Auf die Gruft des weyland Hochwohlgebohrnen Herrn Christoph Friedrich von Gottfarth, Hochfürstl. Sachsen-Weymarischen Obrist-Lieutenants bey der Infanterie, welcher den 4. Christmonat 1736. im 63. Jahre seines ruhmvollen Alters den Weg alles Fleisches gienge, warf dieses Cypressen-Blat

In fremden Namen.

Ode.

O was erschreckt mich vor ein Licht!
Da ich im sanften Schlafe liege!
O fürchterliches Nacht-Gesicht!
Wodurch ich mit der Angst aufs allerschärfste kriege.
Ich seh, daß eine fremde Hand
Das Mene, Mene leise schreibet.
Wer sagt mir, wer macht mir bekannt?
Wen hier der Tod wohl meint? wen er von hinnen treibet?
Ach! wenn nur diese Hand und Schrift,
Nicht meine liebsten Freunde trifft!
Vergebne Furcht! es ist ein Traum,
Und ein betrüglich Nacht-Gesichte;
Allein der Morgen zeigt sich kaum,
Die Sonne prangt noch nicht in ihrem Glanz und Lichte?
So trift das Nacht-Gesichte zu.
Ich höre meine Schwester klagen:
Die Todes-Hand stöhrt meine Ruh,
Und reißt mein Liebstes fort, und wills zum Grabe tragen.
Ach! solte dieß wohl möglich seyn?
Wie? trifft mein Traum so plötzlich ein?
Ja! ja mein werther Freund ist tod!
Der Lebens-Faden ist zerschnitten.
Ich sehe nun zu meiner Noth
Die Helden vom Geschlecht zu seiner Leiche bitten.
Mein Theurer Schwager ist entseelt,
Und steht nun auf dem Schau-Gerüste:
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Ich weiß, wie mich sein Sterben quält!
O wenn ich meinen Schmerz nur auszudrücken wüßte!
Wie groß ist doch mein Herzeleid!
Wie schwer ist mir das Trauer-Kleid!
Das Haus, so mich bisher vergnügt,
Ist nun ein Schau-Platz harter Plagen,
Wohin sich nur mein Ohr verfügt,
Da hör ich ein Geschrey, da spühr ich nichts als Klagen.
Die Wittwe ringt der Hände Paar,
Und wäschet sie mit heisen Thränen.
Dort nimmt man treue Freunde wahr,
Sie seufzen innerlich, man hört sie ängstlich sehnen.
Die seinen Umgang hoch geschätzt,
Die werden jetzt in Leid gesetzt.
Wie oft fiel mir zu glauben schwer,
Daß in den hohen Stufen-Jahren,
Ein Held bey einem tapfren Heer
Solt in die düstre Gruft, und zu den Vätern fahren.
Nun aber weiß ich zu gewiß,
Daß solch ein Jahr die Helden raubet:
Jetzt lehret mir der harte Riß,
Des werthen Gottforts Tod, was ich sonst nicht geglaubet.
O! daß dieß Stufen-Jahr zur Gruft,
Die klug und tapfern Helden ruft.
So viel du Ahnen hast gezehlt,
Und deinem Sarg jetzt Wappen schmücken,
(Die Wahrheit welche niemahls fehlt,
Wird jetzo auf mein Wort das Ja und Siegel drücken,)
So viele Tugenden hast du
Enseelter Schwager! auch getragen.
Dein edles Herz gab niemahls zu,
Nur einen einzigen den Zutrit abzuschlagen.
Dein Geist hat sich zu aller Zeit
An deinen Tugenden erfreut.
Du lachtest, wenn ein Cavalier
Auf Wappen, Stand und Ahnen pochte.
Und nicht mit sehnlicher Begier
Der Tugend sich ergab, und vor ihr Wachsthum fochte.
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Du kuntest, einem Tugend-Feind
Nie deine Gunst und Freundschaft gönnen.
Wer Tugend liebte, war dein Freund,
Und hat sich deiner Huld nach Wunsche rühmen können.
