17. Gedichte

Die ihrer Liebe unwissende Doris.


Hiermit beschwer ich dich, mein Herze, du sollst sagen,
Was mich im Schlafe stört, und meinen Geist besiegt.
Ich kann mich wachend zwar nicht über dich beklagen,
Weil die Empfindung stets der Einsicht unterliegt;
Allein so bald der Schlaf die matten Glieder strecket,
Und mich zum Träumen bringt, so weis ich selber nicht,
Wer mich zur Zärtlichkeit und Schmeichelung erwecket.
Mein Herze, rede doch, gieb mir hierinn ein Licht.
Was hab ich dir gethan, und was ist mein Verbrechen,
Daß du dich gegen mich so fromm und fremde stellst?
Ach willst du denn nicht mehr, wie sonst, vertraulich sprechen:
Entdeck das Urtheil frey, das du itzt von mir fällst.
So klagte Doris jüngst; drauf schwanden Furcht und Kummer;
Der Schlaf befiel sie gleich den ersten Augenblick;
Sie lag in süsser Ruh; im angenehmsten Schlummer,
Und dachte nicht auf das was sie gestört, zurück.
Doch eh sie es geglaubt, vergnügte sie ein Schatten;
Sie rief voll Ungeduld; Ach – – bist du da?
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So wie die Taube girrt nach ihrem treuen Gatten;
Und Doris wuste nicht, wie ihr vor Lust geschah.
Sie schlug die Augen auf; sie dachte hin und wieder,
Sie ward halb ausser sich, und die bewegte Brust
Nahm Lieb und Schrecken ein. Es drang durch alle Glieder
Der Vorschmack süsser Qual, die nie empfundne Lust.
Nun, sprach sie, kann ich erst den schönen Ursprung wissen,
Daraus mein Leiden fließt, und der mir doch gefällt.
Ach holder Schatten komm, ich will dich feurig küssen,
Bis mir das Schicksal auch den Körper zugesellt.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vermischte Gedichte. 17. Gedichte. 17. Gedichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B248-5