[132] Das Fünffte Lied

Als Er seinen Allertreuesten Freund gesegnen muste.

1.
Allhier in diesen Wüsteneyen/
Da nichts als schwartze Beume stehn/
Muß ich vor großem Wehmuth schreyen/
Muß weinen und betrübet gehn/
Weil nun mein Hertz mein ander Ich
Absondert sich/
Nun seh ich/ wie dem ist üms Hertze/
Der seinen Freund verlaßen muß/
Diß lehret mich mein eigner Schmertze
mit überfluß.
2.
Ihr tieffen Thäler und ihr Büsche/
Ihr die ihr in den Gründen seyd/
Hört meinen Seufftzen zu/ Ihr Fische/
und helfft beklagen dieses Leid:
Weil ich den Bruder missen muß/
doch mit Verdruß.
Nun seh ich/ wie dem ist üms Hertze/
Der seinen Freund verlaßen muß/
Diß lehret mich mein eigner Schmertze
mit überfluß.
[133] 3.
Ihr Berge/ Felsen/ Klüfft' und Steine/
Du Lust-Kind/ Echo/ spring mir bey
Sih wie den Abschied ich beweine/
Stimm ein in meine Melodey/
Die nichts als Wind und Seufftzen ist
Zu dieser frist.
Nun seh ich/ wie dem ist üms Hertze/
Der seinen Freund verlaßen muß/
Diß lehret mich mein eigner Schmertze
mit überfluß.
4.
Ihr Kreuter die ihr stets auffgehet/
Wo Wald und feuchte Brüche seyn/
Das Laub/ das auff den Espen stehet/
Stimmt schon in meine Seufftzen ein;
Mein Auffenthalt/ mein Schatz ist hin/
Das kränckt den Sinn.
Nun seh' ich/ wie dem ist üms Hertze/
Der seinen Freund verlaßen muß/
Diß lehret mich mein eigner Schmertze
mit überfluß.
5.
Ihr Wasser/ Brunnen/ Quell und Bäche/
Steht still und schaut diß Trübnüß an!
Ach! hört was ich in ängsten spreche/
In dem ich diese Trauer-Bahn/
Den Weg des Abschieds zihen soll
Des Kummers voll.
Nun seh ich/ wie dem ist üms Hertze/
Der seinen Freund verlaßen muß/
Diß lehret mich mein eigner Schmertze
mit überfluß.
[134] 6.
Ihr Himmels-Fackeln und ihr Sterne/
So in den blauen Wolcken stehn/
Schaut auff mich Armen doch von ferne/
Der ich so einsam her muß gehn/
und meines Liebsten Angesicht
Kann schauen nicht.
Nun seh ich/ wie dem ist üms Hertze/
Der seinen Freund verlaßen muß/
Diß lehret mich mein eigner Schmertze
mit überfluß.
7.
Nun komm du süßes Spiel der Winde/
Du weisser West und nimm diß Wort
und bring' es eylend und geschwinde
Zu dem/ der mein gewündschter Port/
und zeug' Ihm/ daß ich meiner Pflicht
vergessen nicht:
Sein Bluth/ so auff Papier geschrieben/
Das sol der Treue Zeuge seyn/
Daß Er mich ewiglich wil lieben
In Noth und Pein.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Gedichte. Gedichte. Frühlingslust. Vierdes Dutzend. Das Fünffte Lied. Das Fünffte Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B06F-C