[343] Als eine betagte Jungfer einen jungen Mann heyrathete

Rosildgen, liebstu noch in deinen alten Tagen?
Wie? mag Cupido doch dich noch so späthe plagen.
Das Grabscheid ist vor dich viel besser, wie mich dünckt,
Als Amors Liebes-Pfeil, der dir ins Hertze dringt.
Will sich Cupido nicht vor deinen Runtzeln scheuen?
Denckt dein verschrumpfelt Hertz, ists möglich, noch zu freyen?
Ach dein verwelckter Mund schickt sich gar nicht zum Kuß,
Dein Wesen und Gestalt gleicht einer tauben Nuß.
Wie schöne sitzt dir nicht der Braut-Crantz auf dem Neste?
Ein jeder wundert sich und glaubet steiff und feste,
Es wär Johannis-Tag, an dem ein jedes Kind
Um einen alten Topf die schönsten Blumen wind.
Was würde Hymen doch bey deinem Opfer dencken,
Wann du wirst deinen Fuß nach seinen Schwellen lencken?
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Wiewohl es ist ihm recht, indem er selbst bekennt,
Daß altes Stroh und Holtz am allerbesten brennt.
Dein Liebster wird statt Kerns nur leere Schalen brechen,
Denn Venus sucht an ihm sich meisterlich zu rächen.
Er hat bald da, bald dort, gleichwie bekannt, genascht,
Daher er leeres Stroh an statt der Syrinx hascht.
Was dir an Jugend fehlt, ersetzen die Ducaten,
Vielleicht ist deinem Mann mit selbigen gerathen.
Wer weiß, welch armes Kind noch deinen Schweiß genießt,
Wann sich dein liebster Schatz mit ihr ins Zimmer schließt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Schertz- und Satyrische Gedichte. Als eine betagte Jungfer einen jungen Mann heyrathete. Als eine betagte Jungfer einen jungen Mann heyrathete. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B163-F