[93] Das Neunde Lied

Von allerhand Versen.


An den Seinen.


1.
Göstern/ als sich allbereit
Mercken ließ die Abends-Zeit/
Da der blasse Mond von fernen
Sich gesellte zu den Sternen;
Da wir uns lustig erzeigten zusammen/
Bachus entzündte Poetische Flammen
Durch edelen Wein/
Welchen mein Bruder mit kräfftigen Sachen
versüßet allein;
Kam mir ein Becher vor Gesichte/
Ich weiß nicht/ was ich schließ' und richte!
Er muß ja löchricht seyn/
Wo bliebe sonst der Wein.
2.
Was auff diesem Becher stund/
War uns allen wohl vergunt/
Trinck mich aus und leg mich nieder/
Steh ich auff/ so füll mich wieder;
Dieses war eben am Becher geschrieben/
Daß uns zu trincken so wacker getrieben
Den edelen Wein:
Wie? ist er dann unten und oben voll Löcher?
Wie mag es doch seyn?
Mein Sinn- und wähnen wird zu nichte/
Ich weiß nicht/ was ich schließ' und richte/
Er muß ja löchricht seyn/
Wo bliebe sonst der Wein.

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TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Gedichte. Gedichte. Frühlingslust. Anderes Dutzend. Das Neunde Lied. Das Neunde Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B04B-B