12. Cantata

Aria.

Auf ihr zärtlichen Napeen!
Wollt ihr länger müßig gehen?
Schürzt zur Jagd den schlanken Leib.
Kommt, wir wollen jagen, hetzen,
Aug und Herze zu ergetzen,
Wehlet diesen Zeitvertreib.
So frischete auf jener Bahn
Der Atalanten Ruf nächst die Gespielen an,
Die sie bey manchen Tendeleyen,
In der verliebten Jäger Reihen
Zu ihrem merklichen Verdruß
Von weitem sahe müssig sitzen.
[327]
Wie? sprach sie, mag ein schnöder Kuß
Euch, träge Nymphen, so bethören,
Und von der mehr als edlen Lust,
Die uns im Jagen ist bewust,
Die muntern Sinnen kehren?
Last doch das tolle Liebesspiel,
Das Atalanta muß verlachen,
Euch bey dem ausgesteckten Ziel
Nicht laß und schläfrig machen.
Seht ihr verliebten Schwestern, nicht?
Wie eifrig winket euch das ganze Chor der Faunen,
Das über eure Rast und Trägheit will erstaunen,
Hört ihr nicht, wie Diana ruft und spricht:
Aria.

Brecht ihr faulen Jäger, auf.
Greifet nach Gewehr und Waffen;
Hemmt der blinden Liebe Lauf,
Macht den Thieren was zu schaffen.
Flieht Cytherens geilen Sohn,
Laßt der muntren Hörner Ton
Statt verliebter Lieder klingen,
Und durch das Gebüsche dringen.
Dies flammte sie, wie man leicht schliessen kann,
Vor Schaam und Furcht von neuem wieder an,
Der Jägerinn, wie vormals, nach zugehen,
Die sie vor sich entrüstet sahen stehen.
Sie hetzten tapfer drauf. Doch als bey solcher Jagd
Sich Atalantes Fuß, der sich zu tief gewagt,
Im Wald verirret sahe,
So ließ Menalcas sich, der ihr zur Hand gar nahe
Daselbst geblieben war, in ein Gespräche ein;
Er klagt ihr seinen Schmerz, und die so harte Pein,
Die ihrer Augenstral
[328]
Ihm jedesmal,
So oft er sie erblickt, erreget;
Ich Unglükseliger! dies war sein Wort,
Hab oftermals so hier als dort
So manches Wild durch mein Geschoß erleget;
Allein dein Herz, du Schönheit dieser Welt,
Dem ich so lange Zeit schon Garn und Netz gestellt,
Läßt sich von mir bey sehnlichem Verlangen
Doch leider niemals fangen.
Und endlich sang er ihrem tauben Ohr
Dies Klagelied recht zärtlich vor.
Aria.

Unempfindlichste der Erden!
Soll dein Herz mir nimmermehr,
Sag es doch, zu theile werden,
Giebst du mir denn kein Gehör?
Deine Hand führt Pfeil und Bogen,
Eben wie der Liebesgott;
Und, so sehr er dir gewogen,
Treibst du doch mit ihm nur Spott.
Bloß die Jagd will dich ergetzen;
Wohl; doch stell auch, bitt ich, dir
Bey dem dir beliebten Hetzen,
Atalanta, dieses für;
Wenn du durch die Wälder streichen,
Und bey Sonn und Mondenschein
Gar kein Stücke solltst erreichen,
Würd es dir nicht schmerzlich seyn?
Selbst die Göttinn, so den Fluren
Und der Jagd gewidmet ist,
Hat auf aller Jäger Spuren
[329]
Den Endymion geküßt.
Sollst du dich an ihr nicht spiegeln?
Wald und Thal schließt man nicht zu,
Und du willst dein Herz verriegeln?
Wer ist grausamer, als du?
Nachdem er ihr dies vorgesagt,
Und seine Schmerzen ihr geklagt,
So ließ sie Zorn und Wuth, die Freyheit zu beschützen,
Aus Aug und Stirne blitzen.
Du bist, sprach sie erbooßt, mit mir im Wald verirrt,
Weit stärker aber noch im Liebesgarn verwirrt;
Schweig mir von solchen Possen,
Hat dich der Liebesgott auch mit geschossen?
Verwegner Jäger, fleuch von mir,
Ich sag, ich schwer es heilig dir,
So lange noch Gebüsch auf Erden,
Und Wild darinnen wird von mir gefunden werden,
Läßt Atalanta sich, du darfst es sicher glauben,
Ihr Herz von keinem Jäger rauben.
Viel eher wird Actäons Schattenbild
Von neuem wieder Wild
Auf unsrer Bahne fällen,
Als daß ich meinen Bogen hier
Aus schnöder Lieb und Gunst zu dir
Sollt in bestaubte Winkel stellen.
Menalcas stutzte zwar dabey,
Und dennoch wollt er ihr aus süsser Schmeicheley
Gestreckt zu ihren Füssen,
Den Jagdschurz zärtlich küssen.
Sie aber reißt durch einen spröden Stoß
Sich vom verliebten Jäger los,
Und läßt, indem sie schnell zurück will kehren,
Im Fliehen ihn so viel an statt des Abschieds hören:
[330] Aria.

Fleuch mit dem blinden Liebesschützen,
Ich bin mit Thal und Wald verlobt.
Wo man hört Jägerhörner klingen,
Da kann ins Ohr kein Seufzer dringen,
Der aus verliebtem Herzen flieht.
Der schnellen Hunde muntres Bellen
Klingt, wenn wir Hirsch und Rehe fällen,
Weit süsser als ein Bulerlied.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Cantaten und Fabeln. 12. Cantata. 12. Cantata. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B194-3