Was hast du Seele, mit der Erden

Uber den 4ten und 5ten Vers, des 37ten Psalms

Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben was dein Herz wünschet. Befiel dem Herrn deine Wege, und hoffe auf ihn: Er wirds wohl machen.


Ode.


Was hast du Seele, mit der Erden,
Die doch mit Jammer und Beschwerden
Und Müh umringet ist, zu thun?
Sind denn nicht alle ihre Schätze
Der Delila gebrauchte Netze?
Dein Haupt kan hier nicht sicher ruhn.
Hinweg mit ihr! zerreiß die Stricke,
Wormit dein Geist gebunden ist!
Dein Herz hinauf gen Himmel schicke,
Zu deinem Heyland Jesus Christ.
[129]
Hinweg mit diesem Weltgetümmel!
Mein Geist erhebt sich nach den Himmel,
Wo meine Lust und Freude wohnt.
Hier find ich meiner Seelen Wonne,
Mein Licht und meines Lebens Sonne,
Die mich vor manchen Fall verschont.
Hier find ich den, der mich geliebet,
Und mich mit seinem Blut erlößt:
Und wenn mich Welt und Kreutz betrübet.
Mit seiner Huld und Gnade tröst.
An deinen väterlichen Armen,
An deiner Wahrheit und erbarmen,
An deiner aufgestochnen Brust;
An deinen Gaben, die du giebest,
Und wie du mich so treulich liebest,
Hab ich nur meine Freud und Lust.
Du kenst mein Herz, du bist mein Zeuge,
Wie sich mein Geist an dir erfreut!
Biß ich mein Haupt zum Grabe neige,
Bleibt nur der Himmel meine Freud.
Was reichst du nicht nach deiner Güte
Dem Leib, der Seele, dem Gemüthe
Vor manche theure Wohlthat hin!
Mein Herr in diesem armen Leben
Bist du weit freudiger zu geben,
Als ich bereit zu nehmen bin.
Es liegt an mir, ich soll nur bitten,
Ich soll nur erstlich zu dir schreyn;
So wird gewiß auf meine Hütten
Dein Seegen aus dem Himmel schneyn.
[130]
Du giebst mir was mein Herz begehret,
Was meine Seele speißt und nehret,
Und was sie ewig glücklich macht.
Die drey berühmten Erden-Götzen,
Daran die Sünder sich ergötzen,
Mein Geist nicht wünschet, noch betracht.
Ich wünsche nur ein frommes Leben,
Und bitte um dein heilgen Geist:
Und dieses wirst du mir auch geben,
Weil du mich darum bitten heist.
Du bist der Herr, der mich gemachet,
Das Auge, das die Welt bewachet;
Und also siehst du auch auf mich.
So wirst du dann an jeden Morgen
Vor mich dein arm Geschöpfe sorgen.
Dieß wünsch ich, darum bitt ich dich.
Ich bitte: steure allem Bösen,
Der Teufel sitzt ja nimmer still.
Komm! sey bereit mich zu erlösen,
Wenn mich ein Unglück stürzen will.
Hab acht auf mich, erbarm dich meiner,
Denn auf der Erden ist ja keiner
So gütig und so stark als du.
O Vater! sieh von deiner Höhe,
Wies um die Noth der Deinen stehe.
Wirf ihnen einen Seegen zu.
Du hast ja starker Gott vor diesen
Der Kinder Thränen angesehn,
Und ihnen deine Gnad erwiesen.
So komm auch jetzo beyzustehn.
[131]
Gieb acht mein Herr auf meine Stege,
Denn ich befehl dir meine Wege,
Mein Leben, Wandel, Amt und Stand.
Herr! Ich befehl dir meine Sachen,
Mein Kreutz und Leiden, Thun und Machen.
In deine gütge Allmachts-Hand.
In Hofnung, Glauben und Vertrauen,
Und wahrer Herzens-Zuversicht
Will ich auf deine Worte bauen:
Du läßt gewiß die Deinen nicht.
Wem könt ich wohl mein Werk und Leben
Und Wege besser übergeben,
Als meines Vaters Wunderhand?
Gott ist sehr gnädig und gelinde,
Er weichet nicht von seinem Kinde,
Er sorgt vor Leben, Seel und Stand.
So nimm denn alle meine Sorgen
Mein Herr und Vater auf dich hin;
So weiß ich, daß ich an den Morgen,
Und auch am Abend glücklich bin.
Mich soll von deiner Furcht nichts spalten:
Ich will getreulich bey dir halten,
Und schlägst du mich auch noch so sehr.
Du kanst es auch durch Kreuz und Weinen
Nicht schlimm und böse mit mir meinen,
Weils wider deine Liebe wär.
Ich bin dir in die Hand geschrieben,
Mein Name steht im Lebensbuch.
Dieß wiederspricht des Sattans Trieben,
Und giebt mir Kraft und Trost genug.
[132]
Solt dieses nicht mein Herze stillen,
Daß ohne deinen heilgen Willen
Kein Haar von meinem Haupte fällt!
Wie könte denn ein Kreuz und Leiden,
Ein Unglücks-Fall ein giftig Neiden,
Und was mich sonst gebunden hält;
Was mich erschrecket und betrübet,
Ohn Gottes Wink bey mir entstehn?
Drum wird er auch im Kreuz geliebet,
Gleich wie es bey dem Glück geschehn.
Wenn alles auf mich blitzt und stürmet;
So werd ich doch von dir beschirmet,
Denn deine Gnade steht mir bey.
Drum bin ich stille und gelassen,
Und weiß mit Gott mich wohl zu fassen.
Ich glaub an seine Vaters-Treu.
Was soll ich murrn und ängstlich klagen
Da mich Gott nicht verlassen will;
Was soll ich zweifeln und verzagen,
Da mich Gott nicht versäumen will!
Drum hoft mein Herz und mein Gemüthe
Getrost auf seine Wunder-Güte,
So lange bis sie mich erhört.
Ich hoffe, bis mich sein Erbarmen
Wird hören, seegnen und umarmen;
Bis sie mir Hülff und Trost beschert.
Ich wart und hoffe in der Stille,
Biß Gottes Gnaden-Seiger schlägt,
Da er mir denn aus seiner Fülle
Den schönsten Seegen auf mich legt.
[133]
Die Weisheit, die er längst besessen,
Hat warlich meiner nicht vergessen,
Die weiß schon, wenn sie helfen soll.
Ich weiß, der Herr wird meine Sachen
Nach seiner Weisheit herrlich machen.
Mein Herz ist dieses Glaubens voll.
Wohlan! so lasse ich in allen
Zu meinem Heil, zu seinem Preiß,
Mir seine Fügung wohlgefallen,
Dieweils Gott wohl zu machen weiß.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Geistliche Gedichte. Was hast du Seele, mit der Erden. Was hast du Seele, mit der Erden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD9B-1