19. Brief

Dein wohlgefassetes und angenehmes Blat,
Das mir ein wehrter Freund nächst eingehändigt hat,
Erwecket zwar in mir ein inniges Ergetzen,
Doch will es mich zugleich auch in Verwundrung setzen.
Ich kenne nicht den Treib, der hier die Feder führt,
Da deine muntre Hand das Spiel der Seiten rührt
Und deines Rühmens Grund bleibt mir annoch verborgen,
Wie eifrig ich ihn auch mag zu erreichen sorgen.
So bald mir deine Schrift nur vor das Auge kam,
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Erfüllete sie mich auch mit gerechter Scham,
Weil bloß die Schmeicheley die Feder eingetauchet,
Der sich die Wahrheit sonst zu ihrem Schutz gebrauchet.
Du solltest, kennt ich mich und meine Muse nicht,
Die aus ganz anderm Thon, als deiner klinget, spricht,
Durch dein zu grosses Lob der so geringen Sachen,
Bey nahe mich recht stolz und aufgeblasen machen.
O setze mich doch nicht in jener Frauen Zahl,
Die sich durch Trefflichkeit und ihrer Klugheit Strahl
Bey der gelehrten Welt in wohlgesetzten Schriften,
Von Männern angeflammt, ein gleiches Denkmal stiften.
Der Lorber steht zu hoch, den die und jene brach;
Ich Arme gehe ja den Heldinnen weit nach,
Die den gelehrten Hayn mit euch zugleich erstiegen;
Die Flügel sind zu matt den Adlern nach zu fliegen.
Was rühmst du meinen Kiel, der schwach und kraftlos schreibt?
In dessen Ausdruck es bey magern Worten bleibt?
Ach! schmeichle nicht zu viel den unschuldsvollen Blättern,
Sonst schreibest du dich selbst zu den verhaßten Spöttern.
Man hat sie fast mit Zwang mir aus der Hand gedreht.
Wer ist, der selbigen den Beyfall zugesteht?
Du thust es bloß allein, vielleicht mich aufzuwecken,
Und suchest nur aus Gunst die Fehler zu verdecken.
So nahe Pallas auch an meinem Fenster sitzt,
Und wie du scherzend sprichst, mir in das Auge blitzt,
So kann, und wollt ich mich auch noch so sehr bestreben,
Mir ihre Nachbarschaft doch wenig Vortheil geben.
Sie sieht sich zwar nach euch und Frauenbildern um,
Doch ruf ich sie zu mir, so bleibt sie taub und stumm;
Sie will zu meinem Schmerz sich leider nicht bequemen
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In ihre Schule mich zugleich mit aufzunehmen.
Die andern führet sie zwar auf der Weisheits Bahn,
Zu Wissenschaft und Kunst getreu und munter an;
Mir aber, schließ es doch aus meinem matten Schreiben,
Muß eine steinerne Minerva nur verbleiben.
Jedoch itzt merk ich erst, was dir das Auge blendt,
Daß deine Zuschrift mich geschickt und tüchtig nennt;
Du siehst mich, ists nicht wahr? in unsrer Musen Rollen,
Die Deutschlands Ehr und Ruhm mit Eifer retten wollen,
Dies bringt unfehlbar dir die gute Meynung bey,
Als ob mein Seitenspiel von gleicher Stärke sey.
Nein du betrügst dich sehr, ich such in ihren Fluren
Noch erst als Schülerinn der Weisheit ächte Spuren;
Und hör in aller Still, so emsig ich nur kann,
Den angenehmen Thon der Deutschen Dichter an;
Den schwirrenden Gesang, wenn diese Schwäne singen,
In eine Melodie, nach ihrer Art zu bringen.
Der nächst erhaltne Preis, den man mir zugedacht,
Und welcher mich so groß in deinen Augen macht,
Verführt dich, wehrter Freund; hast du denn nie gelesen,
Daß oftermals das Glück verwegnen hold gewesen?
Indessen ob du gleich Phöbus Lorberhayn,
Der dich so tief versteckt, verborgen denkst zu seyn,
So will ich in geheim schon die Sybillen fragen,
Die werden mir gewiß einst deinen Namen sagen.
Begrüßt mich ferner weit dein so geschickter Kiel,
Der mir, wofern er nur nicht schmeichelte, gefiel,
So will ich künftighin bey meinem schlechten Dichten
Das Aug auf selbigen, als meine Vorschrift richten.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 19. Brief. 19. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B0A0-B