[314] Als Clotilde Cupido zu ihren Rechenmeister angenommen hatte, er aber das Amt in kurtzen wieder aufkündigte

Clotildgen bild sich viel auf ihre Charmen ein,
Doch denckt sie vielmahl selbst: wie kan es möglich seyn,
Daß sich ein gantzes Heer um meine Gunst bemühet?
Sie weiß fast selber nicht, warum man nach ihr siehet.
Ihr Ansehn und Verstand ist, dünckt mich, gantz gemein,
Und dennoch fallen viel in ihren Sprenckel ein.
Denn tritt das liebe Kind von ungefehr ans Fenster,
So stellen sich dafür am lichten Tag Gespenster.
Bald wird ein Feder-Busch von Haupte gleich gerückt,
Da sich hingegen auch ein armes Würmgen bückt.
Drum soll auch Amor ihr den Liebesdienst erweisen,
Und nun ihr Rechnungs-Rath von Complimenten heissen.
Allein er gab ihr nächst gar deutlich zu verstehn,
Er könte dißmahl nicht in ihre Dienste gehn:
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Der Hencker, sprach er, mag dergleichen Amt erwehlen,
Wer wolte wohl bey dir die Complimenten zehlen?
Aus ieden Steine springt ein Spaß-Galan heraus /
Und die belagern recht dein und das Nachbahrs Hauß.
Schau, wie die Männerchen zu gantzen Schaar und Hauffen
Mit krummen Lorenzen vor deine Fenster lauffen.
Sie neigen wahrlich sich so tieff, wie man ersieht,
Wie Puppen, welche man an einen Faden zieht.
Denn ieder der im Gruß will fast den Nacken brechen,
Sucht, wie du selber weist, den andern abzustechen.
Wenn Beutels Rechen-Buch, und hundert andre mehr,
Mir gleich bey solchen Amt zu Dienst und Willen wär,
So würd ich wahrlich doch, bey so gestalten Sachen,
Die Zahlen reichten nicht, kein Facit können machen.
Schrieb ich den Schwall und Schwarm von deinen Charmen auf,
So gieng ein Rieß Pappier in einer Stunde drauf.
Und mein! Wer wolte mir dafür die Kosten zahlen?
Die meisten suchen nur zum Spaß mit dir zu dahlen,
Sie wenden, seh ich wohl, auf dich nicht allzu viel,
Dieweil ein jeder dich umsonst nur haben will.
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Dein Beutel aber kan die Mühe nicht belohnen,
Und also wirst du mich mit solchen Dienst verschonen.
Inzwischen weiß ich nicht, ob jetzt Clotildgen lacht
Und ob sie dieser Korb nicht schamroth hat gemacht,
Denn Amor, dünckt mich, hat der Welt gar klar entdecket,
Was hinter selbiger vor Trug und Blendwerck stecket.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Schertz- und Satyrische Gedichte. Als Clotilde Cupido zu ihren Rechenmeister angenommen hatte. Als Clotilde Cupido zu ihren Rechenmeister angenommen hatte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B264-7