Versuch eines Wald-Gedichts, bey der vergnügten Herbst- und Wald-Lust des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Herrn Ernst Augusts Herzogs zu Sachsen etc. und der Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen, Frauen Sophien Charlotten Albertinen, in Ilmenau, mit unterthänigster Ehrfurcht unternommen

den 6ten des Wintermonats 1737.

Nächst kam ich ohngefehr ins Feld vor Ilmenau,
Die Luft war dazumahl schon ziemlich frisch und rauh;
Die Nächte nahmen zu; des Titans güldner Wagen
Ließ sich bey früher Zeit zur Amphitrite tragen.
Ich fand in dieser Flur was Ernst August dem Held,
Und seiner Augenlust Charlotten wohlgefällt.
Die Sonne wolte gleich durch Duft und Wolken brechen;
Sie kunte zwar nicht so, als wie im Sommer stechen:
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Doch war so Luft als Feld bequem und lieblich warm;
Es sumte hier und da ein muntrer Schnacken-Schwarm,
Um noch den Uberrest des Sommers zu geniessen.
Hier sah ich schnell und klar die Ilm im Grunde fliessen;
Dort lag das Wollen-Vieh an Bergen ausgestreckt,
Und wurde von dem Strahl des Sonnen-Lichts bedeckt.
Hier sprang ein schmachtend Reh durch die fast leeren Felder,
Und dort ein jagbar Thier in seine Tannen-Wälder.
Dieß immer grüne Haus der Vögel lockte mich
Durch seine Lieblichkeit aufs reitzende zu sich;
Des Waldes schwarze Nacht ergötzte mein Gemüthe.
Kaum da mein leichter Fuß in diesen Forst geriethe;
So wars, als wär ich auch in einer andern Welt,
Wo man die Thiere selbst vor ganz vernünftig hält.
Zwar, wenn wir einigen der Weisen glauben sollen,
Die eine Aehnlichkeit an Thieren finden wollen,
Was die Vernunft betrift, die uns der Schöpfer schenkt,
So bleibt es wohl dabey, daß jedes sinnt und denkt,
Und zwar nach seiner Art; doch kans den Sinn der Seelen
Durch Sprach und rede nicht so wie der Mensch erzehlen.
Allein in diesem Forst sprach Vogel, Hirsch und Thier;
Eins trug dem anderen des Herzens Meinung für;
Furcht und Verwunderung nahm meinen Geist gefangen,
Ich dachte: Mein! wohin ist jetzt dein Fuß gegangen?
Wo bist du hingerückt? O! was vor eine Welt
Ist diese, wo das Vieh gleich Menschen-Sprache hält?
Was jener freye Kopf in Holland einstens lehrte,
Als könt er, wenn er nur der Thiere Stimme hörte,
Dieselben gleich verstehn, das traf hier würcklich ein.
Ich dachte, solte hier der Circe Hofstadt seyn?
Wo ist ihr Zauber-Stock? wo ist sie hingekommen?
Hat irgend ein Geschlecht den Trank zu sich genommen,
Der dort Ulyssens-Volk in Thiers-Gestalt verkehrt?
Sinds Menschen oder nicht, die man hier reden hört?
Wie? oder hat der Fürst und Seegens-Herr der Fluren
Die Wälder wiederum mit neuen Creaturen
Und Thieren angefüllt? So sprach ich ganz verwirrt,
Und eilte von dem Ort, allwo ich mich verirrt.
Doch endlich faßte ich den Vorsatz still zu stehen,
Und, wenn der Pan auch käm, nicht aus dem Wald zu gehen.
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Ich schlich dem Hirsch und Thier/ der Sau und Haasen nach,
Und forschte ganz genau was dieß und jenes sprach.
Der Hirsch nahm Weide an, das Thier stund gleich darneben;
Er sprach: Du weist, August, der dir und mir das Leben
Schenkt, schützet und erhält, ist unsrer Wohnung nah.
Er kömmt noch heut herein; ich glaub Er ist schon da.
Wie glücklich sind wir doch in Seinem Forst zu wohnen;
So muß uns mancher Feind mit seiner Tück verschonen.
Es singt die ganze Welt von unsrem Held August,
Wie Er der Fürsten Zier, des Vaterlandes Lust,
Der Unterthanen Schutz, der Künste Vater heiset,
Und der Gelehrten Schweiß nach seiner Einsicht preiset.
Wie sehnt sich Ilmenau nach Seiner Gegenwart!
Wie lange haben wir auf unsrem Held geharrt!
Wie haben wir gewünscht, Sein Angesicht zu sehen,
Um nur zu Seiner Lust vor Seinem Schirm zu stehen.
Komm Theuerster August! bring Albertinen mit!
Wir warten Euer schon; verdoppelt Euren Schritt!
Kommt Beyde, zieht gen Holz, und jaget uns entgegen,
Wir lassen uns von Euch mit tausend Lust erlegen.
Komm Held! gieb mir den Fang, ich sterbe gern vor Dir;
Den Tod von Deiner Hand erwart ich mit Begier.
Das Wild fiel ihm ins Wort. Komm Ernst undAlbertine!
Komm eile ins Gebürg, es ist ja immer grüne,
Und voller Lieblichkeit. Wie lang, wie lang hast Du
Uns nicht allhier besucht. Wirf uns Dein Auge zu.
Komm! komm! Durchlauchtster Held! mit Deiner Amazone
Die unser Land erfreut, und wohl mit Recht die Krone
Von allen Schönen heist. Erhebt Euch in den Wald!
Die Thiere sehnen sich nach Euren Aufenthalt
In diesen grünen Haus; kommt! jagt und macht Euch fertig!
