Der 143. Psalm
Ode.
HERR! des Himmels und der Erde,
Sieh! ich wende mich zu dir,
Damit ich getröstet werde,
Denn mein Geist ist ausser mir.
Herr, mein Schöpfer! komm und kehre
Dich zu meinem Klag-Geschrey
Ach! vernimm doch! ach! erhöre
Mein Gebeth, und steh mir bey.
HERR! um deiner Wahrheit willen,
Da du Beter hören wilt,
Wollest du dein Wort erfüllen,
Welches meinen Jammer stillt!
Herr! du bist gerecht, drum höre,
Meine Seufzer gnädig an.
Es vermehrt ja deine Ehre,
Wenn der Mensch dich preisen kan,
[147]
Meiner Sünden grosse Menge
Schreyen Rache über mich;
Doch verfahr nicht nach der Strenge,
Herr! Ach! schone gnädiglich.
Geh mit mir nicht ins Gerichte:
Denn ich kan ja nicht bestehn.
Zeigst du mir dein Zorn-Gesichte,
O! so muß ich untergehn.
Sieh; der Feind verfolgt mein Leben;
Meine Seele drückt er scharf;
Ich muß an der Erde kleben,
Weil er mich darnieder warf.
Sieh! er leget mich in Schatten,
Wie die Todten in der Welt.
Komm, mein Schöpfer! hilf mir Matten,
Daß mein Geist den Sieg erhält.
Sieh! wie ich geängstget werde;
Und mein Geist gequälet wird,
Wie betrübt ich mich geberde,
Und mein Herz nach Hülffe girrt.
Es ist ganz in mir verzehret,
Und von vielen Seufzen schwach.
Ach wenn werd ich doch erhöret!
Hemme meinen Thränen-Bach.
Ich gedenk der ersten Tage,
Da du mich so oft erhört,
Da du manche Noth und Plage
Gnädig von mir abgekehrt.
Deine Thaten, deine Werke
Hab ich oftermahls gesehn.
Darum mich auch jetzo stärke,
Daß ich kan dein Lob erhöhn.
Sieh! wie ich so sehnlich bethe,
Wie ich winßle, klag und fleh!
Wie ich glaubig vor dich trete!
Herz und Hand reicht in die Höh.
[148]Meine Seele dürst nach Seegen
Gleich wie ein verdorrtes Land
Nach den kühlen Abend-Regen.
Hilf! der Schmerz nimmt überhand.
HERR! erhöre mich beyzeiten;
Eh mein Geist vor Angst vergeht.
Zeige dich mir nicht von weiten,
Wenn mein Herz um Gnade fleht.
Laß mich deine Augen schauen,
So werd ich nicht denen gleich,
Die das Haus der Todten bauen,
Sondern werd an Freude reich.
Wende meine Angst und Sorgen!
Denn ich traue dir allein.
Höre mich am frühen Morgen!
Höre mich beym Monden-Schein!
Laß mich nicht vergebens ächzen,
Sondern merk auf meine Bitt!
Theil mir nach so heisen Lechzen
Endlich deinen Seegen mit.
Reiß die Seele von den Stricken
Dieser Eitelkeiten loß;
Laß mich stets dein Licht erblicken;
Mach mich an Erkäntniß groß.
Zeige mir, wie ich soll wandeln:
Denn ich richte mich nach dir.
Mich verlangt gerecht zu handeln;
Denn dieß forderst du von mir.
Sieh! wie meine Feinde toben,
Schau an, wie sie sich erboßt.
Doch mein Gott! du Herr dort oben!
Bist in ihrem Grimm mein Trost.
Herr, errette mich von ihnen:
Denn ich ruf dich sehnlich an.
Wilst du mir hierbey nicht dienen;
O! so ists um mich gethan.
[149]
Lehre mich nach deinen Willen,
Wort und Wohlgefallen thun:
Denn mein Wünschen und Erfüllen,
Soll auf deinen Wink beruhn.
Du mein Gott! und meine Freude!
Gieb mir deinen guten Geist,
Daß ich alle Wege meide,
Die du mir nicht gehen heist.
Deines grossen Namens wegen,
Stärke und erquicke mich!
Komme mir mit Trost entgegen;
Und erhör mich gnädiglich;
Herr! du bist gerecht in allen,
Darum führ mich aus der Noth.
Laß nicht meine Seele fallen,
Sondern führ sie aus dem Tod.
Herr! erzeig mir deine Gnade,
Und zerstöhr der Feinde Schwarm.
Daß mir ihre List nicht schade;
Stürze sie mit deinem Arm.
Denen die mich ängstgen, quälen,
Und mir stets zuwieder sind,
Laß den bösen Anschlag fehlen,
Denn ich bin dein treues Kind.