18. Brief

An ein Frauenzimmer.


Apollens werthe Braut nennt mich dein Dichterkiel!
Galante – – – du denkst und schreibst zu viel;
Ach es erfordert mehr zum rechten Zweck zu kommen,
Und das was ich gethan, heißt noch nichts unternommen.
Ein Reim zehlt uns nicht gleich zu den Poeten mit,
Wenn man auch noch so schnell zum Musenhügel tritt.
Der Hippocrenen Fluß dient auch zu Stümpereyen;
Drum wirst du, Freundinn, mir vor diesesmal verzeyhen,
Ich schreibe deutsch heraus, so wie das Herze denkt;
Und da dein Schreiben mir so viele Neigung schenkt,
So offenbar ich dir, wie mir es sonst gegangen,
Mit was vergebner Müh ich manches angefangen.
Ein Dichter soll und muß dazu gebohren seyn,
Das lag mir in dem Kopf, ich schrieb in Tag hinein;
Bis treuer Freunde Rath mich auf den Einfall brachte,
Daß ich bloß die Vernunft zu meiner Richtschnur machte.
Die führte mich so gleich ganz einen andern Weg;
Gefällt dir mein Gesang, betritt auch diesen Steg,
Du wirst denselbigen sodann mit Ruhm beschreiten
Daferne du dich läßt in diesen Schranken leiten.
Geduld, Vernunft und Zeit die können uns belehren.
An statt daß Männer stets gelehrte Redner hören,
So nehmen wir ein Buch von einer klugen Hand,
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Und machen uns daraus das was uns nützt, bekannt.
Die Regeln muß man auch aus ihrem Grunde wissen,
Es muß uns keine Müh bey dieser Kunst verdriessen;
Wenn man die Sätze nicht recht einzutheilen weis,
So wird dem Leser kalt, bald übel und bald heiß.
Dem Unfall in der Zeit mit Vorsicht vor zu kommen,
So hab ich manchen Rath mit Danken angekommen.
Es kömmt manch schönes Werk zu unsrer Zeit heraus,
Ich suchte mir noch letzt dergleichen Bücher aus,
Und lese stets mit Lust was andrer Witz geschrieben,
Denn wer das Dichten liebt, der muß auch diese lieben.
So fahr ich täglich fort, und lerne was dabey;
Dadurch verliehret sich das wilde Waldgeschrey.
Die Vorschrift kann ich dir aus gutem Herzen geben;
Doch steht dir ferner frey derselben nach zu leben.
In liegendes Gedicht stellt sich auch bey dir ein;
Es soll von meiner Gunst zum Schluß der Zeuge seyn;
Nebst der Versicherung, du wirst mich stets so kennen,
Daß du mich in der That kannst deine Freundinn nennen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 18. Brief. 18. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B231-8