Ein Sendschreiben an Ihro Gnaden der Durchlauchtigsten regierenden Herzogin zu Sachsen Weymar, Frau Oberhofmeisterin, Frau von Hohendorf

Hochwohlgebohrne Frau!
Erlaubte meinem Kiel,
Vergönne meiner Hand und meinem Dichter-Spiel,
Daß es mit Freudigkett mit Ehrfurcht, ohne Grämen,
(Als ob du es verhöhnst) mög in dein Zimmer nehmen.
Vielleicht trift dich mein Blat beym Schreibe-Tische an,
Da schreibest einen Brief, woran der klügste Mann
Nichts zu verbessern sindt. Du hast Geist und Vermögen,
Den Hochgelehrtesten noch Rätzel vorzulegen.
August der Sachsen Held kennt deinen hohen Geist,
Was Wunder, wenn Er dich den Hof zu schmüchen heist.
Du bist der Damen Kron, in Weymars schönen Gränzen
Kanst du als wie ein Stern von erster Grösse glänzen.
Vielleicht gelangt mein Brief zu einer solchen Zelt
In deine edle Hand, das du Gelegenheit,
Und Raum zu dichten hast. Ich glaube, du wirst sitzen,
Und deinen netten Kiel zu einem Verse spitzen.
Fahr in der Arbeit fort! stöhr die Gedanken nicht!
Sie sind aufs edelste und schönste eingericht.
Denn weil dich, Gnädigste! ein hoher Geist regieret;
Weil dir die Weisheit selbst die Hand und Feder führet,
So kans nicht anders seyn, du schreibst ein solches Blat,
Das Leben, Geist und Witz und Feuer in sich hat.
Ich kenne deine Hand, wie sie in Prosa schreibet,
Ich weiß zugleich, wie nett sie auch die Dichtkunst treibet.
Gedanken, Ausdruck, Wort sind lebhaft, fliessend, schön,
Und alles muß zugleich der Tugend Schranken gehn.
Ich schweige, denn ich bin zu schwach dein Lob zu sagen,
Zudem so kan dein Ohr auch nichts davon vertragen.
Dein Geist haßt Schmeicheley, und nach Ulyssens Art,
Hast du dein reines Ohr vor solchen Thon verwahrt.
Dieß ist der Weisen Brauch: so handeln alle Geister,
Die aufgeklärt und groß, die ihres Willens Meister,
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Und Thorheits-Freunde sind, Wie glücklich ist der Geist,
Der nach der Weisheit tracht; sich alle dem entreist
Was nach dem Pöbel schmeckt; was niederträchtig heiset,
Und was verblendeten nur vor den Augen gleiset.
Jedoch ein solcher Geist kommt nicht von ungefehr;
Nein, er kömmt von der Hand und Huld der Allmacht her,
Dieselbe theilet nur Verstand, Vernunft und Gaben
Nach ihren Willen aus. Der Mensch der sie soll haben
Wird bey dem Anfang schon zum Werkzeug ausgerüst,
Daß er hernach ein Schmuck und Zierd der Erde ist.
Allein wie oft geschichts, (dieß ist wohl zu beklagen)
Daß ein vernünftger Geist sucht aus der Art zu schlagen.
Er brauchet den Verstand, den ihn der Schöpfer giebt
Nicht wie er billig soll; er ist in sich verliebt;
Hält sich allein vor klug; verachtet andre Lehren,
Und sucht den Nächsten nicht, noch seine Kunst zu ehren.
Er wuchert mit dem Pfund des grossen Schöpfers nicht,
Verschwendets liederlich, und ist dahin gericht,
Wie er durch seinen Witz, Verstand und Geistes-Kräfte
Den Nächstem an dem Glück, Ehr, Namen und Geschäfte
Verhindert, lästert, stöhrt. So muß sein Witz allein
Das Werkzeug seiner List, Betrug und Boßheit seyn.
Wie schön und herrlich ists, wenn auf dem Kreiß der Erden.
Die Tugend mit Verstand kan fest verknüpfet werden!
Hochwohlgebohrne Frau; und Grosse Gönnerin!
Ich kenne deinen Geist und deinen edlen Sinn,
Ich hab an deinen Thun und Wesen gern gesehen,