Wir sind zu Eurer Lust und Dienst schon gegenwärtig.
Diana wartet dort auf jener Tannen-Höh,
Damit sie ihren Fürst, den andern Nimrod seh.
Jag mich, wohin Du wilst; ich wünsche auch darneben
Von Deiner Hand, vor Dir, den Geist von mir zu geben.
So schätz ich mich beglückt, wenn mich bey Wein und Most
Dein hoher Fürsten Mund auf deiner Tafel kost.
Das Wild wärd von dem Reh in ihrem Wunsch gestöhret,
Es sprach: August, der Held, den alle Welt verehret;
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August, der weise Fürst; der klug und tapfre Held;
Der gnädigste Regent der auf die Warheit hält;
Der treue Diener liebt; Gelehrten Fleiß belohnet;
August, in Dessen Brust die Vater-Liebe wohnet;
Der voller Großmuth ist; Der selbst nach allen fragt;
Der, was Er einmahl spricht, und was Er zugesagt,
Nach Fürsten-Art auch hält; Der grosse Held von Sachsen,
In dessen Schutz auch wir in diesem Lusthaus wachsen,
Ist unserm Forste nah, der sich so lang nach Ihn
Und Seinem Glanz gesehnt. Held! sieh, wie lieblich grün,
Dein Gickelhängen ist, das sehr nach Dir verlanget.
Dein Schloß zu Stietzerbach, das auf der Höhe pranget
Wünscht gleichfals Dich zu sehn; wir warten Deiner da.
Wir rufen: komm August! das Echo saget ja!
Des Echo süsses Wort erfüllt die finstern Wälder:
Und dringet durch die Luft, durch Wiesen, Thal und Felder.
Komm Grosser Ernst August! nach DeinemFinsterberg,
Ich weiß, wir sind daselbst Dein liebstes Augenmerk.
Giebts auch gleich Nöngen da von schlank und leichten Füssen.
Gefällt es aber Dir daselbst nach mir zu schiessen.
So geb ich Dir mit Lust mein kurzes Leben hin,
Weil ich so dann bey Dir auf deiner Tafel bin.
Drauf sprach ein schlagend Schwein: Ich warte mit Ergötzen,
Daß mich Augustens-Hand mög börsten oder hetzen.
Bring mich in den Bezirk; hab Deine Lust an mir.
Vergnüge Dich nach Wunsch! und lauf ich schon vorDir;
So thu ichs darum nur, daß ich die Jagt vermehre,
Und Dich mit Deinem Horn noch länger seh und höre;
Und hast Du Deine Lust nach Wunsch an mir gebüßt,
Dann ist es Zeit, daß sich vor Dir, mein Leben schließt.
Ein Fuchs fieng bellend an: Ein Fürst lernt auch beym Jagen
Die Kunst der Tapferkeit, und seinen Feind zu schlagen.
Das Jagen heist mit Recht der Fürst und Herren-Lust,
Was wunder ist es denn, das sich Augustens Brust
Vergnüget und erfreut. Held eil aus Deinem Zimmer!
Erhebe Dich hieher! Verfolg und hetz uns immer!
Der Jagd-Hund freut sich schon, auf diese Lustbarkeit.
Auf Held! was säumest Du! wir sind zur Jagd bereit!
Der Fuchs ward unverhofft in dem Gespräch gestöhret:
Das schnelle Feder-Volk, das durch die Lüfte fähret,
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Nahm seine Zelken ein und hub zu singen an,
Und zwar so rein, so schön als man nur wünschen kan.
1.
Vater unsers Vaterlandes!
Theurer Herzog Ernst August!
Gönn den zwitschernden Sirenen,
Die sich heftig nach Dir sehnen,
Durch Dein Anschaun Freud und Lust.
O! wie lange, o! wie oft
Haben wir auf Dich gehoft!
Komm du Zier des Fürsten-Standes!
Vater unsers Vaterlandes!
Grosser Herzog Ernst August!
2.
Deine Fürstin Albertine,
Die das Land mit Prinzen schmückt,
Bring auf deinem Fürsten-Wagen
Mit ins Tannen-Haus getragen
Daß sie unser Aug erblickt.
Komm zu uns aus Ilmenau!
Ist die Luft schon kalt und rauh,
O! so ist der Wald doch grüne.
Komm mit Deiner Albertine!
Die das Land mit Prinzen schmückt.
3.
Auf den Zelken, auf den Zweigen
Warten wir auf Deinen Gruß.
Hör! wir singen Dir zum Preise:
Wilst Du aber uns zur Speise;
So erleg uns durch den Schuß.
So ist unser Leib beglückt,
Weil er Deinen Mund erquickt.
Auf den Bäumen, die sich beugen,
[462]
Auf den Zelken, auf den Zweigen
Warten wir auf Deinen Gruß.
4.
Ernst August, der Held von Sachsen,
Und Sophia Sein Gemahl,
Und Sein Erb-Prinz müsse leben,
Und dem Glück im Schoße schweben.
Gott vermehr der Prinzen Zahl.
Ja, so lang ein Baum noch steht,
Und im Herbst ein Lüftgen weht,
Müß das Haus von Weymar wachsen
Mit August, dem Held von Sachsen,
Und Sophien Sein Gemahl.
Im Augenblick erschien Augustus mit Sophieen;
Ich sah Sein Jäger-Volk aufs schönste mit Ihm ziehen:
Da klang durch Luft und Wald ein angenehmer Thon.
Drauf gieng die Waldlust an; ich aber schlich davon,
Damit mich niemand möcht erblicken oder hören,
Um Meinen Held August nicht in der Lust zu stöhren.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Versuch eines Wald-Gedichts. Versuch eines Wald-Gedichts. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD7C-7