89. Auf der Frau von Meußbach 81sten Geburts-Tag
1730.
So sehr ich sonst Natur und Stand
Auf immer zu verleugnen trachte;
Und was mir irgends anverwandt,
Richt anders als durch Christum achte:
[244]So schleunig wacht die Regung auf
Die Meinigen im Herrn zu segnen,
Wenn ihnen in dem Lebens-Lauf
Besondre Schikkungen begegnen.
Mein Trieb wird aufgebracht, die allgemeine Macht
In Glaubens-Freyheit aufzubieten,
(Die diesen Erdkreis regt, und alle Dinge trägt)
Auch meine Freunde zu behüten.
Alleine, Hochgeehrte Frau!
Wenn ich von Ihro reden solte,
So, daß es jedermann erbau,
So, daß ich nichts verschweigen wolte,
Wie vest die Tugend, sonderlich
Die Tugend der Erbarmung stehet,
Mit welcher sie so mildiglich,
Und ungewöhnlich übergehet:
So sind ich zweyerley, das mir im Wege sey;
Ihr eignes Demuths-volles Schweigen,
Weil, was sie Gutes thut, allein auf ihr beruht,
Ihr Geben hasset alle Zeugen.
Doch dieser Trieb ist nicht so leicht
Bey dankbarn Herzen zu bezähmen.
Der ehemals davon gezeugt:
Daß Geben seliger, dann Nehmen,
Der hielt die Zungen auch im Zaum,
Die Seine Thaten wolten sagen;
Sie machten sich nicht minder Raum,
Es allenthalben auszutragen.
Was Ihr zu statten kömt, was meine Zunge hemmt,
Mit Dero Lobspruch auszubrechen,
Ist Ihrer Wohlthat Hand, und daß ich Ihr verwandt:
Ich müßte von mir selber sprechen.
So will ich dann, nach meiner Art
Mit wenig Worten vieles deuten:
[245]Ich lobe Den, der Sie bewahrt:
Ich denk an jene Ewigkeiten.
Sie überlebt schon achtzig Jahr:
Das ist ein Zeichen von der Gnade,
Das vormals ungewöhnlich war:
Und itzt verschwindets nachgerade.
Wie wenig sind Ihr gleich, wie viel in einem Reich?
Ihr Alter ist ein Gnaden-Groschen,
Wes ist die Schrift und Bild: Des Königs, der vergilt,
Bey dem Ihr Wohlthun unverloschen.
Was ist an einem solchen Fest
Vorerst zu sagen und zu singen?
Das uns der Herr erscheinen läßt,
Ihm Preis und Herrlichkeit zu bringen:
Was für ein Wunsch wird überbracht,
Personen, die uns unentbehrlich,
Und hätten gerne ausgemacht,
Weil ihnen diese Welt beschwerlich?
Weil doch die Ruhe-Zeit ein müdes Herz erfreut,
Und die den Schnee der grauen Haare,
So sich am Scheitel drehn, am liebsten schmelzen sähn,
Damit der Geist in Friede fahre.
Was wünscht man sich? (aus Eigennutz:)
Daß solche Hand sich lange rege,
Damit sie sich zu unserm Schutz
Und Wohlthat mächtiglich bewege.
Was aber würde besser seyn
Für die, so uns mit Gut beschütten?
Wir brächten sie durch unser Schreyn
Zur Aufnahm in die ew'gen Hütten.
Ich hemme meinen Sinn, ich geh' zu Jesu hin,
Ich werfe einen von den Blikken,
Damit wir in der Zeit der Bahn der Ewigkeit
Mit unserm Geiste näher rükken.