Du wußtest, daß der Tugend Pracht
Verherrlicht und unsterblich macht.
Was seh ich dort bey deinem Sarg?
Was spühr ich da vor Klage-Weiber?
Ach! jede weint ja gar zu stark!
So Boy als schwarzer Flor verhüllt Gesicht und Leiber.
Was soll dieß seyn? das Tugend-Chor,
Das ihres Freundes Tod vernommen,
Ist jetzt in solchem Trauer-Flor
Zum Sarg und Leich-Gepräng, voll Thränen angekommen.
Sie stehen allerseits allhier,
Und weinen schmerzlich über dir.
Die Gottesfurcht beklagt den Sohn,
Der sie von Jugend auf geliebet.
Die Redlichkeit vermißt die Kron,
Indem ihr Gottforths Mund den kalten Abschied giebet.
Wie weint nicht die Bescheidenheit
Bey dieses Helden Grabes-Höhle?
Wie seufzet nicht die Gütigkeit?
Wie klagt die Großmuth nicht um dich, erblaßte Seele!
Die Tapferkeit beseufzt den Held,
Der jetzt aus ihren Armen fällt.
Wie? ist der Tod so frech und kühn,
Die Krieges-Helden aufzufodern?
Wie? sollen sie auch mit ihm ziehn?
Soll ihre Sieges-Hand und tapfrer Arm vermodern?
O! daß der Tod nicht Helm und Schwerdt,
Und Degen, Bley und Pulver fliehet,
Und Rittern durch das Herze fährt,
Und sie dann mit Triumph vom Erden-Kampf-Platz ziehet.
Ein einzger Sensen-Schlag bekämpft
Den Held, der manchen Feind gedämpft.
Allein so wenig sich der Held
Vor Dampf und Schwerdt und Blute scheuet;
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So wenig er in ofnem Feld,
Und mitten in Gefahr um Gnade zaghaft schreyet;
So wenig fürcht er auch den Tod,
Er geht wie Agag frisch zum Sterben:
In keiner harten Krankheits Noth
Läßt er die Tapferkeit und frischen Muth verderben.
Mit einem solchen Helden-Sinn
Gieng auch mein Freund zum Tode hin.
Du lebtest ja als wie ein Held,
Und bist auch als ein Held gestorben.
Weil du dich nie verzagt gestellt,
So hast du auch im Tod den Helden-Ruhm erworben.
Ja weil dein Wandel Tugendvoll,
Und jedem angenehm gewesen:
So wird man, wie man billig soll,
Des Theuren Gottforths Lob zum Angedenk stets lesen.
Er stirbt doch nicht, ob er schon stirbt;
Dieweil sein Name nicht verdirbt.
Sein Geist ist da nun angelangt,
Wo schon viel Sieges-Helden wohnen,
Wo er mit schönen Palmen prangt,
Gott sucht ihm seinen Schweiß, sein Kämpfen zu belohnen.
Der Leib wird aber in den Sand
Der kühlen Kammer eingesenket.
Da weiß ich, daß die Allmachts-Hand
Ihm einen sanften Schlaf und süsse Ruhe schenket.
Mir aber fällt noch etwas ein,
Dieß schreib ich auf den Leichen-Stein:
Mein Leser! sieh dieß Grabmaal an!
Betrachte, wen man hier begraben!
Hier schläft ein sehr berühmter Mann,
Und ein Nathanael, ein Held von edlen Gaben.
Ein Held, der Muth und Sich besiegt,
Der ritterlich im Feld gestritten
Der mit der Tugend nie gekriegt,
Und niemahls ihre Bahn und Gränzen überschritten.
Des Adel-Standes Schmuck und Zier,
Und Lorber-reicher Held liegt hier.
[187]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Leichen-Gedichte. Auf die Gruft des Herrn Christoph Friedrich von Gottfarth. Auf die Gruft des Herrn Christoph Friedrich von Gottfarth. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADAE-8