Das beyde jederzeit mit dir im Bunde stehen.
Dein Herz belustget sich an keiner Eitelkeit,
Woran ein kleiner Geist sich kützelt und erfreut.
Du fragst nicht nach der Art und Mode derer Damen!
Wer ist der? wer ist dies steht auch bey ihren Namen?
Das groß und würdgeVon? Was trägt der Cavalier
Vor einen Federputz? und was paßiret hier?
Was trägt der vor ein Kleid? wie setzt er seine Füsse
Wenn er zum Tanze geht? was kosten jetzt die Nüsse
Die jener Garten giebt? wie schmeckte der Coffe,
Und auch der Wein, den sie auf jener grünen Höh
Genossen und verzehrt? was macht das Kind zu hause?
Was hat die Flavia und Doris auf dem Schmause
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Vor Neuigkeit erzehlt? Wer ist denn ihr Galan?
Was zog sie vor ein Kleid bey der Visite an?
Dieß alles scheinet dir zwar eben nicht verdächtig;
Doch aber nach der Wieg, verhaßt und niederträchtig.
Du machsts, wie Seneca der weise Heyd gelehrt,
Ein Kluger diese nur zu seinen Umgang ehrt,
Die gleich mit ihm gesinnt, und andre bessern können,
Und sich durch andre auch ein gleiches Glücke gönnen,
Und theilhaft machen wolln. Berühmte Frau! Du weißt,
Wie edel uns die Zeit, wie schnell sie auch verfleußt,
Drum trachtest du sie nicht verächtlich zu verschwenden;
Vielmehr sie nützbarlich und edel anzuwenden.
Dein grosser Geist sieht tief in alle Sachen ein,
Die Tugend muß dein Licht, Verstand dein Führer seyn.
So bald du nach Gebühr dasjenige verrichtet,
Worzu du dich mit Ernst dem Sachsen-Haus verpflichtet;
So bringest du die Zeit, die dir noch übrig ist,
Nicht niederträchtig zu, du dichtest/ schreibst und ließt
Ein wohlgesetztes Buch, das nach der Weisheit schmecket,
Und dir in deiner Brust die süßte Lust erwecket.
O edler Zeitvertreib! Wie freut sich da der Geist,
Wenn man ihn also labt, erquicket, nehrt und speißt!
Ein schön und geistreich Buch, und ein Gespräch mit Leuten,
Die gleichwie wir gesinnt, kan uns nur Lust bereiten
Hochwohlgebohrne Frau! ich schätzte mich beglückt,
Da ich dein Angesicht das erstemahl erblickt.
Ich sahe wohl an dir den Unterschied der Frauen
Und Damen, die das Reich der Erden helfen bauen.
Du bist nicht nur gelehrt, klug, weise und galant,
Und tugendhaft darbey; nein sondern auch dein Stand
Wird von der Höflichkeit aufs herrlichste geführet.
Du bist, Gepriesne Frau! mit allem ausgezieret,
Was edel und berühmt, und liebenswürdig macht.
So oft dich mein Gemüth erweget und betracht,
So labt sich meine Brust. Dahero wünsch ich immer:
O! hätt ich oft das Glück bey dir in deinem Zimmer,
Berühmte Frau! zu seyn, so machte mir dein Mund
Zu meiner Herzens-Lust die schönsten Lehren kund.
Doch wo gerath ich hin? was such ich dich in hören,
In Lesen und Gespräch und Schreiben zu verstöhren?
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Mit Ehrfurcht schließ ich nun, und bitt gehorsamlich:
Gedenke fernerhin auch hochgeneigt an mich
Du wollst mir deine Huld und Gnade weiter gönnen,
So werd ich mich vergnügt stets

Deine Dienrin nennen.

Den 4. Oct. 1737.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Ein Sendschreiben an Frau Oberhofmeisterin von Hohendorf. Ein Sendschreiben an Frau Oberhofmeisterin von Hohendorf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADE9-F