Ob die Jugend mit der Tugend schwesterlich verknüpfet sey? Diese Frage fiel mir eben an dem Neuen Jahre bey, welches Hofrath Juchens Kind, Jungfrau Jungfrau Magdalene, (da der Neid auch selber spricht: niemand tadelt diese[293] Schöne.) mit vergnügten Augen siehet, und des Festes Jubel hält. Hat in diesen schlechten Zeilen vorgelegt und dargestellt

1734.


Hochgeehrtes Frauenzimmer!
Diese Frage fällt mir bey:
Ob die Jugend mit der Tugend schwesterlich verbunden sey?
Eingermaßen lehrt die Zeit, daß sie Beyde keine Schwestern,
Denn die Jugend sucht ja oft auf der Tugend Glanz zu lästern.
Wo die Jahre denen Rosen und Narcissen ähnlich blühn,
Da muß oftermahls die Tugend in dem Streit den kürzern ziehn.
Jene Jungfer steht und liegt täglich wohlgebrüst am Fenster,
Und durchhechelt und verhöhnt alle lebende Gespenster.
Da kriegt ihre Tadel-Zunge freyen Lauf und sichern Paß.
Bald verlacht sie Gang und Mienen, und bald wieder dieß und das.
Jene liebet, ehrt und grüßt nur die jungen Manns-Personen,
In der Hoffnung, Cypripor würde sie nach Wunsch belohnen.
Eine andre gleicht den Pfauen, und macht alle Moden nach;
Diese suchet ihr Vergnügen, wo? im Ruh- und Schlaf-Gemach.
Die gewöhnet sich an dieß, was dort Evens Mund ergötzet,
Und wodurch sie ihren Schmuck, Ehr und Herrlichkeit verletzet.
Eine andre hat Xantippen sich zur Führerin ersehn,
Die will auf dem Weg der Klugheit nicht, wie sichs gebühret, gehn.
O! wer forscht die Fehler aus, so die jungen Jungfern tragen,
Die sich wohl derselbigen auch im Alter nicht entschlagen.
Meinem eigenen Geschlechte will ich wohl kein Heuchler seyn,
Ihre Mängel zu bedecken schick ich keinen Mantel ein.
Eine jede sey bedacht, wie sie Fehl und Laster meide,
Und sich mit dem Tugend-Rock alle Tage überkleide.
Salomon der weise König stellt in seinem Regel-Buch
Eine Jugend ohne Tugend als ein Maal und einen Fluch,
Ja als einen Schand-Fleck vor; er läst die Vermahnung hören,
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Daß die Jugend sich doch nie von der Tugend möge kehren.
Ob nun wohl kein Zweifel bleibet, und der Satz gegründet ist,
Daß die Jugend oft sehr selten ächte Tugend liebt und küßt;
Ey! so wird doch wohl kein Mensch auch bey diesen schlechten Zeiten
So bethört und kühne seyn, die Erfahrung zu bestreiten,
Daß noch manche edle Schöne, wo der Jahre Frühling blüht,
Sich um die geliebte Tugend von der Wiegen an bemüht.
Selbst der Schöpfer dieser Welt bindet sich mit seinen Gaben
Nicht an die, so Männer-Muth, oder Silber-Haare haben;
Nein, er theilet seine Güter auch den zarten Seelen mit,
Daß ihr Fuß nur auf die Wege tugendreicher Herzen trit.
Will man ein Exempel sehn derer, so die Tugend suchen;
Ey! so richte man sein Aug auf die Edle Jungfrau Juchen.
Wie bey diesem Frauenzimmer (wer ist, der wohl dieß verneint?)
Sich die Jugend mit der Tugend fest verbindet und vereint,
Wer nur das Vergnügen hat, Schönste! mit dir umzugehen,
Wird, was hier die Feder setzt, frey mit Geist und Mund gestehen,
Selbst auch Zoil muß bekennen: Hofrath Juchens andres Kind
Sey ein Weibsbild, das die Jugend mit der Tugend fest verbindt.
Was betagtes Jungfer-Volk von der Tugend einfach träget,
Ist Dir in der Jahre May zweyfach reichlich beygeleget.
Werthgeschätztes Frauenzimmer! Da sich nun das Neue Jahr
Heute unsern Grenzen nahet, ey! so würd ich offenbar
Wieder schuldge Höflichkeit und derselben Regeln kämpfen,
Wenn ich, Dir den Wunsch zu thun, meine Regung wolte dämpfen.
Dir/ o schönem Tugend-Kinde! wünsch ich von dem Sternen-Pol
Zu dem Werthen Neuen Jahre alles Glück und alles Wohl!
Deine Jugend, Ehr und Ruhm müß bis an die Himmels-Achsen,
Zu der Theuren Eltern Freud, und Dir zum Vergnügen wachsen.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Ob die Jugend mit der Tugend schwesterlich verknüpfet sey. Ob die Jugend mit der Tugend schwesterlich verknüpfet sey. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD56-C