[86] Antwort-Schreiben
Der Frau von Breßler

Worinnen sie die vorhergehenden Reime behalten.


Mein Engel,
Daß dein Kiel so lange Zeit geschwiegen,
Zeigt, daß er meiner Schrifft den Stillstand auferlegt,
Drum muß ich höchst-betrübt nebst meiner Muse liegen,
Jedoch bleibt dein Befehl mir allzeit eingeprägt.
Nicht ich will den Parnaß, nur er will mich, verlassen,
Mein schwartz umzognes Hertz weiß keinen andern Schluß,
Doch wird sich niemand gern nach eignen Wollen hassen,
Denn was mein Aug erblickt, erkenn ich mit Verdruß.
Dein Himmel klährt sich aus, und wird dir nicht mehr dräuen,
Ich seh von ferne schon die heitern Wolcken stehn,
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Die wollen deinen Geist und dein Gemüth erfreuen,
Daß du hinführo kanst auf Nelck und Rosen gehn.
Vielleicht wirst du von mir ein wahres Urtheil fällen,
Dein Schreiben, sag ich selbst, hilfft mir zu keiner Kunst,
Die Sinnen können sich nicht, wie sie wollen, stellen,
Und meine Wissenschafft bleibt nur ein finstrer Dunst.
Wahr ists, der Schlag ist hart, der deine Brust betroffen,
Zweyfach, erst deinen Schatz, und denn dein liebes Kind;
Vielleicht läst dich das Glück bald im Gefolge hoffen
Daß sich ein treues Hertz mit deinen Geist verbind.
Doch zieht das Schicksal dich nicht von der Kunst zurücke,
Die edle Poesie bleibt stets dein Zeitvertreib,
Mein Echo schicket dir viel Theil genommne Blicke,
Melpomene klagt mit, als wie ein anders Weib.
Wir wollen beyde nicht den Schmertzen widerlegen,
Der vor dein Mutter Hertz aufs zärtlichste durchzieht,
Nicht minder wollen wir denselben neu erregen,
Hierüber ist mein Kiel zu trösten bloß bemüht.
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Wer kan wohl den Orcan am Firmament bezwingen?
Fürwahr des Mannes Tod verursacht meine Pein,
Auch darf mein Trauer-Thon nicht Freuden-Lieder singen,
Und keine Panace wird künfftig vor mich seyn.
Drum kan ich sonder Zug ans Reimen nicht gedencken,
Ich weiß du findest hier, so Mus' als Einfall schlecht.
Der Fürst befahl es mir, ihn also zu beschencken,
Zwar ist mein Vers vor ihn, wie auch vor dich, nicht recht.
Mein Epheu soll sich nicht zu dir als Cedern wagen,
Dieweil er gegen dir mehr als zu niedrig scheint.
So darffstu weiter nicht nach keiner Ursach fragen,
Weil meine Parodie es wie das Hertze meynt.
Vielleicht läst sich dein Geist von meiner Einfalt schrecken,
Da sie dir ehmahls nur ein schlecht Post Scriptum schreibt,
Du aber ruffest jetzt, ich soll die Feder strecken,
Und mein Gehorsam schafft, daß es bey Reimen bleibt.
Dein Geist und Kiel macht mir die Lieb ins Hertze dringen,
Drauf wag ichs, Schwester, auch mit doch erschrocknen Sinn,
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Das Reimen läst sich schwer, doch nicht die Liebe, zwingen,
Diß, glaub ich, zeigt dir satt, daß ich dein eigen bin.
Dein gantz gelehrter Brief kan Mensch und Göttern weisen,
Wie selbiger mehr als Apellens Pinsel heißt.
Du kanst mich in der That nicht angenehmer speisen,
Als wenn mich deine Gunst nicht gantz zurücke weißt.
Apollo darff nicht mehr vor dich den Lorber winden,
Weil er dasselbige vor langer Zeit gethan,
Er kan mit Rechte nichts so ungemeines finden,
Da man der Dauer nach dich Engeln gleichen kan.
Minerva läst gewiß Buch und die Waffen fallen,
Und wird durch deinen Ruhm gantz aus sich selbst gebracht,
Sie, Phöbus und Mercur, läst von dir weit erschallen,
Was dein belesner Geist vor nette Verse macht.
Die Musen wollen dich selbst ihre Schwester nennen,
Weil jedes sehr bemüht von deinem Werthe schreibt.
Wer dieses, glaub ich, hört, wird deinen Geist erkennen,
Und daß der Vorzug dir vor allen neunen bleibt.
Man wird von deinen Geist und allen seltnen Gaben,
Wie trefflich selbge sind an der Gelehrsamkeit,
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Wohl schwerlich in der Welt, noch deines gleichen haben,
Drum schreibt von deinen Ruhm die Fama weit und breit.
Besonders will ich dich, wie billig, hoch verehren,
Die Götter sollen dir zu Heerd und Opfer streun,
Sie mögen so, wie ich, dein trefflich seyn vermehren,
Und sich zu deinen Dienst nach Wunsch und Willen weyhn.
Selbst Flora bringt den Schatz von ihren Blumen-Betten,
Und sagt, das soll vor dich ein sanfftes Küssen seyn.
Fortuna wolle dich von Sorg und Kummer retten,
Und kröhne dir dein Haupt nach ausgestandner Pein.
Diß werd ich Freuden-voll von deinen Händen lesen,
Und trifft denn dieses ein, so wirst du mir gestehn,
Ich wäre so, wie du, auch ein Prophet gewesen,
Und hätte, Jano gleich, dein Wohl voraus gesehn.
Hier will ich jetzt den Brief, doch nicht die Liebe, schliessen,
Präg selbe gegen mich auch in dein Hertz hinein;
So wird stets dieser Schluß aus meiner Feder fliessen,
Daß ich bis in das Grab will deine Dienern seyn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Vermischte Gedichte. Antwort-Schreiben der Frau von Breßler [1]. Antwort-Schreiben der Frau von Breßler [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B2CE-C