Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte

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Auf Herrn Woywods in der Medicin erhaltene Doctor-Würde

Den 16ten des Wintermonats 1731.


Als jüngst ein süsser Schlaf, der mich noch jetzt vergnüget,
In einer stillen Nacht die Glieder eingewieget,
Sah ich im Traum ein Hauß, ich gieng auch da hinein,
Und dachte, dieß muß wohl der Götter Wohnplatz seyn.
Denn ich erblickte da ein wunderschönes Zimmer,
Wo mich der reine Gold- und helle Silber-Schimmer
Fast gar verblendete, der Edelsteine Pracht,
Bestrahlten selbiges; Indem ward aufgemacht
Ein Vorhang, der durchaus so herrlich ausgesticket,
Daß sich selbst Franckreichs Zier vor ihm zur Erde bücket;
Gleich in der Mitte saß Apollo auf dem Thron,
Sein Haupt war reich umlaubt mit einer Lorber-Kron,
Zu seinen Füssen lag ein Chor, das sich ergeben
Der Kunst der Arzeney, und was im ganzen Leben
Apollo stets verehrt, der nicht auf Stümper sieht,
Und nur die Würdigen in seinen Orden zieht.
Sie fragten ihn um Rath, und waren stets beflissen,
Aus seinem weisen Mund ein mehreres zu wissen.
Der eine fragte ihn: Was dienet vor das Haupt,
Wenn Schwindel, Schmerz und Fluß die Kräfte weggeraubt?
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Der andre bath ihn gar um die geheimsten Sachen,
Wie man ein Polychreß aus Kräuter könte machen?
Der dritte suchte Rath vor Hitze, Kramf und Gicht,
Durch was vor Mittel man den Lenden-Stein zerbricht?
Appollo gab so gleich die Antwort auf die Fragen,
Ich will ins künftige hiervon ein mehres sagen.
Indessen hatte sich, eh man es noch gedacht,
Ein muntrer Musen-Sohn vor Phöbens Thron gemacht,
Der sprach: O grosser Fürst! den Menschen sind gegeben
Zu seinen Wohlergehn, und höchst vergnügtem Leben
Fünf Sinnen, sage nun, wer unter dieser Zahl
Der allerbeste sey? eröfne du die Wahl.
Sag, welcher kan uns wohl den besten Nutzen schenken;
Und welcher solte uns am allermeisten kränken
Wofern man ihn verlöhr? Mein werthes Sinnen-Chor,
Bring dieß, sprach Phöbus Mund, mit guten Gründen vor.
Drauf fieng das Sehen an: Schaut meine Herrlichkeiten,
Wer darf mir diesen Ruhm mit Warheit wiederstreiten?
Ich gebe keinem nach, mir bleibt die Oberhand,
Wer dieses läugnen will, dem fehlt es am Verstand;
Gleich wie am Firmament zwey helle Lichter prahlen,
Die dieses ganze Rund mit ihrem Schein bestrahlen;
So bin ich ebenfals der kleinen Welt gesetzt,
Was ist doch auser mir, so das Gemüth ergötzt?
Mich pflegt des Schöpfers Mund ja selbst heraus zustreichen,
Sucht er die Vorsicht nicht den Augen zuvergleichen!
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Wer ist im Kampf und Streit nicht jederzeit bedacht,
Daß seinen Augen nichts Verdruß und Schaden macht?
Ein Blinder klagt wie dort: Wie soll ich Freude habë?
Da ich nicht sehen kan der Sonnen Wunder-Gaben.
Das Sehen schwiege still: Drum fieng das Riechen an.
Sagt an: was nützt der Mensch, der mich nicht haben kan?
Ein angenehmes Oel, wie will und kan ers brauchen:
Weil er nicht riechen kan, so läst er es verrauchen.
Des Höchste sein Geschöpf: Die Blume mancher Art,
Schaut er mit Thränen an; er spricht: die Gegenwart
Vergnüget mich zwar wohl, ach! könnt ich euch empfinden:
So solte bald mein Leid u. alle Quaal verschwinden.
Mir kömmt die Ehre zu; ich bin der Sinnen Held,
Ich weiß, daß jetzt der Sieg auf meine Seite fällt.
Das Schmecken wolte nicht dergleichen Rühmen hören,
Und sagte voller Zorn: wer kan mich wohl entbehren?
Sagt, heiß ich nicht mit Recht der angenehmste Sinn;
Was hilft es, wo ich nicht mit meiner Anmuth bin,
Was hilft es, wenn man auch die schönsten Früchte fände,
Die Gott hervor gebracht; ja füllen unsre Hände
Ein Haufen güldner Frucht aus Edens Garten an,
Was hilfts wenn man sie nicht mit Lust genüssen kan.
Ein solcher Mensch weis nicht den Unterschied zu machen,
Von dem was gut und schlimm, von süß und sauren Sachen.
Drum fällt mir jederman, das weis ich, willig bey,
Daß ich der beste Sinn von allen fünffen sey.
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Hierauf kam das Gehör, und liesse sich vernehmen:
Wer blähet sich so auf? wer denkt mich zu beschämen?
Halt! redet nicht so kühn, sonst bring ich auf die Bahn,
