9. Brief

An eine Adeliche Dame.


Verwundre dich nur nicht, wo fern du meine Zeilen,
So dir die Antwort hier, wozu du mich verbindst,
Hochwohlgebohrne Frau, auf deinen Brief ertheilen,
Verwirrt, vom schlechtem Klang, und recht gezwungen findst.
Mein Blat muß sich vor dir und deiner Güte schämen,
Nicht weniger als ich! ich werde feuerroth;
Die Furcht will mit Gewalt mir Hand und Finger lähmen,
Die mir mit deinem Zorn und Eifer billig droht,
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Dein Vorwurf ist gerecht, ich muß es selbst bekennen,
Weil mein Versprechen nicht von mir erfüllet ward.
Du kannst, und zwar mit Recht, mich deinen Schuldner nennen;
Jedoch dein Argwohn ist ganz falsch und klingt zu hart:
Du glaubst, ich hätte dich die ganze Zeit vergessen,
Und der Gedanken Lauf nach andern hingericht,
Seit dem du weit entfernt in Carols Bad gesessen;
Wie fällt dir dieses ein? O Freundinn! Glaub es nicht,
Es ist gewiß kein Tag, ich schwer es dir, verstrichen,
Mein Herze muste dir auf jeden Tritt nachgehn,
Bey deiner Lust bin ich niemals von dir gewichen,
Und muste dir im Geist stets an der Seite stehn.
So viel mal ich an dich und deine Cur gedachte,
So viel mal flog zu gleich ein frommer Wunsch nach dir,
Den dir an meiner statt ein Seufzer überbrachte,
Und diesen wiederholt auch noch die Feder hier.
Doch soll ich dir im Ernst und offenherzig sagen
Was wohl die wahre Schuld an meinem Schweigen sey,
So kannst du dich mit Recht nicht über mich beklagen,
Leg alle meine Schuld bloß dem Verhängniß bey;
Dies risse leider! mir die Nachricht aus den Händen,
In welcher Gegend du dort deine Wohnung nähmst;
Wie konnt ich dir also ein Blätchen übersenden,
So daß du es gewiß am rechten Ort bekämst?
Drum laß doch den von mir geschöpften Argwohn schwinden,
Als wär ich etwan nur ein solcher Flattergeist,
Der sich zu etwas bald und leicht pflegt zu verbinden,
Im Halten aber träg und ganz vergessen heißt:
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Ich weis, was ich an dir für eine Freundinn liebe;
Dein Umgang hat mir gleich im Anfang dargethan
Daß man dich unverfälscht, und deine Freundschaftstriebe
Recht rein und ungefärbt, dir ähnlich nennen kann.
Wer der von A – – zur Hand und Seite sitzet,
Der sieht, wofern er nur ein Aug im Kopfe trägt,
Daß eitel Redlichkeit aus ihrer Stirne blitzet,
Und daß ihr Herze nie List und Verstellung hegt.
Man muß sie wirklich mit zu Biederfrauen stellen,
Dies Wort gehöret euch, ihr Männer, nicht allein,
Ihr ächt gesinnter Geist, haßt aller Falschheit Quellen,
Den Worten muß die That stets gleich gestimmet seyn.
O! solche Freunde soll man hoch und heilig halten,
Sie sind bey unsrer Welt, als wie ein Phönix rar;
Wie schwach ist ihre Zahl! das Korn und Schrodt der Alten,
Zeigt sich, du weist es selbst, nur alle Jubeljahr.
An Freunden fehlt es nicht, sieht man auf Wort und Minen,
Doch, nimmt man auch zu gleich ihr inneres in acht,
So gleichen selbige wohl meistentheils den Bienen,
Die nur der Seim beliebt, der Stachel furchtbar macht.
Die Freundschaft dieser Zeit, ist wie der Umgang lehret,
Nur auf den äußren Schein, und schlechten Grund gebaut;
Der müste kindisch seyn, und wäre wohl bethöret,
Der glatten Worten gläubt, den holden Blicken traut
Und dieses eben wirkt ein sehnliches Verlangen,
Geliebte Freundinn, dich bald wiederum zu sehn;
Ich schmeichle mir gewiß, wenn der Saturn vergangen,
Daß es nach Florens Wink und Eintritt soll geschehn.
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So dann will ich mich recht an deiner Gunst erquicken
Ein einzig Wort von dir soll mir viel lieber seyn
Als aller Rosen Pracht die mir erlaubt zu pflücken,
Womit der Lenz dir wird den Garten überstreun.
Es muß mir weder Kost noch Trank so süsse schmecken
Als dein verneurter Kuß, wonach mein Herze strebt,
Und weist du wohl, warum? der Schluß soll es entdecken:
Weil wahre Gegengunst an deinen Lippen klebt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 9. Brief. 9. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B35A-8