mir vor allen.
Vergieb mir meinen Spaß, Gelehr-Geehrter Freund!
Und denke, es sey hier so böse nicht gemeint.
Mich solte zwar jetzt nichts zu einem Scherze bringen,
Ich könte wohl mit Recht das Klage-Liedgen singen,
Das dorten Israel in Babel angestimmt,
Und abgesungen hat. Allein kein Mensche nimmt
Mir doch mein Leiden ab; So muß ich mich selbst fassen,
Und zu gewisser Zeit das Trauren fahren lassen.
Das hab ich jetzt gethan: drum schrieb ich dieses Lied.
Damit dein Auge auch das Gegen-Thema sieht,
So lies, was jetzo folgt: und merke auf mein Schreiben.

Thema.


Daß ein dummes Frauenzimmer einer gelehrten Mannes-Person besser gefalle, als ein gelehrtes Frauenzimmer.


Die Antwort wirst du mir gewiß nicht schuldig bleiben.
Die Fehler magst du mir anbey zu wissen thun.
Jetzt schreibt der Kiel nichts mehr; er schließt und siegelt nun.

Den 29. Septemb. 1736.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Ein ander Sendschreiben. Ein ander Sendschreiben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD00-A