Daß ich an Herrlichkeit euch übertreffen kan,
Was nützet ohne mich doch aller andre Plunder?
Ich bin, es bleibt darbey, ein übergrosses Wunder.
Wird nicht der Mensch erfreut, wenn er das Harfen-Spiel
Durch mich vernehmen kan? Der Anmuth ist zu viel;
Er hört die süsse Stimm, der schönen Nachtigallen,
Vereint der Menschen Wort versteht der Lippen lallen,
Besitzet er mich nicht, so ist er sehr betrübt,
Weil mancher Aberwitz ihm lose Worte giebt:
Denn einer, der nicht hört, ist in der Spötter Händen;
Sie wissen ihn mit List viel Ubel zuzuwenden.
Er wird ins Angesicht verhöhnt und ausgelacht,
Und fast von jeglichem zum Gauckel-Spiel gemacht.
Man sagt: er ist ja taub, er hört nicht, was wir sprechen;
Was will der Narre thun? Wie will er sich wohl rächen?
Nun denket bey euch selbst, was das vor eine Pein
Und überhaufter Schmerz der Seelen müsse seyn.
Worauf das Fühlen sprach: Bezähmet euer Prahlen,
Ich will euch alle sonst, wie ihr verdient, bezahlen;
Wenn ich vor diesem Thron und dieser werthen Schaar,
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Erzehle was mich ziert; es ist ja offenbar,
Wie groß das Unglück sey, wenn einer fühl-los lieget,
Und von dem Schlag gerührt, sich zu der Erden bieget,
Man stößt und greift ihn an, und er empfindet nicht;
Soll der nicht elend seyn, dem es an mir gebricht?
Wer aber mich besitzt, der brauchet seine Glieder,
Zu was, und wie er will, an jedem Morgen wieder.
Drum heist man mich mit Recht der Sinne Haupt und Kron?
Entscheid uns Phöbus nun von deinem hohen Thron.
Drauf bath das ganze Chor, Apollo möchte schliessen,
Und seinen Weisheits-Strom in dieser Sach ergiessen;
Allein es sprach sein Mund: Ich hab es schon bedacht,
Der Schluß wird nicht von mir in diesem Streit gemacht;
Ich lasse dem den Ruhm, der heute disputiret,
Und Den ein Doctor-Hut und güldner Ring gezieret.
Drauf waren viel bemüht den Vorhang aufzuziehn.
Der Ausspruch schien gerecht, den Phöbus Mund verliehn;
Kaum war der Vorhang weg, so sah man Wunder-Dinge;
Indem ein Schlesier den Hut und Ring empfienge.
Hier fieng Apollo an: Der soll der Richter seyn,
Gieb werthgeschätzter Sohn nur deinen Willen drein.
Als man ihm drauf erzehlt der Sinne Streit und Willen,
So sprach sein kluger Mund, ich will sie freundlich stillen.
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Des grossen Schöpfers Rath, der alles wohl bestellt,
Macht keinen Unterscheid, er achtet, schätzt und hält
Dieselben alle gleich; weils seine Werke heisen,
So spricht er, sie sind gut, ein jedes kan mich preisen.
So hält ingleichen auch ein Mensch sie alle werth,
Weil er dieselben braucht. Wer ist wohl, der begehrt,
Daß eins von selbigen solt seinen Leib verlassen?
Kurz, da er solche braucht, wie kan er sie denn hassen?
Er findt an ihrem Wohl recht innigliche Lust,
Ist eines davon krank, so leidet seine Brust;
Er fühlt den herbsten Schmerz, er seufzt und ist betrübet,
Sein Geist hat keine Rast, dieweil er alle liebet.
Er ruft und fleht den Arzt, und spricht ihn schmerzlich an,
Daß er ihm helfen soll, wofern er helfen kan.
Dann muß ein weiser Arzt auf kluge Mittel denken,
Die vorge Stärk und Kraft dem kranken Sinn zu schenken.
Drum faß ich alles kurz, und sage mit Bedacht:
Mir sind sie alle gleich, von mir wird nichts veracht.
Hört Sinnen! höret auf zu streiten und zu zanken,
Der Schluß ist schon gemacht, verändert die Gedanken.
Weil ihr Geschwister seyd, und gleichen Dienst verricht,
So schickt sich auch vor euch dergleichen Zwietracht nicht.
Apollo sprach hierauf: Mein Sohn, du hasts getroffen,
Drum steht dir auch die Thür zu hohen Ehren offen;
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Hier hast du meine Hand, ich wünsche Dir viel Glück
Zu deinem Doctor-Hut! drauf wich er bald zurück.
Die Sinne waren auch bey diesem Schluß vergnüget,
Und sagten: jeder hat im Streiten obgesieget;
Dann sprach das ganze Chor: Besinget dieses Fest,
Das uns Apollens Huld vergnügt begehen läst.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf Herrn Woywods in der Medicin erhaltene Doctor-Würde. Auf Herrn Woywods in der Medicin erhaltene Doctor-Würde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD0F-C